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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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er vom Sauerkraute so weit restituirt wä-
re/ und endlich keines schlimmern Zufalls
sich besorgen durffte. Gleich indem stellete sich
ein guter Bekandter ein/ der dem Patienten
die visite geben/ und Abschied nehmen wol-
te. Mit diesem überlegte Gelanor die wun-
derliche und gleichsam übernatürliche Cur;
Doch wuste er bald seine Ursachen anzufüh-
ren/ denn sagte er/ Leib und Seele stehen in
steter Gemeinschafft mit einander/ und wie
es einem geht/ so gehts dem andern auch/
doch ist die Seele mehrentheils am geschäfftig-
sten/ und dannenhero auch am kräfftigsten/
also daß sie so wohl ihre Freude als ihre Be-
trübnüß dem Leibe weiß mit zutheilen. Drum
heist es/ die Einbildung ist ärger/ als die
Pestilentz/ und drum sagen auch die Docto-
res,
keine Artzney wircke besser/ als da man
den Glauben darzu habe. Weil nun dieser
Patiente sich das Sauerkrant heilsam einge-
bildet hat/ ist der Leib der Seele nach gefol-
get/ und hat sich eben dieses zur Artzney die-
een lassen/ was sonst vielleicht sein Gifft gewe-
sen wäre. Gelanor dachte dieser Sympatheti-
schen Cur etwas nach; Eurylas aber fieng an
zu lachen/ gefraget warumb? sagte er/ ich erin-
nere mich eines jungen Doctors in Westfah-

len/


er vom Sauerkraute ſo weit reſtituirt waͤ-
re/ und endlich keines ſchlimmern Zufalls
ſich beſorgen durffte. Gleich indem ſtellete ſich
ein guter Bekandter ein/ der dem Patienten
die viſite geben/ und Abſchied nehmen wol-
te. Mit dieſem uͤberlegte Gelanor die wun-
derliche und gleichſam uͤbernatuͤrliche Cur;
Doch wuſte er bald ſeine Urſachen anzufuͤh-
ren/ deñ ſagte er/ Leib und Seele ſtehen in
ſteter Gemeinſchafft mit einander/ und wie
es einem geht/ ſo gehts dem andern auch/
doch iſt die Seele mehrentheils am geſchaͤfftig-
ſten/ und dannenhero auch am kraͤfftigſten/
alſo daß ſie ſo wohl ihre Freude als ihre Be-
truͤbnuͤß dem Leibe weiß mit zutheilen. Drum
heiſt es/ die Einbildung iſt aͤrger/ als die
Peſtilentz/ und drum ſagen auch die Docto-
res,
keine Artzney wircke beſſer/ als da man
den Glauben darzu habe. Weil nun dieſer
Patiente ſich das Sauerkrant heilſam einge-
bildet hat/ iſt der Leib der Seele nach gefol-
get/ und hat ſich eben dieſes zur Artzney die-
een laſſen/ was ſonſt vielleicht ſein Gifft gewe-
ſen waͤre. Gelanor dachte dieſer Sympatheti-
ſchen Cur etwas nach; Eurylas aber fieng an
zu lachen/ gefraget warumb? ſagte er/ ich erin-
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[320/0326] er vom Sauerkraute ſo weit reſtituirt waͤ- re/ und endlich keines ſchlimmern Zufalls ſich beſorgen durffte. Gleich indem ſtellete ſich ein guter Bekandter ein/ der dem Patienten die viſite geben/ und Abſchied nehmen wol- te. Mit dieſem uͤberlegte Gelanor die wun- derliche und gleichſam uͤbernatuͤrliche Cur; Doch wuſte er bald ſeine Urſachen anzufuͤh- ren/ deñ ſagte er/ Leib und Seele ſtehen in ſteter Gemeinſchafft mit einander/ und wie es einem geht/ ſo gehts dem andern auch/ doch iſt die Seele mehrentheils am geſchaͤfftig- ſten/ und dannenhero auch am kraͤfftigſten/ alſo daß ſie ſo wohl ihre Freude als ihre Be- truͤbnuͤß dem Leibe weiß mit zutheilen. Drum heiſt es/ die Einbildung iſt aͤrger/ als die Peſtilentz/ und drum ſagen auch die Docto- res, keine Artzney wircke beſſer/ als da man den Glauben darzu habe. Weil nun dieſer Patiente ſich das Sauerkrant heilſam einge- bildet hat/ iſt der Leib der Seele nach gefol- get/ und hat ſich eben dieſes zur Artzney die- een laſſen/ was ſonſt vielleicht ſein Gifft gewe- ſen waͤre. Gelanor dachte dieſer Sympatheti- ſchen Cur etwas nach; Eurylas aber fieng an zu lachen/ gefraget warumb? ſagte er/ ich erin- nere mich eines jungen Doctors in Weſtfah- len/

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/326>, abgerufen am 29.03.2024.