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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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die Sache schwer mache. Dann die Lehre/
darinn er gelebt hat/ kan er nicht verdammen.
Und gleichwohl gehört ein grosser Glaube
darzu/ zwey gegenstreitende Sachen gleich gut
zu heissen/ Conscientia dubia nihil est facien-
dum.
Endlich was den Handel am schlim-
sten macht/ so nehmen sie ja die Enderung nit
etwan vor/ Gottes Ehre zu befördern/ oder
ihre Seligkeit gewisser zu machen: sondern
weil sie meynen/ ihre zeitliche Glückseligkeit be-
stens außzuführen/ das ist mit derben deut-
schen Worten so viel gesagt/ weil sie an Got-
tes Vorsorge verzweiffeln/ als sey er nicht so
Allmächtig/ daß er einen in der armseligen Re-
ligion ernehren könte/ nun überlege man den
schönen Wechsel. Ein Kind wird außgelacht/
wann es nach einem Apffel greifft/ und einen
Rosenobel liegen läst. Eine Sau ist darum
eine Sau/ weil sie den Majoran veracht/ und
mit dem Rüssel in alle weiche materie fährt.
Aber der wil vor einen klugen und hochver-
ständigen Menschen gehalten seyn/ der das E-
wige verwirfft/ und auf das Zeitliche siehet/
welches in lauter kurtzen Augenblicken be-
steht/ die uns eher unter den Händen entwi-
schen/ als wir sie recht erkennet haben. Doch
wer will sich wundern/ Christus hat die Thor-

heit


die Sache ſchwer mache. Dann die Lehre/
darinn er gelebt hat/ kan er nicht verdammen.
Und gleichwohl gehoͤrt ein groſſer Glaube
darzu/ zwey gegenſtreitende Sachen gleich gut
zu heiſſen/ Conſcientia dubia nihil eſt facien-
dum.
Endlich was den Handel am ſchlim-
ſten macht/ ſo nehmen ſie ja die Enderung nit
etwan vor/ Gottes Ehre zu befoͤrdern/ oder
ihre Seligkeit gewiſſer zu machen: ſondern
weil ſie meynen/ ihre zeitliche Gluͤckſeligkeit be-
ſtens außzufuͤhren/ das iſt mit derben deut-
ſchen Worten ſo viel geſagt/ weil ſie an Got-
tes Vorſorge verzweiffeln/ als ſey er nicht ſo
Allmaͤchtig/ daß er einen in der armſeligen Re-
ligion ernehren koͤnte/ nun uͤberlege man den
ſchoͤnen Wechſel. Ein Kind wird außgelacht/
wann es nach einem Apffel greifft/ und einen
Roſenobel liegen laͤſt. Eine Sau iſt darum
eine Sau/ weil ſie den Majoran veracht/ und
mit dem Ruͤſſel in alle weiche materie faͤhrt.
Aber der wil vor einen klugen und hochver-
ſtaͤndigen Menſchen gehalten ſeyn/ der das E-
wige verwirfft/ und auf das Zeitliche ſiehet/
welches in lauter kurtzen Augenblicken be-
ſteht/ die uns eher unter den Haͤnden entwi-
ſchen/ als wir ſie recht erkennet haben. Doch
wer will ſich wundern/ Chriſtus hat die Thor-

heit
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[89/0095] die Sache ſchwer mache. Dann die Lehre/ darinn er gelebt hat/ kan er nicht verdammen. Und gleichwohl gehoͤrt ein groſſer Glaube darzu/ zwey gegenſtreitende Sachen gleich gut zu heiſſen/ Conſcientia dubia nihil eſt facien- dum. Endlich was den Handel am ſchlim- ſten macht/ ſo nehmen ſie ja die Enderung nit etwan vor/ Gottes Ehre zu befoͤrdern/ oder ihre Seligkeit gewiſſer zu machen: ſondern weil ſie meynen/ ihre zeitliche Gluͤckſeligkeit be- ſtens außzufuͤhren/ das iſt mit derben deut- ſchen Worten ſo viel geſagt/ weil ſie an Got- tes Vorſorge verzweiffeln/ als ſey er nicht ſo Allmaͤchtig/ daß er einen in der armſeligen Re- ligion ernehren koͤnte/ nun uͤberlege man den ſchoͤnen Wechſel. Ein Kind wird außgelacht/ wann es nach einem Apffel greifft/ und einen Roſenobel liegen laͤſt. Eine Sau iſt darum eine Sau/ weil ſie den Majoran veracht/ und mit dem Ruͤſſel in alle weiche materie faͤhrt. Aber der wil vor einen klugen und hochver- ſtaͤndigen Menſchen gehalten ſeyn/ der das E- wige verwirfft/ und auf das Zeitliche ſiehet/ welches in lauter kurtzen Augenblicken be- ſteht/ die uns eher unter den Haͤnden entwi- ſchen/ als wir ſie recht erkennet haben. Doch wer will ſich wundern/ Chriſtus hat die Thor- heit

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/95>, abgerufen am 29.03.2024.