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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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das Id eine Einheit ist, die sich zwar wohl in zwei Töchter-Ide
theilen kann, die aber nicht durch andersartige Zwischensubstanz
in Stücke dauernd getrennt bleiben könnte. Nehmen wir also
einmal das Id so gross als möglich an, so misst ein Microsoma
nach Boveri's Zeichnung und Vergrösserungsangabe im Durch-
messer 0,0008 Mm., also nicht ganz einen Micro; so gross
sind indessen nur die Endkörner der Stäbchen, die mittleren
messen in ihrem grössten Durchmesser nur 0,0006 Mm., im
kleineren vielleicht 0,0003--4. Die Endkörner als Kugeln ge-
nommen würden von den oben angenommenen Biophoren etwa
zwei Millionen enthalten können.

Das ist nun gewiss eine ansehnliche Zahl, und man sollte
denken, dass sie ausreichte, um bei einem so niedern Thier,
wie ein Spulwurm ist, die Determinantenzahl herzustellen. Schon
bei Gliederthieren aber wächst die Zahl der Determinaten und
damit auch die der Determinanten beträchtlich. Es wurde
oben schon auf die Riechfäden an den Fühlern der Kruster
hingewiesen, deren jeder vom Keim aus determinirbar sein muss;
ebenso auf die Flecke und Striche auf den Flügeln der Schmetter-
linge, von denen jeder zum mindesten eine Determinate dar-
stellt, alle grösseren aber sicherlich mehrere oder viele. Wenn
man bedenkt, dass die Zeichnung häufig recht verwickelt, dabei
oft die Ober- und Unterseite des Flügels verschieden gezeichnet
ist, so gelangt man allein schon für die Flügelzeichnung auf
Hunderte von Determinanten. Nun giebt es aber mancherlei
Eigenthümlichkeiten in der Schuppenbildung, welche es wahr-
scheinlich machen, dass beinahe jede Schuppe vom Keim aus
selbstständig variabel ist. Wenn bei manchen männlichen
Bläulingen, z. B. bei Lycaena Adonis in regelmässiger Ver-
theilung kleine guittarrenförmige Duftschuppen zwischen
den Farbschuppen stehen, während bei nächstverwandten Arten,
z. B. bei Lycaena Agestis dieselben gänzlich fehlen, so müssen

das Id eine Einheit ist, die sich zwar wohl in zwei Töchter-Ide
theilen kann, die aber nicht durch andersartige Zwischensubstanz
in Stücke dauernd getrennt bleiben könnte. Nehmen wir also
einmal das Id so gross als möglich an, so misst ein Microsoma
nach Boveri’s Zeichnung und Vergrösserungsangabe im Durch-
messer 0,0008 Mm., also nicht ganz einen Micro; so gross
sind indessen nur die Endkörner der Stäbchen, die mittleren
messen in ihrem grössten Durchmesser nur 0,0006 Mm., im
kleineren vielleicht 0,0003—4. Die Endkörner als Kugeln ge-
nommen würden von den oben angenommenen Biophoren etwa
zwei Millionen enthalten können.

Das ist nun gewiss eine ansehnliche Zahl, und man sollte
denken, dass sie ausreichte, um bei einem so niedern Thier,
wie ein Spulwurm ist, die Determinantenzahl herzustellen. Schon
bei Gliederthieren aber wächst die Zahl der Determinaten und
damit auch die der Determinanten beträchtlich. Es wurde
oben schon auf die Riechfäden an den Fühlern der Kruster
hingewiesen, deren jeder vom Keim aus determinirbar sein muss;
ebenso auf die Flecke und Striche auf den Flügeln der Schmetter-
linge, von denen jeder zum mindesten eine Determinate dar-
stellt, alle grösseren aber sicherlich mehrere oder viele. Wenn
man bedenkt, dass die Zeichnung häufig recht verwickelt, dabei
oft die Ober- und Unterseite des Flügels verschieden gezeichnet
ist, so gelangt man allein schon für die Flügelzeichnung auf
Hunderte von Determinanten. Nun giebt es aber mancherlei
Eigenthümlichkeiten in der Schuppenbildung, welche es wahr-
scheinlich machen, dass beinahe jede Schuppe vom Keim aus
selbstständig variabel ist. Wenn bei manchen männlichen
Bläulingen, z. B. bei Lycaena Adonis in regelmässiger Ver-
theilung kleine guittarrenförmige Duftschuppen zwischen
den Farbschuppen stehen, während bei nächstverwandten Arten,
z. B. bei Lycaena Agestis dieselben gänzlich fehlen, so müssen

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[117/0141] das Id eine Einheit ist, die sich zwar wohl in zwei Töchter-Ide theilen kann, die aber nicht durch andersartige Zwischensubstanz in Stücke dauernd getrennt bleiben könnte. Nehmen wir also einmal das Id so gross als möglich an, so misst ein Microsoma nach Boveri’s Zeichnung und Vergrösserungsangabe im Durch- messer 0,0008 Mm., also nicht ganz einen Micro; so gross sind indessen nur die Endkörner der Stäbchen, die mittleren messen in ihrem grössten Durchmesser nur 0,0006 Mm., im kleineren vielleicht 0,0003—4. Die Endkörner als Kugeln ge- nommen würden von den oben angenommenen Biophoren etwa zwei Millionen enthalten können. Das ist nun gewiss eine ansehnliche Zahl, und man sollte denken, dass sie ausreichte, um bei einem so niedern Thier, wie ein Spulwurm ist, die Determinantenzahl herzustellen. Schon bei Gliederthieren aber wächst die Zahl der Determinaten und damit auch die der Determinanten beträchtlich. Es wurde oben schon auf die Riechfäden an den Fühlern der Kruster hingewiesen, deren jeder vom Keim aus determinirbar sein muss; ebenso auf die Flecke und Striche auf den Flügeln der Schmetter- linge, von denen jeder zum mindesten eine Determinate dar- stellt, alle grösseren aber sicherlich mehrere oder viele. Wenn man bedenkt, dass die Zeichnung häufig recht verwickelt, dabei oft die Ober- und Unterseite des Flügels verschieden gezeichnet ist, so gelangt man allein schon für die Flügelzeichnung auf Hunderte von Determinanten. Nun giebt es aber mancherlei Eigenthümlichkeiten in der Schuppenbildung, welche es wahr- scheinlich machen, dass beinahe jede Schuppe vom Keim aus selbstständig variabel ist. Wenn bei manchen männlichen Bläulingen, z. B. bei Lycaena Adonis in regelmässiger Ver- theilung kleine guittarrenförmige Duftschuppen zwischen den Farbschuppen stehen, während bei nächstverwandten Arten, z. B. bei Lycaena Agestis dieselben gänzlich fehlen, so müssen

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/141>, abgerufen am 24.04.2024.