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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Capitel III.
Vermehrung durch Theilung.
1. Einleitung.

Bis in die letzten Jahre hinein hat man die Vermehrung
durch Knospung
aus der durch Theilung phyletisch ab-
geleitet und beide Vorgänge als nahe verwandt und durch all-
mälige Übergänge miteinander verbunden angesehen. Erst
F. von Wagner hat es neuerdings versucht, dieser Anschauung
entgegenzutreten und zu zeigen, dass sich beide Vorgänge nicht
nur begrifflich schärfer von einander sondern lassen, als bisher
geschah, sondern dass sie auch genetisch zu trennen sind.
Wagner1) versteht unter Theilung einen Vermehrungs-
vorgang der durch ein gleichmässiges Wachsthum des Mutter-
thieres eingeleitet wird, und durch welchen die Individualität
desselben verändert, gewissermassen aufgehoben wird; unter
Knospung aber einen Vermehrungsvorgang, bei welchem ein
ungleichmässiges (differentielles) Wachsthum des Mutterthieres
den Vorgang einleitet, und durch welchen die Individualität
des Mutterthieres nicht aufgehoben und eine neue an ihre Stelle
gesetzt wird.

Ich theile diese Anschauung insoweit, als ich die Über-
zeugung hege, dass die Vermehrung durch Theilung und durch
Knospung bei Vielzelligen genetisch nicht auseinander hervor-
gegangen sind, und dass auch die Vorgänge selbst sich so
wesentlich voneinander unterscheiden, dass es sich empfiehlt, sie
getrennt zu behandeln.

1) Franz von Wagner, "Zur Kenntniss der ungeschlechtlichen
Fortpflanzung von Mikrostoma nebst allgemeinen Bemerkungen über
Theilung und Knospung im Thierreich". Zool. Jahrbücher, Abth. für
Anat. u. Ontogenie, Bd. IV. Jena 1890.
Weismann, Das Keimplasma. 13
Capitel III.
Vermehrung durch Theilung.
1. Einleitung.

Bis in die letzten Jahre hinein hat man die Vermehrung
durch Knospung
aus der durch Theilung phyletisch ab-
geleitet und beide Vorgänge als nahe verwandt und durch all-
mälige Übergänge miteinander verbunden angesehen. Erst
F. von Wagner hat es neuerdings versucht, dieser Anschauung
entgegenzutreten und zu zeigen, dass sich beide Vorgänge nicht
nur begrifflich schärfer von einander sondern lassen, als bisher
geschah, sondern dass sie auch genetisch zu trennen sind.
Wagner1) versteht unter Theilung einen Vermehrungs-
vorgang der durch ein gleichmässiges Wachsthum des Mutter-
thieres eingeleitet wird, und durch welchen die Individualität
desselben verändert, gewissermassen aufgehoben wird; unter
Knospung aber einen Vermehrungsvorgang, bei welchem ein
ungleichmässiges (differentielles) Wachsthum des Mutterthieres
den Vorgang einleitet, und durch welchen die Individualität
des Mutterthieres nicht aufgehoben und eine neue an ihre Stelle
gesetzt wird.

Ich theile diese Anschauung insoweit, als ich die Über-
zeugung hege, dass die Vermehrung durch Theilung und durch
Knospung bei Vielzelligen genetisch nicht auseinander hervor-
gegangen sind, und dass auch die Vorgänge selbst sich so
wesentlich voneinander unterscheiden, dass es sich empfiehlt, sie
getrennt zu behandeln.

1) Franz von Wagner, „Zur Kenntniss der ungeschlechtlichen
Fortpflanzung von Mikrostoma nebst allgemeinen Bemerkungen über
Theilung und Knospung im Thierreich“. Zool. Jahrbücher, Abth. für
Anat. u. Ontogenie, Bd. IV. Jena 1890.
Weismann, Das Keimplasma. 13
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[193/0217] Capitel III. Vermehrung durch Theilung. 1. Einleitung. Bis in die letzten Jahre hinein hat man die Vermehrung durch Knospung aus der durch Theilung phyletisch ab- geleitet und beide Vorgänge als nahe verwandt und durch all- mälige Übergänge miteinander verbunden angesehen. Erst F. von Wagner hat es neuerdings versucht, dieser Anschauung entgegenzutreten und zu zeigen, dass sich beide Vorgänge nicht nur begrifflich schärfer von einander sondern lassen, als bisher geschah, sondern dass sie auch genetisch zu trennen sind. Wagner 1) versteht unter Theilung einen Vermehrungs- vorgang der durch ein gleichmässiges Wachsthum des Mutter- thieres eingeleitet wird, und durch welchen die Individualität desselben verändert, gewissermassen aufgehoben wird; unter Knospung aber einen Vermehrungsvorgang, bei welchem ein ungleichmässiges (differentielles) Wachsthum des Mutterthieres den Vorgang einleitet, und durch welchen die Individualität des Mutterthieres nicht aufgehoben und eine neue an ihre Stelle gesetzt wird. Ich theile diese Anschauung insoweit, als ich die Über- zeugung hege, dass die Vermehrung durch Theilung und durch Knospung bei Vielzelligen genetisch nicht auseinander hervor- gegangen sind, und dass auch die Vorgänge selbst sich so wesentlich voneinander unterscheiden, dass es sich empfiehlt, sie getrennt zu behandeln. 1) Franz von Wagner, „Zur Kenntniss der ungeschlechtlichen Fortpflanzung von Mikrostoma nebst allgemeinen Bemerkungen über Theilung und Knospung im Thierreich“. Zool. Jahrbücher, Abth. für Anat. u. Ontogenie, Bd. IV. Jena 1890. Weismann, Das Keimplasma. 13

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/217>, abgerufen am 28.03.2024.