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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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plasma's eingetreten ist, so muss sie sich durch die Continuität
des Keimplasma's auf die folgende Generation übertragen können,
und zwar um so sicherer, in je zahlreicheren Iden sie einge-
treten ist. Ich bin also ganz mit Ernst Ziegler einverstanden,
der die Polydaktylie auf eine Keimes-Variation bezieht; sie
muss darauf beruhen, überall wo sie vererbbar ist, sonst wäre
sie eben nicht vererbbar.

So versteht man auch, wieso die einmal entstandene und
durch einige Generationen hindurch weiter vererbte Polydaktylie
doch auch wieder verschwinden kann, denn da bei jeder neuen
Reductionstheilung die Zahl der abnormen Ide steigt oder sinkt,
so kann in letzterem Falle ihre Wirkung durch das Zusammen-
treffen mit lauter normalen Iden bei der Amphimixis völlig
herabgedrückt, und in der folgenden Generation auf immer elimi-
nirt werden. Wie jede individuelle Variation können sie in
einer Generation fehlen, in der folgenden wieder hervortreten,
aber bei fortwährender Kreuzung mit normalen Menschen ist
theoretisch zu erwarten, dass sie sich bald wieder vollständig
verlieren. Damit stimmt denn auch die Erfahrung, welche
überzählige Finger nie über fünf successive Generationen hinaus
auftreten sah.

Bekanntlich kann Variation nicht nur in einer Hinzufügung
von Theilen, sondern auch in einem Wegfallen von solchen
bestehen. Das Verkümmern von Theilen muss auf dem
Schwund der betreffenden Determinanten im Keimplasma be-
ruhen. In dem Capitel vom Rückschlag wurde schon zu zeigen
versucht, dass auch regressive Umwandlungen nicht in allen
Iden eines Keimplasma's zugleich zu erfolgen brauchten, und
dass sich aus dem Übrigbleiben einer im Laufe der Zeit immer
kleineren Minorität solcher Determinanten der Rückschlag auf
längst geschwundene Charaktere der Vorfahren verstehen lässt.
Der Anlass zum Rückgang einer Determinante wird in schwächerer

plasma’s eingetreten ist, so muss sie sich durch die Continuität
des Keimplasma’s auf die folgende Generation übertragen können,
und zwar um so sicherer, in je zahlreicheren Iden sie einge-
treten ist. Ich bin also ganz mit Ernst Ziegler einverstanden,
der die Polydaktylie auf eine Keimes-Variation bezieht; sie
muss darauf beruhen, überall wo sie vererbbar ist, sonst wäre
sie eben nicht vererbbar.

So versteht man auch, wieso die einmal entstandene und
durch einige Generationen hindurch weiter vererbte Polydaktylie
doch auch wieder verschwinden kann, denn da bei jeder neuen
Reductionstheilung die Zahl der abnormen Ide steigt oder sinkt,
so kann in letzterem Falle ihre Wirkung durch das Zusammen-
treffen mit lauter normalen Iden bei der Amphimixis völlig
herabgedrückt, und in der folgenden Generation auf immer elimi-
nirt werden. Wie jede individuelle Variation können sie in
einer Generation fehlen, in der folgenden wieder hervortreten,
aber bei fortwährender Kreuzung mit normalen Menschen ist
theoretisch zu erwarten, dass sie sich bald wieder vollständig
verlieren. Damit stimmt denn auch die Erfahrung, welche
überzählige Finger nie über fünf successive Generationen hinaus
auftreten sah.

Bekanntlich kann Variation nicht nur in einer Hinzufügung
von Theilen, sondern auch in einem Wegfallen von solchen
bestehen. Das Verkümmern von Theilen muss auf dem
Schwund der betreffenden Determinanten im Keimplasma be-
ruhen. In dem Capitel vom Rückschlag wurde schon zu zeigen
versucht, dass auch regressive Umwandlungen nicht in allen
Iden eines Keimplasma’s zugleich zu erfolgen brauchten, und
dass sich aus dem Übrigbleiben einer im Laufe der Zeit immer
kleineren Minorität solcher Determinanten der Rückschlag auf
längst geschwundene Charaktere der Vorfahren verstehen lässt.
Der Anlass zum Rückgang einer Determinante wird in schwächerer

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[565/0589] plasma’s eingetreten ist, so muss sie sich durch die Continuität des Keimplasma’s auf die folgende Generation übertragen können, und zwar um so sicherer, in je zahlreicheren Iden sie einge- treten ist. Ich bin also ganz mit Ernst Ziegler einverstanden, der die Polydaktylie auf eine Keimes-Variation bezieht; sie muss darauf beruhen, überall wo sie vererbbar ist, sonst wäre sie eben nicht vererbbar. So versteht man auch, wieso die einmal entstandene und durch einige Generationen hindurch weiter vererbte Polydaktylie doch auch wieder verschwinden kann, denn da bei jeder neuen Reductionstheilung die Zahl der abnormen Ide steigt oder sinkt, so kann in letzterem Falle ihre Wirkung durch das Zusammen- treffen mit lauter normalen Iden bei der Amphimixis völlig herabgedrückt, und in der folgenden Generation auf immer elimi- nirt werden. Wie jede individuelle Variation können sie in einer Generation fehlen, in der folgenden wieder hervortreten, aber bei fortwährender Kreuzung mit normalen Menschen ist theoretisch zu erwarten, dass sie sich bald wieder vollständig verlieren. Damit stimmt denn auch die Erfahrung, welche überzählige Finger nie über fünf successive Generationen hinaus auftreten sah. Bekanntlich kann Variation nicht nur in einer Hinzufügung von Theilen, sondern auch in einem Wegfallen von solchen bestehen. Das Verkümmern von Theilen muss auf dem Schwund der betreffenden Determinanten im Keimplasma be- ruhen. In dem Capitel vom Rückschlag wurde schon zu zeigen versucht, dass auch regressive Umwandlungen nicht in allen Iden eines Keimplasma’s zugleich zu erfolgen brauchten, und dass sich aus dem Übrigbleiben einer im Laufe der Zeit immer kleineren Minorität solcher Determinanten der Rückschlag auf längst geschwundene Charaktere der Vorfahren verstehen lässt. Der Anlass zum Rückgang einer Determinante wird in schwächerer

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/589>, abgerufen am 23.04.2024.