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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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So entsteht allmälig in der Phylogenese der Lebensformen
eine immer mehr sich steigernde Complication derjenigen Sub-
stanz, welche die Wiederholung derselben Lebensform bedingt,
und erreicht schliesslich einen so hohen Grad, dass man sich
schwer entschliesst, an die Wirklichkeit einer so unendlichen
Verwickelung im Bau des Kleinsten zu glauben. Je tiefer man
aber in die Vererbungserscheinungen eindringt, um so mehr be-
festigt sich die Überzeugung, dass irgend etwas Derartiges wirklich
existirt, denn es ist unmöglich, die beobachteten Erscheinungen
auf ganz anderem Wege, d. h. durch viel einfachere Annahmen
zu erklären. Wir werden so von Neuem daran erinnert, dass
die Unendlichkeit nicht nur nach der Richtung des Grossen,
sondern eben so sehr nach der des Kleinen liegt, dass Grösse
nur ein relativer Begiff ist, und dass wir selbst mitten in der
nach beiden Seiten sich ausdehnenden Unendlichkeit stehen.



Druck von Th. Hofmann in Gera.

So entsteht allmälig in der Phylogenese der Lebensformen
eine immer mehr sich steigernde Complication derjenigen Sub-
stanz, welche die Wiederholung derselben Lebensform bedingt,
und erreicht schliesslich einen so hohen Grad, dass man sich
schwer entschliesst, an die Wirklichkeit einer so unendlichen
Verwickelung im Bau des Kleinsten zu glauben. Je tiefer man
aber in die Vererbungserscheinungen eindringt, um so mehr be-
festigt sich die Überzeugung, dass irgend etwas Derartiges wirklich
existirt, denn es ist unmöglich, die beobachteten Erscheinungen
auf ganz anderem Wege, d. h. durch viel einfachere Annahmen
zu erklären. Wir werden so von Neuem daran erinnert, dass
die Unendlichkeit nicht nur nach der Richtung des Grossen,
sondern eben so sehr nach der des Kleinen liegt, dass Grösse
nur ein relativer Begiff ist, und dass wir selbst mitten in der
nach beiden Seiten sich ausdehnenden Unendlichkeit stehen.



Druck von Th. Hofmann in Gera.

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[616/0640] So entsteht allmälig in der Phylogenese der Lebensformen eine immer mehr sich steigernde Complication derjenigen Sub- stanz, welche die Wiederholung derselben Lebensform bedingt, und erreicht schliesslich einen so hohen Grad, dass man sich schwer entschliesst, an die Wirklichkeit einer so unendlichen Verwickelung im Bau des Kleinsten zu glauben. Je tiefer man aber in die Vererbungserscheinungen eindringt, um so mehr be- festigt sich die Überzeugung, dass irgend etwas Derartiges wirklich existirt, denn es ist unmöglich, die beobachteten Erscheinungen auf ganz anderem Wege, d. h. durch viel einfachere Annahmen zu erklären. Wir werden so von Neuem daran erinnert, dass die Unendlichkeit nicht nur nach der Richtung des Grossen, sondern eben so sehr nach der des Kleinen liegt, dass Grösse nur ein relativer Begiff ist, und dass wir selbst mitten in der nach beiden Seiten sich ausdehnenden Unendlichkeit stehen. Druck von Th. Hofmann in Gera.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/640>, abgerufen am 25.04.2024.