Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Ernstes und Heiteres
Kamerad, entnehmen, wie wichtig ein solches Hauptbuch für
unser Leben ist und ich habe deshalb das unsere so practisch
eingerichtet."

"Sehnen Sie sich aber trotzdem nicht nach Amerika zurück,
das in der langen Zeit doch Ihr zweites Vaterland geworden?"
fragte Albert.

"Nein," lautete die Antwort, "es gefällt mir in Deutsch-
land doch besser und auch meine jetzige Stellung sagt mir zu.
Nur eins kränkt mich tief," fügte er mit einem Seufzer hinzu,
von dem man nicht wußte, ob er ernst oder komisch gemeint war.

"Und darf ich fragen, was das ist?" bemerkte sein Assi-
stent theilnehmend.

"Daß Herr von Bismarck-Schönhausen es bis zum Ge-
sandten gebracht hat, während derselbe in Göttingen beim Corps
der Hannoveraner doch nur mein Leibfuchs war. Wahrschein-
lich hat er stets ein Hauptbuch geführt," setzte er als Trost für
sich hinzu.

Albert blieb noch einige Monate unter Wollwebers Aegide
im Arsenal. Dann wurde er als Schiffszahlmeister geeignet
befunden, zuerst auf eine der kleineren Corvetten und dann
auf das Flaggschiff commandirt. Lust und natürliche Anlagen
entwickelten schnell bei ihm ein nicht gewöhnliches Verwaltungs-
talent, und wenn er später auch Einnahme und Ausgabe etwas
anders gruppirte als im Hauptbuche des Arsenals, gedachte er
doch stets dankbar seines welterfahrenen Vorgesetzten, aus dessen
Lehren er so manches profitirt hatte. An Bord unseres Schiffes
zeigte er sich als ein ebenso umsichtiger und practischer Beamter,
wie als liebenswürdiger und überall gern gesehener Kamerad.



Ernſtes und Heiteres
Kamerad, entnehmen, wie wichtig ein ſolches Hauptbuch für
unſer Leben iſt und ich habe deshalb das unſere ſo practiſch
eingerichtet.“

„Sehnen Sie ſich aber trotzdem nicht nach Amerika zurück,
das in der langen Zeit doch Ihr zweites Vaterland geworden?“
fragte Albert.

„Nein,“ lautete die Antwort, „es gefällt mir in Deutſch-
land doch beſſer und auch meine jetzige Stellung ſagt mir zu.
Nur eins kränkt mich tief,“ fügte er mit einem Seufzer hinzu,
von dem man nicht wußte, ob er ernſt oder komiſch gemeint war.

„Und darf ich fragen, was das iſt?“ bemerkte ſein Aſſi-
ſtent theilnehmend.

„Daß Herr von Bismarck-Schönhauſen es bis zum Ge-
ſandten gebracht hat, während derſelbe in Göttingen beim Corps
der Hannoveraner doch nur mein Leibfuchs war. Wahrſchein-
lich hat er ſtets ein Hauptbuch geführt,“ ſetzte er als Troſt für
ſich hinzu.

Albert blieb noch einige Monate unter Wollwebers Aegide
im Arſenal. Dann wurde er als Schiffszahlmeiſter geeignet
befunden, zuerſt auf eine der kleineren Corvetten und dann
auf das Flaggſchiff commandirt. Luſt und natürliche Anlagen
entwickelten ſchnell bei ihm ein nicht gewöhnliches Verwaltungs-
talent, und wenn er ſpäter auch Einnahme und Ausgabe etwas
anders gruppirte als im Hauptbuche des Arſenals, gedachte er
doch ſtets dankbar ſeines welterfahrenen Vorgeſetzten, aus deſſen
Lehren er ſo manches profitirt hatte. An Bord unſeres Schiffes
zeigte er ſich als ein ebenſo umſichtiger und practiſcher Beamter,
wie als liebenswürdiger und überall gern geſehener Kamerad.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="249"/><fw place="top" type="header">Ern&#x017F;tes und Heiteres</fw><lb/>
Kamerad, entnehmen, wie wichtig ein &#x017F;olches Hauptbuch für<lb/>
un&#x017F;er Leben i&#x017F;t und ich habe deshalb das un&#x017F;ere &#x017F;o practi&#x017F;ch<lb/>
eingerichtet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sehnen Sie &#x017F;ich aber trotzdem nicht nach Amerika zurück,<lb/>
das in der langen Zeit doch Ihr zweites Vaterland geworden?&#x201C;<lb/>
fragte Albert.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein,&#x201C; lautete die Antwort, &#x201E;es gefällt mir in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land doch be&#x017F;&#x017F;er und auch meine jetzige Stellung &#x017F;agt mir zu.<lb/>
Nur eins kränkt mich tief,&#x201C; fügte er mit einem Seufzer hinzu,<lb/>
von dem man nicht wußte, ob er ern&#x017F;t oder komi&#x017F;ch gemeint war.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und darf ich fragen, was das i&#x017F;t?&#x201C; bemerkte &#x017F;ein A&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;tent theilnehmend.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Daß Herr von Bismarck-Schönhau&#x017F;en es bis zum Ge-<lb/>
&#x017F;andten gebracht hat, während der&#x017F;elbe in Göttingen beim Corps<lb/>
der Hannoveraner doch nur mein Leibfuchs war. Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich hat er &#x017F;tets ein Hauptbuch geführt,&#x201C; &#x017F;etzte er als Tro&#x017F;t für<lb/>
&#x017F;ich hinzu.</p><lb/>
          <p>Albert blieb noch einige Monate unter Wollwebers Aegide<lb/>
im Ar&#x017F;enal. Dann wurde er als Schiffszahlmei&#x017F;ter geeignet<lb/>
befunden, zuer&#x017F;t auf eine der kleineren Corvetten und dann<lb/>
auf das Flagg&#x017F;chiff commandirt. Lu&#x017F;t und natürliche Anlagen<lb/>
entwickelten &#x017F;chnell bei ihm ein nicht gewöhnliches Verwaltungs-<lb/>
talent, und wenn er &#x017F;päter auch Einnahme und Ausgabe etwas<lb/>
anders gruppirte als im Hauptbuche des Ar&#x017F;enals, gedachte er<lb/>
doch &#x017F;tets dankbar &#x017F;eines welterfahrenen Vorge&#x017F;etzten, aus de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Lehren er &#x017F;o manches profitirt hatte. An Bord un&#x017F;eres Schiffes<lb/>
zeigte er &#x017F;ich als ein eben&#x017F;o um&#x017F;ichtiger und practi&#x017F;cher Beamter,<lb/>
wie als liebenswürdiger und überall gern ge&#x017F;ehener Kamerad.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0261] Ernſtes und Heiteres Kamerad, entnehmen, wie wichtig ein ſolches Hauptbuch für unſer Leben iſt und ich habe deshalb das unſere ſo practiſch eingerichtet.“ „Sehnen Sie ſich aber trotzdem nicht nach Amerika zurück, das in der langen Zeit doch Ihr zweites Vaterland geworden?“ fragte Albert. „Nein,“ lautete die Antwort, „es gefällt mir in Deutſch- land doch beſſer und auch meine jetzige Stellung ſagt mir zu. Nur eins kränkt mich tief,“ fügte er mit einem Seufzer hinzu, von dem man nicht wußte, ob er ernſt oder komiſch gemeint war. „Und darf ich fragen, was das iſt?“ bemerkte ſein Aſſi- ſtent theilnehmend. „Daß Herr von Bismarck-Schönhauſen es bis zum Ge- ſandten gebracht hat, während derſelbe in Göttingen beim Corps der Hannoveraner doch nur mein Leibfuchs war. Wahrſchein- lich hat er ſtets ein Hauptbuch geführt,“ ſetzte er als Troſt für ſich hinzu. Albert blieb noch einige Monate unter Wollwebers Aegide im Arſenal. Dann wurde er als Schiffszahlmeiſter geeignet befunden, zuerſt auf eine der kleineren Corvetten und dann auf das Flaggſchiff commandirt. Luſt und natürliche Anlagen entwickelten ſchnell bei ihm ein nicht gewöhnliches Verwaltungs- talent, und wenn er ſpäter auch Einnahme und Ausgabe etwas anders gruppirte als im Hauptbuche des Arſenals, gedachte er doch ſtets dankbar ſeines welterfahrenen Vorgeſetzten, aus deſſen Lehren er ſo manches profitirt hatte. An Bord unſeres Schiffes zeigte er ſich als ein ebenſo umſichtiger und practiſcher Beamter, wie als liebenswürdiger und überall gern geſehener Kamerad.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/261
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/261>, abgerufen am 29.03.2024.