Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach Westindien und dem Mittelmeer
größeren Kanonenboote, dem "Albatroß". Ersterer führte sechs-
zehn 21 Centimeter-Geschütze mit 500 Mann, die "Elisabeth"
war mit vierzehn 15 Centimeter-Geschützen bei 390 Mann Be-
satzung armirt und der "Albatroß" mit vier Kanonen, von
12 resp. 15 Centimeter Kaliber, bei einer Mannschaft von 95
Köpfen.

In Westindien, dem ersten Reiseziel, sollten sich diese
Schiffe mit den dort bereits seit längerer Zeit stationirenden
gedeckten Corvetten "Vineta" und "Gazelle" zum Zwecke ge-
meinschaftlicher Geschwaderübungen vereinigen und dann über
Brasilien und die La Plata Staaten um das Cap Horn gehen,
während die beiden Corvetten die Heimreise antraten. Der Be-
fehl über das Geschwader wurde mir übertragen.

Der "Friedrich Karl" war das erste deutsche Panzerschiff,
welches eine transatlantische Reise machte, und für seine Wahl
der Umstand maßgebend gewesen, daß es auch ohne Maschinen-
kraft unter Segel ziemlich gut manövrirte. Für ein nur auf
Dampf angewiesenes so großes Schiff wäre eine Reise um die
Erde eine zu kostspielige Sache gewesen, abgesehen davon, daß
es, wenn seiner Maschine etwas passirte, hülflos dalag.

Solche unter Segel manövrirende Panzerschiffe gab es
damals und giebt es auch jetzt nur sehr wenige. So groß-
artige Fortschritte die Schiffsbautechnik auch in neuerer Zeit ge-
macht, so schwierige Probleme sie in den letzten Jahrzehnten,
und zwar gerade bei Panzerschiffen, gelöst hat, ist es ihr bis
jetzt doch nicht gelungen, diesen Colossen auch nur annähernd
die Segelfähigkeit der früheren hölzernen Fregatten und Linien-
schiffe zu geben.

Wenn ein Panzer unter Segel manövrirt, so ist das
weniger das Verdienst des Baumeisters, als ein glücklicher Zu-
fall. Woran es liegt, daß die Wissenschaft in diesem Punkte
die gewiegtesten Constructeure in Stich läßt, ist noch nicht auf-
geklärt; wahrscheinlich ist die gegen früher veränderte Form

R. Werner, Erinnerungen. 20

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
größeren Kanonenboote, dem „Albatroß“. Erſterer führte ſechs-
zehn 21 Centimeter-Geſchütze mit 500 Mann, die „Eliſabeth“
war mit vierzehn 15 Centimeter-Geſchützen bei 390 Mann Be-
ſatzung armirt und der „Albatroß“ mit vier Kanonen, von
12 reſp. 15 Centimeter Kaliber, bei einer Mannſchaft von 95
Köpfen.

In Weſtindien, dem erſten Reiſeziel, ſollten ſich dieſe
Schiffe mit den dort bereits ſeit längerer Zeit ſtationirenden
gedeckten Corvetten „Vineta“ und „Gazelle“ zum Zwecke ge-
meinſchaftlicher Geſchwaderübungen vereinigen und dann über
Braſilien und die La Plata Staaten um das Cap Horn gehen,
während die beiden Corvetten die Heimreiſe antraten. Der Be-
fehl über das Geſchwader wurde mir übertragen.

Der „Friedrich Karl“ war das erſte deutſche Panzerſchiff,
welches eine transatlantiſche Reiſe machte, und für ſeine Wahl
der Umſtand maßgebend geweſen, daß es auch ohne Maſchinen-
kraft unter Segel ziemlich gut manövrirte. Für ein nur auf
Dampf angewieſenes ſo großes Schiff wäre eine Reiſe um die
Erde eine zu koſtſpielige Sache geweſen, abgeſehen davon, daß
es, wenn ſeiner Maſchine etwas paſſirte, hülflos dalag.

Solche unter Segel manövrirende Panzerſchiffe gab es
damals und giebt es auch jetzt nur ſehr wenige. So groß-
artige Fortſchritte die Schiffsbautechnik auch in neuerer Zeit ge-
macht, ſo ſchwierige Probleme ſie in den letzten Jahrzehnten,
und zwar gerade bei Panzerſchiffen, gelöſt hat, iſt es ihr bis
jetzt doch nicht gelungen, dieſen Coloſſen auch nur annähernd
die Segelfähigkeit der früheren hölzernen Fregatten und Linien-
ſchiffe zu geben.

Wenn ein Panzer unter Segel manövrirt, ſo iſt das
weniger das Verdienſt des Baumeiſters, als ein glücklicher Zu-
fall. Woran es liegt, daß die Wiſſenſchaft in dieſem Punkte
die gewiegteſten Conſtructeure in Stich läßt, iſt noch nicht auf-
geklärt; wahrſcheinlich iſt die gegen früher veränderte Form

R. Werner, Erinnerungen. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0317" n="305"/><fw place="top" type="header">Nach We&#x017F;tindien und dem Mittelmeer</fw><lb/>
größeren Kanonenboote, dem &#x201E;Albatroß&#x201C;. Er&#x017F;terer führte &#x017F;echs-<lb/>
zehn 21 Centimeter-Ge&#x017F;chütze mit 500 Mann, die &#x201E;Eli&#x017F;abeth&#x201C;<lb/>
war mit vierzehn 15 Centimeter-Ge&#x017F;chützen bei 390 Mann Be-<lb/>
&#x017F;atzung armirt und der &#x201E;Albatroß&#x201C; mit vier Kanonen, von<lb/>
12 re&#x017F;p. 15 Centimeter Kaliber, bei einer Mann&#x017F;chaft von 95<lb/>
Köpfen.</p><lb/>
        <p>In We&#x017F;tindien, dem er&#x017F;ten Rei&#x017F;eziel, &#x017F;ollten &#x017F;ich die&#x017F;e<lb/>
Schiffe mit den dort bereits &#x017F;eit längerer Zeit &#x017F;tationirenden<lb/>
gedeckten Corvetten &#x201E;Vineta&#x201C; und &#x201E;Gazelle&#x201C; zum Zwecke ge-<lb/>
mein&#x017F;chaftlicher Ge&#x017F;chwaderübungen vereinigen und dann über<lb/>
Bra&#x017F;ilien und die La Plata Staaten um das Cap Horn gehen,<lb/>
während die beiden Corvetten die Heimrei&#x017F;e antraten. Der Be-<lb/>
fehl über das Ge&#x017F;chwader wurde mir übertragen.</p><lb/>
        <p>Der &#x201E;Friedrich Karl&#x201C; war das er&#x017F;te deut&#x017F;che Panzer&#x017F;chiff,<lb/>
welches eine transatlanti&#x017F;che Rei&#x017F;e machte, und für &#x017F;eine Wahl<lb/>
der Um&#x017F;tand maßgebend gewe&#x017F;en, daß es auch ohne Ma&#x017F;chinen-<lb/>
kraft unter Segel ziemlich gut manövrirte. Für ein nur auf<lb/>
Dampf angewie&#x017F;enes &#x017F;o großes Schiff wäre eine Rei&#x017F;e um die<lb/>
Erde eine zu ko&#x017F;t&#x017F;pielige Sache gewe&#x017F;en, abge&#x017F;ehen davon, daß<lb/>
es, wenn &#x017F;einer Ma&#x017F;chine etwas pa&#x017F;&#x017F;irte, hülflos dalag.</p><lb/>
        <p>Solche unter Segel manövrirende Panzer&#x017F;chiffe gab es<lb/>
damals und giebt es auch jetzt nur &#x017F;ehr wenige. So groß-<lb/>
artige Fort&#x017F;chritte die Schiffsbautechnik auch in neuerer Zeit ge-<lb/>
macht, &#x017F;o &#x017F;chwierige Probleme &#x017F;ie in den letzten Jahrzehnten,<lb/>
und zwar gerade bei Panzer&#x017F;chiffen, gelö&#x017F;t hat, i&#x017F;t es ihr bis<lb/>
jetzt doch nicht gelungen, die&#x017F;en Colo&#x017F;&#x017F;en auch nur annähernd<lb/>
die Segelfähigkeit der früheren hölzernen Fregatten und Linien-<lb/>
&#x017F;chiffe zu geben.</p><lb/>
        <p>Wenn ein Panzer unter Segel manövrirt, &#x017F;o i&#x017F;t das<lb/>
weniger das Verdien&#x017F;t des Baumei&#x017F;ters, als ein glücklicher Zu-<lb/>
fall. Woran es liegt, daß die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft in die&#x017F;em Punkte<lb/>
die gewiegte&#x017F;ten Con&#x017F;tructeure in Stich läßt, i&#x017F;t noch nicht auf-<lb/>
geklärt; wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t die gegen früher veränderte Form<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R. <hi rendition="#g">Werner</hi>, Erinnerungen. 20</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0317] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer größeren Kanonenboote, dem „Albatroß“. Erſterer führte ſechs- zehn 21 Centimeter-Geſchütze mit 500 Mann, die „Eliſabeth“ war mit vierzehn 15 Centimeter-Geſchützen bei 390 Mann Be- ſatzung armirt und der „Albatroß“ mit vier Kanonen, von 12 reſp. 15 Centimeter Kaliber, bei einer Mannſchaft von 95 Köpfen. In Weſtindien, dem erſten Reiſeziel, ſollten ſich dieſe Schiffe mit den dort bereits ſeit längerer Zeit ſtationirenden gedeckten Corvetten „Vineta“ und „Gazelle“ zum Zwecke ge- meinſchaftlicher Geſchwaderübungen vereinigen und dann über Braſilien und die La Plata Staaten um das Cap Horn gehen, während die beiden Corvetten die Heimreiſe antraten. Der Be- fehl über das Geſchwader wurde mir übertragen. Der „Friedrich Karl“ war das erſte deutſche Panzerſchiff, welches eine transatlantiſche Reiſe machte, und für ſeine Wahl der Umſtand maßgebend geweſen, daß es auch ohne Maſchinen- kraft unter Segel ziemlich gut manövrirte. Für ein nur auf Dampf angewieſenes ſo großes Schiff wäre eine Reiſe um die Erde eine zu koſtſpielige Sache geweſen, abgeſehen davon, daß es, wenn ſeiner Maſchine etwas paſſirte, hülflos dalag. Solche unter Segel manövrirende Panzerſchiffe gab es damals und giebt es auch jetzt nur ſehr wenige. So groß- artige Fortſchritte die Schiffsbautechnik auch in neuerer Zeit ge- macht, ſo ſchwierige Probleme ſie in den letzten Jahrzehnten, und zwar gerade bei Panzerſchiffen, gelöſt hat, iſt es ihr bis jetzt doch nicht gelungen, dieſen Coloſſen auch nur annähernd die Segelfähigkeit der früheren hölzernen Fregatten und Linien- ſchiffe zu geben. Wenn ein Panzer unter Segel manövrirt, ſo iſt das weniger das Verdienſt des Baumeiſters, als ein glücklicher Zu- fall. Woran es liegt, daß die Wiſſenſchaft in dieſem Punkte die gewiegteſten Conſtructeure in Stich läßt, iſt noch nicht auf- geklärt; wahrſcheinlich iſt die gegen früher veränderte Form R. Werner, Erinnerungen. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/317
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/317>, abgerufen am 25.04.2024.