Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Eigennuz gepfropft: sollte die Frucht besser
seyn, als die Säfte, die ihr der Stamm zu-
führte? -- Jch mußte mich von Dir tren-
nen, oder voll Treue mit Dir verhungern.
Fromal verlangte schlechterdings, dir einen
so empfindlichen Abschied zu geben; was
konnte ich thun? -- Jch mußte mich zwin-
gen, ihm zu gehorchen, oder ihn verlieren:
der Wechsel war schrecklich: der Eigennuz
drängte auf mich los, ich ließ mich überre-
den, ich verübte die Gewaltthätigkeit an dir,
und wünschte sie, durch Reue ungeschehen
machen zu können. Belphegor, in Thränen
habe ich geschwommen, in den heißesten Thrä-
nen, wenn der Gedanke an meine Ungerech-
tigkeit in mich zurückkam. --

O wenn ich dir nur glauben dürfte! --

Du mußt, wenn du nicht die Wahrheit
verwerfen willst. -- Jch wandte mich von
dir zu dem Unglücklichen, der mit Fromaln
dich verdrängte, und den dieser Barbar sei-
ner Misgunst und Eifersucht aufopferte --

Unverschämte! wagst du auch die Ehre
meines Freundes zu beschmeißen, Jnsekt? --
Erdichtung! Geh! mein Freund --

F 4

Eigennuz gepfropft: ſollte die Frucht beſſer
ſeyn, als die Saͤfte, die ihr der Stamm zu-
fuͤhrte? — Jch mußte mich von Dir tren-
nen, oder voll Treue mit Dir verhungern.
Fromal verlangte ſchlechterdings, dir einen
ſo empfindlichen Abſchied zu geben; was
konnte ich thun? — Jch mußte mich zwin-
gen, ihm zu gehorchen, oder ihn verlieren:
der Wechſel war ſchrecklich: der Eigennuz
draͤngte auf mich los, ich ließ mich uͤberre-
den, ich veruͤbte die Gewaltthaͤtigkeit an dir,
und wuͤnſchte ſie, durch Reue ungeſchehen
machen zu koͤnnen. Belphegor, in Thraͤnen
habe ich geſchwommen, in den heißeſten Thraͤ-
nen, wenn der Gedanke an meine Ungerech-
tigkeit in mich zuruͤckkam. —

O wenn ich dir nur glauben duͤrfte! —

Du mußt, wenn du nicht die Wahrheit
verwerfen willſt. — Jch wandte mich von
dir zu dem Ungluͤcklichen, der mit Fromaln
dich verdraͤngte, und den dieſer Barbar ſei-
ner Misgunſt und Eiferſucht aufopferte —

Unverſchaͤmte! wagſt du auch die Ehre
meines Freundes zu beſchmeißen, Jnſekt? —
Erdichtung! Geh! mein Freund —

F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="87"/>
Eigennuz gepfropft: &#x017F;ollte die Frucht be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;eyn, als die Sa&#x0364;fte, die ihr der Stamm zu-<lb/>
fu&#x0364;hrte? &#x2014; Jch <hi rendition="#fr">mußte</hi> mich von Dir tren-<lb/>
nen, oder voll Treue mit Dir verhungern.<lb/>
Fromal verlangte &#x017F;chlechterdings, dir einen<lb/>
&#x017F;o empfindlichen Ab&#x017F;chied zu geben; was<lb/>
konnte ich thun? &#x2014; Jch mußte mich zwin-<lb/>
gen, ihm zu gehorchen, oder ihn verlieren:<lb/>
der Wech&#x017F;el war &#x017F;chrecklich: der Eigennuz<lb/>
dra&#x0364;ngte auf mich los, ich ließ mich u&#x0364;berre-<lb/>
den, ich veru&#x0364;bte die Gewalttha&#x0364;tigkeit an dir,<lb/>
und wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;ie, durch Reue unge&#x017F;chehen<lb/>
machen zu ko&#x0364;nnen. Belphegor, in Thra&#x0364;nen<lb/>
habe ich ge&#x017F;chwommen, in den heiße&#x017F;ten Thra&#x0364;-<lb/>
nen, wenn der Gedanke an meine Ungerech-<lb/>
tigkeit in mich zuru&#x0364;ckkam. &#x2014;</p><lb/>
        <p>O wenn ich dir nur glauben du&#x0364;rfte! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Du <hi rendition="#fr">mußt,</hi> wenn du nicht die Wahrheit<lb/>
verwerfen will&#x017F;t. &#x2014; Jch wandte mich von<lb/>
dir zu dem Unglu&#x0364;cklichen, der mit Fromaln<lb/>
dich verdra&#x0364;ngte, und den die&#x017F;er Barbar &#x017F;ei-<lb/>
ner Misgun&#x017F;t und Eifer&#x017F;ucht aufopferte &#x2014;</p><lb/>
        <p>Unver&#x017F;cha&#x0364;mte! wag&#x017F;t du auch die Ehre<lb/>
meines Freundes zu be&#x017F;chmeißen, Jn&#x017F;ekt? &#x2014;<lb/>
Erdichtung! Geh! mein Freund &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0107] Eigennuz gepfropft: ſollte die Frucht beſſer ſeyn, als die Saͤfte, die ihr der Stamm zu- fuͤhrte? — Jch mußte mich von Dir tren- nen, oder voll Treue mit Dir verhungern. Fromal verlangte ſchlechterdings, dir einen ſo empfindlichen Abſchied zu geben; was konnte ich thun? — Jch mußte mich zwin- gen, ihm zu gehorchen, oder ihn verlieren: der Wechſel war ſchrecklich: der Eigennuz draͤngte auf mich los, ich ließ mich uͤberre- den, ich veruͤbte die Gewaltthaͤtigkeit an dir, und wuͤnſchte ſie, durch Reue ungeſchehen machen zu koͤnnen. Belphegor, in Thraͤnen habe ich geſchwommen, in den heißeſten Thraͤ- nen, wenn der Gedanke an meine Ungerech- tigkeit in mich zuruͤckkam. — O wenn ich dir nur glauben duͤrfte! — Du mußt, wenn du nicht die Wahrheit verwerfen willſt. — Jch wandte mich von dir zu dem Ungluͤcklichen, der mit Fromaln dich verdraͤngte, und den dieſer Barbar ſei- ner Misgunſt und Eiferſucht aufopferte — Unverſchaͤmte! wagſt du auch die Ehre meines Freundes zu beſchmeißen, Jnſekt? — Erdichtung! Geh! mein Freund — F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/107
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/107>, abgerufen am 14.05.2024.