Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne weitläuftige Streitigkeiten nicht gesche-
hen konnte. Eine Dame ist für die Kämpfe
der Liebe, aber nicht für die Kämpfe der Ge-
rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem
Rechte bis zu einer beträchtlichen Schmäle-
rung meines Vermögens nach, um zur Ruhe
zu gelangen. Umsonst schmeichelte ich mir
mit dieser Hoffnung: seine Erben machten
auf einmal, schon einige Zeit nach dem Tode
meines Mannes, einen Prozeß wider mich an-
hängig, worinne sie mir die Vergiftung mei-
nes Mannes schuld gaben. So rein ich mein
Gewissen fühlte, so wenig fürchtete ich von
dem Ausgange etwas mehr als einen Verlust
meines Vermögens: doch die Sache bekam
die unglücklichste Wendung wider mich. Ad-
vokaten, Schreiber, Richter parlirten, schmier-
ten, referirten, dekretirten so lange, bis ich
für schuldig erkannt, und mir Vermögen, Le-
ben und Ehre abgesprochen wurden. Jch
Unglückliche! um dem traurigsten Schicksale
zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande
und ließ die Schande auf meinem Namen zu-
rück, die ich nicht selbst tragen wollte. Jch
wurde von einigen Kaufleuten, die meinem
Vater große Verbindlichkeiten schuldig waren,

ohne weitlaͤuftige Streitigkeiten nicht geſche-
hen konnte. Eine Dame iſt fuͤr die Kaͤmpfe
der Liebe, aber nicht fuͤr die Kaͤmpfe der Ge-
rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem
Rechte bis zu einer betraͤchtlichen Schmaͤle-
rung meines Vermoͤgens nach, um zur Ruhe
zu gelangen. Umſonſt ſchmeichelte ich mir
mit dieſer Hoffnung: ſeine Erben machten
auf einmal, ſchon einige Zeit nach dem Tode
meines Mannes, einen Prozeß wider mich an-
haͤngig, worinne ſie mir die Vergiftung mei-
nes Mannes ſchuld gaben. So rein ich mein
Gewiſſen fuͤhlte, ſo wenig fuͤrchtete ich von
dem Ausgange etwas mehr als einen Verluſt
meines Vermoͤgens: doch die Sache bekam
die ungluͤcklichſte Wendung wider mich. Ad-
vokaten, Schreiber, Richter parlirten, ſchmier-
ten, referirten, dekretirten ſo lange, bis ich
fuͤr ſchuldig erkannt, und mir Vermoͤgen, Le-
ben und Ehre abgeſprochen wurden. Jch
Ungluͤckliche! um dem traurigſten Schickſale
zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande
und ließ die Schande auf meinem Namen zu-
ruͤck, die ich nicht ſelbſt tragen wollte. Jch
wurde von einigen Kaufleuten, die meinem
Vater große Verbindlichkeiten ſchuldig waren,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="130"/>
ohne weitla&#x0364;uftige Streitigkeiten nicht ge&#x017F;che-<lb/>
hen konnte. Eine Dame i&#x017F;t fu&#x0364;r die Ka&#x0364;mpfe<lb/>
der Liebe, aber nicht fu&#x0364;r die Ka&#x0364;mpfe der Ge-<lb/>
rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem<lb/>
Rechte bis zu einer betra&#x0364;chtlichen Schma&#x0364;le-<lb/>
rung meines Vermo&#x0364;gens nach, um zur Ruhe<lb/>
zu gelangen. Um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chmeichelte ich mir<lb/>
mit die&#x017F;er Hoffnung: &#x017F;eine Erben machten<lb/>
auf einmal, &#x017F;chon einige Zeit nach dem Tode<lb/>
meines Mannes, einen Prozeß wider mich an-<lb/>
ha&#x0364;ngig, worinne &#x017F;ie <hi rendition="#fr">mir</hi> die Vergiftung mei-<lb/>
nes Mannes &#x017F;chuld gaben. So rein ich mein<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;hlte, &#x017F;o wenig fu&#x0364;rchtete ich von<lb/>
dem Ausgange etwas mehr als einen Verlu&#x017F;t<lb/>
meines Vermo&#x0364;gens: doch die Sache bekam<lb/>
die unglu&#x0364;cklich&#x017F;te Wendung wider mich. Ad-<lb/>
vokaten, Schreiber, Richter parlirten, &#x017F;chmier-<lb/>
ten, referirten, dekretirten &#x017F;o lange, bis ich<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;chuldig erkannt, und mir Vermo&#x0364;gen, Le-<lb/>
ben und Ehre abge&#x017F;prochen wurden. Jch<lb/>
Unglu&#x0364;ckliche! um dem traurig&#x017F;ten Schick&#x017F;ale<lb/>
zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande<lb/>
und ließ die Schande auf meinem Namen zu-<lb/>
ru&#x0364;ck, die ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t tragen wollte. Jch<lb/>
wurde von einigen Kaufleuten, die meinem<lb/>
Vater große Verbindlichkeiten &#x017F;chuldig waren,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0150] ohne weitlaͤuftige Streitigkeiten nicht geſche- hen konnte. Eine Dame iſt fuͤr die Kaͤmpfe der Liebe, aber nicht fuͤr die Kaͤmpfe der Ge- rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem Rechte bis zu einer betraͤchtlichen Schmaͤle- rung meines Vermoͤgens nach, um zur Ruhe zu gelangen. Umſonſt ſchmeichelte ich mir mit dieſer Hoffnung: ſeine Erben machten auf einmal, ſchon einige Zeit nach dem Tode meines Mannes, einen Prozeß wider mich an- haͤngig, worinne ſie mir die Vergiftung mei- nes Mannes ſchuld gaben. So rein ich mein Gewiſſen fuͤhlte, ſo wenig fuͤrchtete ich von dem Ausgange etwas mehr als einen Verluſt meines Vermoͤgens: doch die Sache bekam die ungluͤcklichſte Wendung wider mich. Ad- vokaten, Schreiber, Richter parlirten, ſchmier- ten, referirten, dekretirten ſo lange, bis ich fuͤr ſchuldig erkannt, und mir Vermoͤgen, Le- ben und Ehre abgeſprochen wurden. Jch Ungluͤckliche! um dem traurigſten Schickſale zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande und ließ die Schande auf meinem Namen zu- ruͤck, die ich nicht ſelbſt tragen wollte. Jch wurde von einigen Kaufleuten, die meinem Vater große Verbindlichkeiten ſchuldig waren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/150
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/150>, abgerufen am 14.05.2024.