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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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jede tüchtige Leistung imponirte und der keine Ahnung davon hatte, was in diesem Kopfe umging, behandelte ihn mit aller Freundlichkeit, aber nun war's dem Littauer erst recht gewiß, daß er geheime Absichten habe. Was Ansas nämlich geheime Absichten nannte; denn übrigens sprach der Herr sich offen und deutlich genug aus. Lerne fleißig, mein Junge, rief er ihm oft zu, du wirst's einmal brauchen können. Dein Vater sorgt dafür, daß dir nichts übrig bleibt, als seine Schulden. Pfui! Ist das eine lustige Wirthschaft nebenan! Da ist alle Tage Sonntag, und die Feiertage sind noch obenein. Nur zu -- nur zu! -- Es kann wohl auch einmal anders werden, knurrte der Knecht. -- Wird aber schwerlich, meinte Herr Geelhaar und warf den Kopf auf; bei euch Littauern sieht's heute noch gerade so aus, wie vor hundert Jahren, und nach wieder hundert Jahren -- pah! da wird man sich diesseits der Grenze erzählen, daß mal so ein wunderliches Volk hier in der Gegend herum gehaus't hat. Eure Schuld, Kinder, eure Schuld! Wir nehmen euch nichts weg, ihr bringt's uns entgegen. Was nicht leben kann, muß sterben -- basta! Das ist meine Meinung. -- Ansas fühlte, daß er Recht behalten könnte, aber er hätte bei solcher Gelegenheit den Spaten oder den Dreschflegel aufheben und ihm über den Kopf schlagen mögen. Einmal, als sie nicht weit von einem zum Wanags'schen Grundstück gehörigen Ackerstück arbeiteten, das nun schon mitten im

jede tüchtige Leistung imponirte und der keine Ahnung davon hatte, was in diesem Kopfe umging, behandelte ihn mit aller Freundlichkeit, aber nun war's dem Littauer erst recht gewiß, daß er geheime Absichten habe. Was Ansas nämlich geheime Absichten nannte; denn übrigens sprach der Herr sich offen und deutlich genug aus. Lerne fleißig, mein Junge, rief er ihm oft zu, du wirst's einmal brauchen können. Dein Vater sorgt dafür, daß dir nichts übrig bleibt, als seine Schulden. Pfui! Ist das eine lustige Wirthschaft nebenan! Da ist alle Tage Sonntag, und die Feiertage sind noch obenein. Nur zu — nur zu! — Es kann wohl auch einmal anders werden, knurrte der Knecht. — Wird aber schwerlich, meinte Herr Geelhaar und warf den Kopf auf; bei euch Littauern sieht's heute noch gerade so aus, wie vor hundert Jahren, und nach wieder hundert Jahren — pah! da wird man sich diesseits der Grenze erzählen, daß mal so ein wunderliches Volk hier in der Gegend herum gehaus't hat. Eure Schuld, Kinder, eure Schuld! Wir nehmen euch nichts weg, ihr bringt's uns entgegen. Was nicht leben kann, muß sterben — basta! Das ist meine Meinung. — Ansas fühlte, daß er Recht behalten könnte, aber er hätte bei solcher Gelegenheit den Spaten oder den Dreschflegel aufheben und ihm über den Kopf schlagen mögen. Einmal, als sie nicht weit von einem zum Wanags'schen Grundstück gehörigen Ackerstück arbeiteten, das nun schon mitten im

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[0016] jede tüchtige Leistung imponirte und der keine Ahnung davon hatte, was in diesem Kopfe umging, behandelte ihn mit aller Freundlichkeit, aber nun war's dem Littauer erst recht gewiß, daß er geheime Absichten habe. Was Ansas nämlich geheime Absichten nannte; denn übrigens sprach der Herr sich offen und deutlich genug aus. Lerne fleißig, mein Junge, rief er ihm oft zu, du wirst's einmal brauchen können. Dein Vater sorgt dafür, daß dir nichts übrig bleibt, als seine Schulden. Pfui! Ist das eine lustige Wirthschaft nebenan! Da ist alle Tage Sonntag, und die Feiertage sind noch obenein. Nur zu — nur zu! — Es kann wohl auch einmal anders werden, knurrte der Knecht. — Wird aber schwerlich, meinte Herr Geelhaar und warf den Kopf auf; bei euch Littauern sieht's heute noch gerade so aus, wie vor hundert Jahren, und nach wieder hundert Jahren — pah! da wird man sich diesseits der Grenze erzählen, daß mal so ein wunderliches Volk hier in der Gegend herum gehaus't hat. Eure Schuld, Kinder, eure Schuld! Wir nehmen euch nichts weg, ihr bringt's uns entgegen. Was nicht leben kann, muß sterben — basta! Das ist meine Meinung. — Ansas fühlte, daß er Recht behalten könnte, aber er hätte bei solcher Gelegenheit den Spaten oder den Dreschflegel aufheben und ihm über den Kopf schlagen mögen. Einmal, als sie nicht weit von einem zum Wanags'schen Grundstück gehörigen Ackerstück arbeiteten, das nun schon mitten im

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/16>, abgerufen am 28.03.2024.