Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und dem im Winde flatternden Kopftuche noch schmucker erschien, als gestern, wurde ihm bewußt. Sie trug in der einen Hand das Gesangbuch und in der andern ihre Strümpfe und Schuhe, ging hastig vorüber und schien erst auf ihn zu merken, als er ihr nachrief.

Den Blumenstrauß nahm sie freundlich, wennschon ohne besonderen Dank an und schob ihn zwischen die Haken des Mieders. Dann sprachen sie über gleichgültige Dinge, aber der Weg bis zum Marktflecken verkürzte sich ihnen dadurch doch aufs Angenehmste. Hinter dem Pfarrhause standen ganze Schaaren von Landfrauen und Mädchen, damit beschäftigt, ihre Toilette zu vervollständigen. Hier verließ Grita ihren Begleiter, um ebenfalls Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Er ging voran in die Kirche, ohne im Kruge anzusprechen, trat in einen der großen Stände neben dem Altargange, zog vorsorglich sein weißes Beinkleid bis über die Kniee auf, um es sauber zu erhalten, und verrichtete knieend sein Gebet.

Auf dem Rückwege traf er wieder mit Grita zusammen, ganz zufällig natürlich. Er bat sie, ihn in den Krug zu begleiten, aber sie lehnte es lachend ab. Was sollen die Leute denken! sagte sie. -- Was sie wollen, meinte er, aber sie ging vorbei, und er blieb nun an ihrer Seite.

Abends spazierten die jungen Mädchen Arm in Arm unten am Fluß auf und ab und sangen ihre Lieder. Es fanden sich auch junge Bursche ein, die mit ihnen

und dem im Winde flatternden Kopftuche noch schmucker erschien, als gestern, wurde ihm bewußt. Sie trug in der einen Hand das Gesangbuch und in der andern ihre Strümpfe und Schuhe, ging hastig vorüber und schien erst auf ihn zu merken, als er ihr nachrief.

Den Blumenstrauß nahm sie freundlich, wennschon ohne besonderen Dank an und schob ihn zwischen die Haken des Mieders. Dann sprachen sie über gleichgültige Dinge, aber der Weg bis zum Marktflecken verkürzte sich ihnen dadurch doch aufs Angenehmste. Hinter dem Pfarrhause standen ganze Schaaren von Landfrauen und Mädchen, damit beschäftigt, ihre Toilette zu vervollständigen. Hier verließ Grita ihren Begleiter, um ebenfalls Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Er ging voran in die Kirche, ohne im Kruge anzusprechen, trat in einen der großen Stände neben dem Altargange, zog vorsorglich sein weißes Beinkleid bis über die Kniee auf, um es sauber zu erhalten, und verrichtete knieend sein Gebet.

Auf dem Rückwege traf er wieder mit Grita zusammen, ganz zufällig natürlich. Er bat sie, ihn in den Krug zu begleiten, aber sie lehnte es lachend ab. Was sollen die Leute denken! sagte sie. — Was sie wollen, meinte er, aber sie ging vorbei, und er blieb nun an ihrer Seite.

Abends spazierten die jungen Mädchen Arm in Arm unten am Fluß auf und ab und sangen ihre Lieder. Es fanden sich auch junge Bursche ein, die mit ihnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041"/>
und dem im Winde                     flatternden Kopftuche noch schmucker erschien, als gestern, wurde ihm bewußt.                     Sie trug in der einen Hand das Gesangbuch und in der andern ihre Strümpfe und                     Schuhe, ging hastig vorüber und schien erst auf ihn zu merken, als er ihr                     nachrief.</p><lb/>
        <p>Den Blumenstrauß nahm sie freundlich, wennschon ohne besonderen Dank an und schob                     ihn zwischen die Haken des Mieders. Dann sprachen sie über gleichgültige Dinge,                     aber der Weg bis zum Marktflecken verkürzte sich ihnen dadurch doch aufs                     Angenehmste. Hinter dem Pfarrhause standen ganze Schaaren von Landfrauen und                     Mädchen, damit beschäftigt, ihre Toilette zu vervollständigen. Hier verließ                     Grita ihren Begleiter, um ebenfalls Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Er ging                     voran in die Kirche, ohne im Kruge anzusprechen, trat in einen der großen Stände                     neben dem Altargange, zog vorsorglich sein weißes Beinkleid bis über die Kniee                     auf, um es sauber zu erhalten, und verrichtete knieend sein Gebet.</p><lb/>
        <p>Auf dem Rückwege traf er wieder mit Grita zusammen, ganz zufällig natürlich. Er                     bat sie, ihn in den Krug zu begleiten, aber sie lehnte es lachend ab. Was sollen                     die Leute denken! sagte sie. &#x2014; Was sie wollen, meinte er, aber sie ging vorbei,                     und er blieb nun an ihrer Seite.</p><lb/>
        <p>Abends spazierten die jungen Mädchen Arm in Arm unten am Fluß auf und ab und                     sangen ihre Lieder. Es fanden sich auch junge Bursche ein, die mit ihnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] und dem im Winde flatternden Kopftuche noch schmucker erschien, als gestern, wurde ihm bewußt. Sie trug in der einen Hand das Gesangbuch und in der andern ihre Strümpfe und Schuhe, ging hastig vorüber und schien erst auf ihn zu merken, als er ihr nachrief. Den Blumenstrauß nahm sie freundlich, wennschon ohne besonderen Dank an und schob ihn zwischen die Haken des Mieders. Dann sprachen sie über gleichgültige Dinge, aber der Weg bis zum Marktflecken verkürzte sich ihnen dadurch doch aufs Angenehmste. Hinter dem Pfarrhause standen ganze Schaaren von Landfrauen und Mädchen, damit beschäftigt, ihre Toilette zu vervollständigen. Hier verließ Grita ihren Begleiter, um ebenfalls Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Er ging voran in die Kirche, ohne im Kruge anzusprechen, trat in einen der großen Stände neben dem Altargange, zog vorsorglich sein weißes Beinkleid bis über die Kniee auf, um es sauber zu erhalten, und verrichtete knieend sein Gebet. Auf dem Rückwege traf er wieder mit Grita zusammen, ganz zufällig natürlich. Er bat sie, ihn in den Krug zu begleiten, aber sie lehnte es lachend ab. Was sollen die Leute denken! sagte sie. — Was sie wollen, meinte er, aber sie ging vorbei, und er blieb nun an ihrer Seite. Abends spazierten die jungen Mädchen Arm in Arm unten am Fluß auf und ab und sangen ihre Lieder. Es fanden sich auch junge Bursche ein, die mit ihnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/41
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/41>, abgerufen am 29.03.2024.