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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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diesmal nicht strenge zu sein. Aber die Alte antwortete ihr knurrig: Er hat mir nicht das Wasser aus seinem Brunnen gegönnt; nun wird es seinen Durst nicht mehr lange löschen. Ich werde erst meines Lebens froh werden, wenn sie ihn austreiben. Geh doch zum Gutsherrn, Engelchen, und bitt ihn um Aufschub. Er ist ja ein reicher Mann und sieht hübsche Mädchen gern. Mich aber laß in Ruhe. -- Seitdem hatte Grita einen rechten Haß gegen das Weib und begriff nun, was Ansas meinte, wenn er sie sein Unglück nannte.

Ansas selbst behauptete, es sei Alles von Anfang an mit unrechten Dingen zugegangen. Geelhaar, der deutsche Hund, sei ihm immer auf den Fersen gewesen ihm sein väterliches Erbe abzujagen; seine Freundlichkeit sei nichts als Verstellung, und daß er ihm in der Noth Geld gegeben, erweise sich nun als die schlimmste List, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Ihm gelinge Alles, da er mit dem Teufel im Bunde sei und ihm seine Seele für zeitlich Gut verkauft habe; deßhalb sehe ihn auch kein Mensch in der Kirche. Der böseste Feind bleibe aber doch die Urte, und wer die Hexe todtschlagen wollte, würde sich einen Gotteslohn erwerben. Grita fand alle diese Reden ganz in der Ordnung. Es stand ja klar vor Augen, daß Geelhaar den größten Theil der Dorfschaft eingezogen hatte und nach dem Rest die Hand ausstreckte, und die Altsitzerin -- gegen die hatte sie schon so tiefen Groll, daß das

diesmal nicht strenge zu sein. Aber die Alte antwortete ihr knurrig: Er hat mir nicht das Wasser aus seinem Brunnen gegönnt; nun wird es seinen Durst nicht mehr lange löschen. Ich werde erst meines Lebens froh werden, wenn sie ihn austreiben. Geh doch zum Gutsherrn, Engelchen, und bitt ihn um Aufschub. Er ist ja ein reicher Mann und sieht hübsche Mädchen gern. Mich aber laß in Ruhe. — Seitdem hatte Grita einen rechten Haß gegen das Weib und begriff nun, was Ansas meinte, wenn er sie sein Unglück nannte.

Ansas selbst behauptete, es sei Alles von Anfang an mit unrechten Dingen zugegangen. Geelhaar, der deutsche Hund, sei ihm immer auf den Fersen gewesen ihm sein väterliches Erbe abzujagen; seine Freundlichkeit sei nichts als Verstellung, und daß er ihm in der Noth Geld gegeben, erweise sich nun als die schlimmste List, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Ihm gelinge Alles, da er mit dem Teufel im Bunde sei und ihm seine Seele für zeitlich Gut verkauft habe; deßhalb sehe ihn auch kein Mensch in der Kirche. Der böseste Feind bleibe aber doch die Urte, und wer die Hexe todtschlagen wollte, würde sich einen Gotteslohn erwerben. Grita fand alle diese Reden ganz in der Ordnung. Es stand ja klar vor Augen, daß Geelhaar den größten Theil der Dorfschaft eingezogen hatte und nach dem Rest die Hand ausstreckte, und die Altsitzerin — gegen die hatte sie schon so tiefen Groll, daß das

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/49>, abgerufen am 28.03.2024.