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Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Und gar Viele hätten das Karfunkelhaus geschaut. -- Ich lache auch und wandere gutes Muths immer höher, bis wo das Jlgenfeld an die Teufelsmühle stößt. Wie ich aber aus dem Wald herauskomme ins Gestein, so glitzert's und glimmt es vor mir in einem großen goldenen Bogen; es sieht aus, wie eine Hütte von Karfunkel. Mir stockt der Athem; und da sich auch noch mitten im Licht ein dunkler Mann aufrichtet, meine ich, es sei mein Letztes. Langsam und immer langsamer gehe ich darauf zu; da schreit's: Wer kommt?! -- Gut Freund, sagte ich; denn jetzt sehe ich die Köhlerhütte, und was so funkelt, ist nur der Kohlenhaufen, und es war das erstemal, daß ich einen sah. -- Das freilich war eine rechte Irrung; aber es giebt auch ernsthafte Dinge; so gehe ich mein Lebtag nicht wieder über den Kreuzweg vor dem oberen Grenzthal. So oft und viel ich darüber weg bin, jedesmal ist mir am selben Tag ein Unglück passirt, und es geht allen Leuten so. Es sollen sich dort zwei Brüder um ein Mädchen ermordet haben.

Hoho! ich komme eben darüber mit meinem Schlingel da, unterbrach ihn der Dürrauer Schütz; mir ist nichts passirt, und jetzt in der Stube geht auch kein Rad mehr über mich und ihn. Er deutete auf den Bauern, der zwischen den beiden Jägern saß, mit dem Rücken gegen das Fenster. Otto hatte ihn seither nicht betrachtet, sah nun aber, daß es ein gefangener Wilderer sein mußte.

Und gar Viele hätten das Karfunkelhaus geschaut. — Ich lache auch und wandere gutes Muths immer höher, bis wo das Jlgenfeld an die Teufelsmühle stößt. Wie ich aber aus dem Wald herauskomme ins Gestein, so glitzert's und glimmt es vor mir in einem großen goldenen Bogen; es sieht aus, wie eine Hütte von Karfunkel. Mir stockt der Athem; und da sich auch noch mitten im Licht ein dunkler Mann aufrichtet, meine ich, es sei mein Letztes. Langsam und immer langsamer gehe ich darauf zu; da schreit's: Wer kommt?! — Gut Freund, sagte ich; denn jetzt sehe ich die Köhlerhütte, und was so funkelt, ist nur der Kohlenhaufen, und es war das erstemal, daß ich einen sah. — Das freilich war eine rechte Irrung; aber es giebt auch ernsthafte Dinge; so gehe ich mein Lebtag nicht wieder über den Kreuzweg vor dem oberen Grenzthal. So oft und viel ich darüber weg bin, jedesmal ist mir am selben Tag ein Unglück passirt, und es geht allen Leuten so. Es sollen sich dort zwei Brüder um ein Mädchen ermordet haben.

Hoho! ich komme eben darüber mit meinem Schlingel da, unterbrach ihn der Dürrauer Schütz; mir ist nichts passirt, und jetzt in der Stube geht auch kein Rad mehr über mich und ihn. Er deutete auf den Bauern, der zwischen den beiden Jägern saß, mit dem Rücken gegen das Fenster. Otto hatte ihn seither nicht betrachtet, sah nun aber, daß es ein gefangener Wilderer sein mußte.

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[0055] Und gar Viele hätten das Karfunkelhaus geschaut. — Ich lache auch und wandere gutes Muths immer höher, bis wo das Jlgenfeld an die Teufelsmühle stößt. Wie ich aber aus dem Wald herauskomme ins Gestein, so glitzert's und glimmt es vor mir in einem großen goldenen Bogen; es sieht aus, wie eine Hütte von Karfunkel. Mir stockt der Athem; und da sich auch noch mitten im Licht ein dunkler Mann aufrichtet, meine ich, es sei mein Letztes. Langsam und immer langsamer gehe ich darauf zu; da schreit's: Wer kommt?! — Gut Freund, sagte ich; denn jetzt sehe ich die Köhlerhütte, und was so funkelt, ist nur der Kohlenhaufen, und es war das erstemal, daß ich einen sah. — Das freilich war eine rechte Irrung; aber es giebt auch ernsthafte Dinge; so gehe ich mein Lebtag nicht wieder über den Kreuzweg vor dem oberen Grenzthal. So oft und viel ich darüber weg bin, jedesmal ist mir am selben Tag ein Unglück passirt, und es geht allen Leuten so. Es sollen sich dort zwei Brüder um ein Mädchen ermordet haben. Hoho! ich komme eben darüber mit meinem Schlingel da, unterbrach ihn der Dürrauer Schütz; mir ist nichts passirt, und jetzt in der Stube geht auch kein Rad mehr über mich und ihn. Er deutete auf den Bauern, der zwischen den beiden Jägern saß, mit dem Rücken gegen das Fenster. Otto hatte ihn seither nicht betrachtet, sah nun aber, daß es ein gefangener Wilderer sein mußte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:16:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:16:28Z)

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Zitationshilfe: Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/55>, abgerufen am 25.04.2024.