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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
Venus ihn vergeblich bereden will, sich in seine vorige
Freyheit sezen zu lassen. Die Spiele, die Scherze und
die Freuden, (wenn es uns erlaubt ist, die Sprache
Homers zu gebrauchen, wo die gewöhnliche zu matt
scheint), schlossen mit den lächelnden Stunden einen
unauflößlichen Reyhentanz um sie her, und Schwehr-
muth, Ueberdruß, und Langeweile waren mit allen
andern Feinden der Ruhe und des Vergnügens aus
diesem Wohnplaz der Freude verbannt.

Wir haben, däucht uns, schon mehr als genug
gesagt, um unsre Leser in keine mittelmäßige Sorge
für die Tugend unsers Helden zu sezen. Jn der That
hatte er sich noch niemals in Umständen befunden,
wo wir weniger hoffen dürfen, daß sie sich werde erhal-
ten können; die Gefahr worinn sie bey der üppigen Pythia,
unter den rasenden Bachantinnen und in dem Hause des
weisen Hippias, welches dem Stalle der Circe so ähn-
lich sah, geschwebet hatte, verdient nur nicht neben
derjenigen genannt zu werden, welcher wir ihn bald
ausgesezt sehen werden, und deren wir ihn gerne über-
hoben hätten, wenn uns die Pflichten eines Geschich-
schreibers erlaubten, unsrer freundschaftlichen Parthey-
lichkeit für ihn, auf Unkosten der Wahrheit nach-
zugeben.

Viertes

Agathon.
Venus ihn vergeblich bereden will, ſich in ſeine vorige
Freyheit ſezen zu laſſen. Die Spiele, die Scherze und
die Freuden, (wenn es uns erlaubt iſt, die Sprache
Homers zu gebrauchen, wo die gewoͤhnliche zu matt
ſcheint), ſchloſſen mit den laͤchelnden Stunden einen
unaufloͤßlichen Reyhentanz um ſie her, und Schwehr-
muth, Ueberdruß, und Langeweile waren mit allen
andern Feinden der Ruhe und des Vergnuͤgens aus
dieſem Wohnplaz der Freude verbannt.

Wir haben, daͤucht uns, ſchon mehr als genug
geſagt, um unſre Leſer in keine mittelmaͤßige Sorge
fuͤr die Tugend unſers Helden zu ſezen. Jn der That
hatte er ſich noch niemals in Umſtaͤnden befunden,
wo wir weniger hoffen duͤrfen, daß ſie ſich werde erhal-
ten koͤnnen; die Gefahr worinn ſie bey der uͤppigen Pythia,
unter den raſenden Bachantinnen und in dem Hauſe des
weiſen Hippias, welches dem Stalle der Circe ſo aͤhn-
lich ſah, geſchwebet hatte, verdient nur nicht neben
derjenigen genannt zu werden, welcher wir ihn bald
ausgeſezt ſehen werden, und deren wir ihn gerne uͤber-
hoben haͤtten, wenn uns die Pflichten eines Geſchich-
ſchreibers erlaubten, unſrer freundſchaftlichen Parthey-
lichkeit fuͤr ihn, auf Unkoſten der Wahrheit nach-
zugeben.

Viertes
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[150/0172] Agathon. Venus ihn vergeblich bereden will, ſich in ſeine vorige Freyheit ſezen zu laſſen. Die Spiele, die Scherze und die Freuden, (wenn es uns erlaubt iſt, die Sprache Homers zu gebrauchen, wo die gewoͤhnliche zu matt ſcheint), ſchloſſen mit den laͤchelnden Stunden einen unaufloͤßlichen Reyhentanz um ſie her, und Schwehr- muth, Ueberdruß, und Langeweile waren mit allen andern Feinden der Ruhe und des Vergnuͤgens aus dieſem Wohnplaz der Freude verbannt. Wir haben, daͤucht uns, ſchon mehr als genug geſagt, um unſre Leſer in keine mittelmaͤßige Sorge fuͤr die Tugend unſers Helden zu ſezen. Jn der That hatte er ſich noch niemals in Umſtaͤnden befunden, wo wir weniger hoffen duͤrfen, daß ſie ſich werde erhal- ten koͤnnen; die Gefahr worinn ſie bey der uͤppigen Pythia, unter den raſenden Bachantinnen und in dem Hauſe des weiſen Hippias, welches dem Stalle der Circe ſo aͤhn- lich ſah, geſchwebet hatte, verdient nur nicht neben derjenigen genannt zu werden, welcher wir ihn bald ausgeſezt ſehen werden, und deren wir ihn gerne uͤber- hoben haͤtten, wenn uns die Pflichten eines Geſchich- ſchreibers erlaubten, unſrer freundſchaftlichen Parthey- lichkeit fuͤr ihn, auf Unkoſten der Wahrheit nach- zugeben. Viertes

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/172>, abgerufen am 28.03.2024.