Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Agathon.
dieses Vorhaben durch den Geschmak, den sie an ihm
fand; und der tägliche Umgang, die Vorzüge Agathons,
und, was in den meister Fällen die Niderlage der weib-
lichen Tugend wo nicht allein verursacht, doch sehr be-
fördert, die anstekende Kraft, das Sympathetische der
verliebten Begeisterung, welcher der göttliche Plato
mit Recht die wunderthätigsten Kräfte zuschreibt; alles
dieses zusammen genommen, verwandelte zulezt diesen
Geschmak in Liebe, aber in die wahreste, zärtlichste und
heftigste, welche jemals gewesen ist. Unserm Helden
allein war die Ehre aufbehalten (wenn es eine war)
ihr eine Art von Liebe einzuflössen, worinn sie, unge-
achtet alles dessen, was uns von ihrer Geschichte schon
entdekt worden ist, noch so sehr ein Neuling war, als
es eine Vestalin in jeder Art von Liebe seyn soll. Kurz,
er, und er allein, war darzu gemacht, den Wider-
willen zu überwinden, den ihr die gemeinen Liebhaber,
die schönen Hyacinthe, diese tändelnden Geken, an de-
nen (um uns ihres eigenen Ausdruks zu bedienen) die
Hälfte ihrer Reizungen verlohren gieng; gegen alles
was die Mine der Liebe trug, einzuflössen angefangen
hatten.

Die meisten von derjenigen Classe der Naturkündi-
ger, welche mit dem Herrn von Büffon davorhalten,
daß das Physikalische der Liebe das beste davon sey, wer-
den ohne Bedenken eingestehen, daß der Besiz, oder (um
unsern Ausdruk genauer nach ihren Jdeen zu bestim-
men) der Genuß einer so schönen Frau als Danae

war,

Agathon.
dieſes Vorhaben durch den Geſchmak, den ſie an ihm
fand; und der taͤgliche Umgang, die Vorzuͤge Agathons,
und, was in den meiſter Faͤllen die Niderlage der weib-
lichen Tugend wo nicht allein verurſacht, doch ſehr be-
foͤrdert, die anſtekende Kraft, das Sympathetiſche der
verliebten Begeiſterung, welcher der goͤttliche Plato
mit Recht die wunderthaͤtigſten Kraͤfte zuſchreibt; alles
dieſes zuſammen genommen, verwandelte zulezt dieſen
Geſchmak in Liebe, aber in die wahreſte, zaͤrtlichſte und
heftigſte, welche jemals geweſen iſt. Unſerm Helden
allein war die Ehre aufbehalten (wenn es eine war)
ihr eine Art von Liebe einzufloͤſſen, worinn ſie, unge-
achtet alles deſſen, was uns von ihrer Geſchichte ſchon
entdekt worden iſt, noch ſo ſehr ein Neuling war, als
es eine Veſtalin in jeder Art von Liebe ſeyn ſoll. Kurz,
er, und er allein, war darzu gemacht, den Wider-
willen zu uͤberwinden, den ihr die gemeinen Liebhaber,
die ſchoͤnen Hyacinthe, dieſe taͤndelnden Geken, an de-
nen (um uns ihres eigenen Ausdruks zu bedienen) die
Haͤlfte ihrer Reizungen verlohren gieng; gegen alles
was die Mine der Liebe trug, einzufloͤſſen angefangen
hatten.

Die meiſten von derjenigen Claſſe der Naturkuͤndi-
ger, welche mit dem Herrn von Buͤffon davorhalten,
daß das Phyſikaliſche der Liebe das beſte davon ſey, wer-
den ohne Bedenken eingeſtehen, daß der Beſiz, oder (um
unſern Ausdruk genauer nach ihren Jdeen zu beſtim-
men) der Genuß einer ſo ſchoͤnen Frau als Danae

war,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0234" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
die&#x017F;es Vorhaben durch den Ge&#x017F;chmak, den &#x017F;ie an ihm<lb/>
fand; und der ta&#x0364;gliche Umgang, die Vorzu&#x0364;ge Agathons,<lb/>
und, was in den mei&#x017F;ter Fa&#x0364;llen die Niderlage der weib-<lb/>
lichen Tugend wo nicht allein verur&#x017F;acht, doch &#x017F;ehr be-<lb/>
fo&#x0364;rdert, die an&#x017F;tekende Kraft, das Sympatheti&#x017F;che der<lb/>
verliebten Begei&#x017F;terung, welcher der go&#x0364;ttliche Plato<lb/>
mit Recht die wundertha&#x0364;tig&#x017F;ten Kra&#x0364;fte zu&#x017F;chreibt; alles<lb/>
die&#x017F;es zu&#x017F;ammen genommen, verwandelte zulezt die&#x017F;en<lb/>
Ge&#x017F;chmak in Liebe, aber in die wahre&#x017F;te, za&#x0364;rtlich&#x017F;te und<lb/>
heftig&#x017F;te, welche jemals gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Un&#x017F;erm Helden<lb/>
allein war die Ehre aufbehalten (wenn es eine war)<lb/>
ihr eine Art von Liebe einzuflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, worinn &#x017F;ie, unge-<lb/>
achtet alles de&#x017F;&#x017F;en, was uns von ihrer Ge&#x017F;chichte &#x017F;chon<lb/>
entdekt worden i&#x017F;t, noch &#x017F;o &#x017F;ehr ein Neuling war, als<lb/>
es eine Ve&#x017F;talin in jeder Art von Liebe &#x017F;eyn &#x017F;oll. Kurz,<lb/>
er, und er allein, war darzu gemacht, den Wider-<lb/>
willen zu u&#x0364;berwinden, den ihr die gemeinen Liebhaber,<lb/>
die &#x017F;cho&#x0364;nen Hyacinthe, die&#x017F;e ta&#x0364;ndelnden Geken, an de-<lb/>
nen (um uns ihres eigenen Ausdruks zu bedienen) die<lb/>
Ha&#x0364;lfte ihrer Reizungen verlohren gieng; gegen alles<lb/>
was die Mine der Liebe trug, einzuflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en angefangen<lb/>
hatten.</p><lb/>
            <p>Die mei&#x017F;ten von derjenigen Cla&#x017F;&#x017F;e der Naturku&#x0364;ndi-<lb/>
ger, welche mit dem Herrn von Bu&#x0364;ffon davorhalten,<lb/>
daß das Phy&#x017F;ikali&#x017F;che der Liebe das be&#x017F;te davon &#x017F;ey, wer-<lb/>
den ohne Bedenken einge&#x017F;tehen, daß der Be&#x017F;iz, oder (um<lb/>
un&#x017F;ern Ausdruk genauer nach ihren Jdeen zu be&#x017F;tim-<lb/>
men) der Genuß einer &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nen Frau als Danae<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">war,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0234] Agathon. dieſes Vorhaben durch den Geſchmak, den ſie an ihm fand; und der taͤgliche Umgang, die Vorzuͤge Agathons, und, was in den meiſter Faͤllen die Niderlage der weib- lichen Tugend wo nicht allein verurſacht, doch ſehr be- foͤrdert, die anſtekende Kraft, das Sympathetiſche der verliebten Begeiſterung, welcher der goͤttliche Plato mit Recht die wunderthaͤtigſten Kraͤfte zuſchreibt; alles dieſes zuſammen genommen, verwandelte zulezt dieſen Geſchmak in Liebe, aber in die wahreſte, zaͤrtlichſte und heftigſte, welche jemals geweſen iſt. Unſerm Helden allein war die Ehre aufbehalten (wenn es eine war) ihr eine Art von Liebe einzufloͤſſen, worinn ſie, unge- achtet alles deſſen, was uns von ihrer Geſchichte ſchon entdekt worden iſt, noch ſo ſehr ein Neuling war, als es eine Veſtalin in jeder Art von Liebe ſeyn ſoll. Kurz, er, und er allein, war darzu gemacht, den Wider- willen zu uͤberwinden, den ihr die gemeinen Liebhaber, die ſchoͤnen Hyacinthe, dieſe taͤndelnden Geken, an de- nen (um uns ihres eigenen Ausdruks zu bedienen) die Haͤlfte ihrer Reizungen verlohren gieng; gegen alles was die Mine der Liebe trug, einzufloͤſſen angefangen hatten. Die meiſten von derjenigen Claſſe der Naturkuͤndi- ger, welche mit dem Herrn von Buͤffon davorhalten, daß das Phyſikaliſche der Liebe das beſte davon ſey, wer- den ohne Bedenken eingeſtehen, daß der Beſiz, oder (um unſern Ausdruk genauer nach ihren Jdeen zu beſtim- men) der Genuß einer ſo ſchoͤnen Frau als Danae war,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/234
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/234>, abgerufen am 19.04.2024.