Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
Agathon.
Fünftes Capitel.
Schwärmerey des Agathon.

Die Wohnung des Hippias war auf der mittäglichen
Seite von Gärten umgeben, in deren weitläufigem Be-
zirk die Kunst und der Reichthum alle ihre Kräfte auf-
gewandt hatten, die einfältige Natur mit ihren eignen und
mit fremden Schönheiten zu überladen. Gefilde voll Blumen,
die aus allen Vortheilen gesammelt, jeden Monat zum Früh-
ling eines andern Clima machten, Lauben von allerley
wolriechenden Stauden, Lust-Gänge von Citronen-
Bäumen, Oel-Bäumen und Cedern, in deren Länge
der schärfste Blik sich verlor, Häyne von allen Arten
der fruchtbaren Bäume, und Jrrgänge von Myrthen
und Lorbeer-Heken, mit Rosen von allen Farben durch-
wunden, wo tausend marmorne Najaden, die sich zu
regen und zu athmen schienen, kleine murmelnde Bäche
zwischen die Blumen hingossen, oder mit muthwilligem
Plätschern in spiegelhellen Brunnen spielten, oder unter
überhangenden Schatten von ihren Spielen auszuruhen
schienen. Alles dieses machte die Gärten des Hippias
den bezauberten Gegenden ähnlich, diesen Spielen ei-
ner dichtrischen und mahlerischen Phantasie, die man
erstaunt ist, ausserhalb seiner Einbildung zu sehen. Hier
war es, wo Agathon seine angenehmsten Stunden zu-
brachte; hier fand er die Heiterkeit der Seele wieder,

die
Agathon.
Fuͤnftes Capitel.
Schwaͤrmerey des Agathon.

Die Wohnung des Hippias war auf der mittaͤglichen
Seite von Gaͤrten umgeben, in deren weitlaͤufigem Be-
zirk die Kunſt und der Reichthum alle ihre Kraͤfte auf-
gewandt hatten, die einfaͤltige Natur mit ihren eignen und
mit fremden Schoͤnheiten zu uͤberladen. Gefilde voll Blumen,
die aus allen Vortheilen geſammelt, jeden Monat zum Fruͤh-
ling eines andern Clima machten, Lauben von allerley
wolriechenden Stauden, Luſt-Gaͤnge von Citronen-
Baͤumen, Oel-Baͤumen und Cedern, in deren Laͤnge
der ſchaͤrfſte Blik ſich verlor, Haͤyne von allen Arten
der fruchtbaren Baͤume, und Jrrgaͤnge von Myrthen
und Lorbeer-Heken, mit Roſen von allen Farben durch-
wunden, wo tauſend marmorne Najaden, die ſich zu
regen und zu athmen ſchienen, kleine murmelnde Baͤche
zwiſchen die Blumen hingoſſen, oder mit muthwilligem
Plaͤtſchern in ſpiegelhellen Brunnen ſpielten, oder unter
uͤberhangenden Schatten von ihren Spielen auszuruhen
ſchienen. Alles dieſes machte die Gaͤrten des Hippias
den bezauberten Gegenden aͤhnlich, dieſen Spielen ei-
ner dichtriſchen und mahleriſchen Phantaſie, die man
erſtaunt iſt, auſſerhalb ſeiner Einbildung zu ſehen. Hier
war es, wo Agathon ſeine angenehmſten Stunden zu-
brachte; hier fand er die Heiterkeit der Seele wieder,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0076" n="54"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Agathon.</hi> </hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Capitel.</hi><lb/>
Schwa&#x0364;rmerey des Agathon.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Wohnung des Hippias war auf der mitta&#x0364;glichen<lb/>
Seite von Ga&#x0364;rten umgeben, in deren weitla&#x0364;ufigem Be-<lb/>
zirk die Kun&#x017F;t und der Reichthum alle ihre Kra&#x0364;fte auf-<lb/>
gewandt hatten, die einfa&#x0364;ltige Natur mit ihren eignen und<lb/>
mit fremden Scho&#x0364;nheiten zu u&#x0364;berladen. Gefilde voll Blumen,<lb/>
die aus allen Vortheilen ge&#x017F;ammelt, jeden Monat zum Fru&#x0364;h-<lb/>
ling eines andern Clima machten, Lauben von allerley<lb/>
wolriechenden Stauden, Lu&#x017F;t-Ga&#x0364;nge von Citronen-<lb/>
Ba&#x0364;umen, Oel-Ba&#x0364;umen und Cedern, in deren La&#x0364;nge<lb/>
der &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te Blik &#x017F;ich verlor, Ha&#x0364;yne von allen Arten<lb/>
der fruchtbaren Ba&#x0364;ume, und Jrrga&#x0364;nge von Myrthen<lb/>
und Lorbeer-Heken, mit Ro&#x017F;en von allen Farben durch-<lb/>
wunden, wo tau&#x017F;end marmorne Najaden, die &#x017F;ich zu<lb/>
regen und zu athmen &#x017F;chienen, kleine murmelnde Ba&#x0364;che<lb/>
zwi&#x017F;chen die Blumen hingo&#x017F;&#x017F;en, oder mit muthwilligem<lb/>
Pla&#x0364;t&#x017F;chern in &#x017F;piegelhellen Brunnen &#x017F;pielten, oder unter<lb/>
u&#x0364;berhangenden Schatten von ihren Spielen auszuruhen<lb/>
&#x017F;chienen. Alles die&#x017F;es machte die Ga&#x0364;rten des Hippias<lb/>
den bezauberten Gegenden a&#x0364;hnlich, die&#x017F;en Spielen ei-<lb/>
ner dichtri&#x017F;chen und mahleri&#x017F;chen Phanta&#x017F;ie, die man<lb/>
er&#x017F;taunt i&#x017F;t, au&#x017F;&#x017F;erhalb &#x017F;einer Einbildung zu &#x017F;ehen. Hier<lb/>
war es, wo Agathon &#x017F;eine angenehm&#x017F;ten Stunden zu-<lb/>
brachte; hier fand er die Heiterkeit der Seele wieder,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0076] Agathon. Fuͤnftes Capitel. Schwaͤrmerey des Agathon. Die Wohnung des Hippias war auf der mittaͤglichen Seite von Gaͤrten umgeben, in deren weitlaͤufigem Be- zirk die Kunſt und der Reichthum alle ihre Kraͤfte auf- gewandt hatten, die einfaͤltige Natur mit ihren eignen und mit fremden Schoͤnheiten zu uͤberladen. Gefilde voll Blumen, die aus allen Vortheilen geſammelt, jeden Monat zum Fruͤh- ling eines andern Clima machten, Lauben von allerley wolriechenden Stauden, Luſt-Gaͤnge von Citronen- Baͤumen, Oel-Baͤumen und Cedern, in deren Laͤnge der ſchaͤrfſte Blik ſich verlor, Haͤyne von allen Arten der fruchtbaren Baͤume, und Jrrgaͤnge von Myrthen und Lorbeer-Heken, mit Roſen von allen Farben durch- wunden, wo tauſend marmorne Najaden, die ſich zu regen und zu athmen ſchienen, kleine murmelnde Baͤche zwiſchen die Blumen hingoſſen, oder mit muthwilligem Plaͤtſchern in ſpiegelhellen Brunnen ſpielten, oder unter uͤberhangenden Schatten von ihren Spielen auszuruhen ſchienen. Alles dieſes machte die Gaͤrten des Hippias den bezauberten Gegenden aͤhnlich, dieſen Spielen ei- ner dichtriſchen und mahleriſchen Phantaſie, die man erſtaunt iſt, auſſerhalb ſeiner Einbildung zu ſehen. Hier war es, wo Agathon ſeine angenehmſten Stunden zu- brachte; hier fand er die Heiterkeit der Seele wieder, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/76
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/76>, abgerufen am 28.03.2024.