Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilftes Buch, drittes Capitel.
gnügen der Ueberraschung, welches andre Autoren ihren
Lesern mit so vieler Mühe und Kunst zu zuwenden pfle-
gen. Es bleibt aus, meine Herren; und Diderot kan
Jhnen, wenn Sie wollen, sagen, warum Sie wenig
oder nichts dabey verliehren werden. Jnzwischen ist
uns lieb, erinnert worden zu seyn, daß wir Jhnen
einige Nachricht schuldig sind, wie Psyche (welche wir,
in einen Ganymed verkleidet, in den Händen eines See-
räubers verlassen hatten,) dazu gekommen sey, die
Gemahlin des Critolaus und die Schwester Aga-
thons zu werden. Ein kurzer Auszug aus der Erzäh-
lung, welche dem Agathon theils von seiner Schwester
selbst, theils von ihrer Amme gemacht wurde, (und
die lezte hatte den Fehler, ein wenig weitläufiger in ih-
ren Erzählungen zu seyn, als wir selbst,) wird hin-
länglich seyn, dero gerechte Wissens-Begierde über die-
sen Punct zu befriedigen.

Ein heftiger Sturm ist ein sehr unglüklicher Zufall für
Leute, die sich mitten auf der offenen See, nur durch die
Dike eines Vrettes von einem feuchten Tode geschieden
finden; aber für die Geschichtschreiber der Helden und
Heldinnen ist es beynahe der glüklichste unter allen Zu-
fällen, welche man herbeybringen kan, um sich aus
einer Schwierigkeit herauszuhelfen. Es war also ein
Sturm, (und Sie haben sich nicht darüber zu beschwe-
ren, meine Herren, denn es ist, unsers Wissens, der
erste in dieser Geschichte,) der die lieberswürdige Psy-
che aus der fürchterlichen Gewalt eines verliebten See-

räubers
[Agath. II. Th.] X

Eilftes Buch, drittes Capitel.
gnuͤgen der Ueberraſchung, welches andre Autoren ihren
Leſern mit ſo vieler Muͤhe und Kunſt zu zuwenden pfle-
gen. Es bleibt aus, meine Herren; und Diderot kan
Jhnen, wenn Sie wollen, ſagen, warum Sie wenig
oder nichts dabey verliehren werden. Jnzwiſchen iſt
uns lieb, erinnert worden zu ſeyn, daß wir Jhnen
einige Nachricht ſchuldig ſind, wie Pſyche (welche wir,
in einen Ganymed verkleidet, in den Haͤnden eines See-
raͤubers verlaſſen hatten,) dazu gekommen ſey, die
Gemahlin des Critolaus und die Schweſter Aga-
thons zu werden. Ein kurzer Auszug aus der Erzaͤh-
lung, welche dem Agathon theils von ſeiner Schweſter
ſelbſt, theils von ihrer Amme gemacht wurde, (und
die lezte hatte den Fehler, ein wenig weitlaͤufiger in ih-
ren Erzaͤhlungen zu ſeyn, als wir ſelbſt,) wird hin-
laͤnglich ſeyn, dero gerechte Wiſſens-Begierde uͤber die-
ſen Punct zu befriedigen.

Ein heftiger Sturm iſt ein ſehr ungluͤklicher Zufall fuͤr
Leute, die ſich mitten auf der offenen See, nur durch die
Dike eines Vrettes von einem feuchten Tode geſchieden
finden; aber fuͤr die Geſchichtſchreiber der Helden und
Heldinnen iſt es beynahe der gluͤklichſte unter allen Zu-
faͤllen, welche man herbeybringen kan, um ſich aus
einer Schwierigkeit herauszuhelfen. Es war alſo ein
Sturm, (und Sie haben ſich nicht daruͤber zu beſchwe-
ren, meine Herren, denn es iſt, unſers Wiſſens, der
erſte in dieſer Geſchichte,) der die lieberswuͤrdige Pſy-
che aus der fuͤrchterlichen Gewalt eines verliebten See-

raͤubers
[Agath. II. Th.] X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0323" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eilftes Buch, drittes Capitel.</hi></fw><lb/>
gnu&#x0364;gen der Ueberra&#x017F;chung, welches andre Autoren ihren<lb/>
Le&#x017F;ern mit &#x017F;o vieler Mu&#x0364;he und Kun&#x017F;t zu zuwenden pfle-<lb/>
gen. Es bleibt aus, meine Herren; und Diderot kan<lb/>
Jhnen, wenn Sie wollen, &#x017F;agen, warum Sie wenig<lb/>
oder nichts dabey verliehren werden. Jnzwi&#x017F;chen i&#x017F;t<lb/>
uns lieb, erinnert worden zu &#x017F;eyn, daß wir Jhnen<lb/>
einige Nachricht &#x017F;chuldig &#x017F;ind, wie P&#x017F;yche (welche wir,<lb/>
in einen Ganymed verkleidet, in den Ha&#x0364;nden eines See-<lb/>
ra&#x0364;ubers verla&#x017F;&#x017F;en hatten,) dazu gekommen &#x017F;ey, die<lb/>
Gemahlin des Critolaus und die Schwe&#x017F;ter Aga-<lb/>
thons zu werden. Ein kurzer Auszug aus der Erza&#x0364;h-<lb/>
lung, welche dem Agathon theils von &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, theils von ihrer Amme gemacht wurde, (und<lb/>
die lezte hatte den Fehler, ein wenig weitla&#x0364;ufiger in ih-<lb/>
ren Erza&#x0364;hlungen zu &#x017F;eyn, als wir &#x017F;elb&#x017F;t,) wird hin-<lb/>
la&#x0364;nglich &#x017F;eyn, dero gerechte Wi&#x017F;&#x017F;ens-Begierde u&#x0364;ber die-<lb/>
&#x017F;en Punct zu befriedigen.</p><lb/>
            <p>Ein heftiger Sturm i&#x017F;t ein &#x017F;ehr unglu&#x0364;klicher Zufall fu&#x0364;r<lb/>
Leute, die &#x017F;ich mitten auf der offenen See, nur durch die<lb/>
Dike eines Vrettes von einem feuchten Tode ge&#x017F;chieden<lb/>
finden; aber fu&#x0364;r die Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber der Helden und<lb/>
Heldinnen i&#x017F;t es beynahe der glu&#x0364;klich&#x017F;te unter allen Zu-<lb/>
fa&#x0364;llen, welche man herbeybringen kan, um &#x017F;ich aus<lb/>
einer Schwierigkeit herauszuhelfen. Es war al&#x017F;o ein<lb/>
Sturm, (und Sie haben &#x017F;ich nicht daru&#x0364;ber zu be&#x017F;chwe-<lb/>
ren, meine Herren, denn es i&#x017F;t, un&#x017F;ers Wi&#x017F;&#x017F;ens, der<lb/>
er&#x017F;te in die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte,) der die lieberswu&#x0364;rdige P&#x017F;y-<lb/>
che aus der fu&#x0364;rchterlichen Gewalt eines verliebten See-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Agath. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th.] X</fw><fw place="bottom" type="catch">ra&#x0364;ubers</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0323] Eilftes Buch, drittes Capitel. gnuͤgen der Ueberraſchung, welches andre Autoren ihren Leſern mit ſo vieler Muͤhe und Kunſt zu zuwenden pfle- gen. Es bleibt aus, meine Herren; und Diderot kan Jhnen, wenn Sie wollen, ſagen, warum Sie wenig oder nichts dabey verliehren werden. Jnzwiſchen iſt uns lieb, erinnert worden zu ſeyn, daß wir Jhnen einige Nachricht ſchuldig ſind, wie Pſyche (welche wir, in einen Ganymed verkleidet, in den Haͤnden eines See- raͤubers verlaſſen hatten,) dazu gekommen ſey, die Gemahlin des Critolaus und die Schweſter Aga- thons zu werden. Ein kurzer Auszug aus der Erzaͤh- lung, welche dem Agathon theils von ſeiner Schweſter ſelbſt, theils von ihrer Amme gemacht wurde, (und die lezte hatte den Fehler, ein wenig weitlaͤufiger in ih- ren Erzaͤhlungen zu ſeyn, als wir ſelbſt,) wird hin- laͤnglich ſeyn, dero gerechte Wiſſens-Begierde uͤber die- ſen Punct zu befriedigen. Ein heftiger Sturm iſt ein ſehr ungluͤklicher Zufall fuͤr Leute, die ſich mitten auf der offenen See, nur durch die Dike eines Vrettes von einem feuchten Tode geſchieden finden; aber fuͤr die Geſchichtſchreiber der Helden und Heldinnen iſt es beynahe der gluͤklichſte unter allen Zu- faͤllen, welche man herbeybringen kan, um ſich aus einer Schwierigkeit herauszuhelfen. Es war alſo ein Sturm, (und Sie haben ſich nicht daruͤber zu beſchwe- ren, meine Herren, denn es iſt, unſers Wiſſens, der erſte in dieſer Geſchichte,) der die lieberswuͤrdige Pſy- che aus der fuͤrchterlichen Gewalt eines verliebten See- raͤubers [Agath. II. Th.] X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/323
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/323>, abgerufen am 29.03.2024.