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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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etwas: das weiß doch, wozu es seine Arme und Beine hat, und wozu die Erde rund ist. Denn nach der einen Seite fährt er ab, und von der anderen kommt er wieder zurück! Und dann hat er mittlerweile was gesehen, -- Goddam! -- und er fing an, Seemannsgeschichten zu erzählen. Julius hörte zu, Schiffer Albrecht trank. Endlich begannen sie alle Drei lustige Schifferlieder durch die Nacht zu singen.

Es war tief dunkel geworden, aber der späte Mond ging nun auf und wanderte über die kleinen Wasserkämme, indem überall von seinem Silber etwas hängen blieb, zum Verdeck herüber. Sein elegisches Licht hatte noch nicht lange geleuchtet, als Julius stille ward und der Einfluß des Nachtgestirns auf ihn zu wirken schien. Er legte seine erloschene Cigarre auf den Tisch, fing an zu träumen und starrte ins Meer hinaus. Das Sonderbare seiner Lage ward ihm plötzlich bewußt. Auch Johann Ohlerich neben ihm verstummte. Schiffer Albrecht sang allein noch eine Weile fort; dann hörte er gleichfalls auf, klopfte am Bord seine Pfeife aus, sah nachdenklich in den Mond, wie auf eine Uhr, und ging ans Steuer, um Peter Jürß, den Schiffsmaat, abzulösen. Auf dem ganzen Verdeck war Alles stumm. Eine Weile starrten Julius und Ohlerich beide still vor sich hin.

Endlich nahm Julius seine Cigarre wieder in die Hand, steckte sie aber nicht an, sondern sagte nur: Das ist eine merkwürdige Nacht! -- -- Ich wollte mich noch über etwas zu Ihnen aussprechen, Johann Ohlerich.

Da bin ich gerne dabei! murmelte Ohlerich, ohne seinen Blick zu verändern.

Ich wollte Ihnen nur sagen, Johann Ohlerich: Sie sind ein ganzer Kerl, und ich habe alle Achtung vor Ihnen.

Nun, das kann mich freuen, brummte Ohlerich vor sich hin.

Ich möchte gern, daß wir uns wie gute Freunde verständigten, Johann Ohlerich! Was meine Person betrifft, -- so hab' ich mich in dieser Sache nicht so gut benommen, wie Sie. Ich habe Ihrer Frau -- -- Die Zunge stockte

etwas: das weiß doch, wozu es seine Arme und Beine hat, und wozu die Erde rund ist. Denn nach der einen Seite fährt er ab, und von der anderen kommt er wieder zurück! Und dann hat er mittlerweile was gesehen, — Goddam! — und er fing an, Seemannsgeschichten zu erzählen. Julius hörte zu, Schiffer Albrecht trank. Endlich begannen sie alle Drei lustige Schifferlieder durch die Nacht zu singen.

Es war tief dunkel geworden, aber der späte Mond ging nun auf und wanderte über die kleinen Wasserkämme, indem überall von seinem Silber etwas hängen blieb, zum Verdeck herüber. Sein elegisches Licht hatte noch nicht lange geleuchtet, als Julius stille ward und der Einfluß des Nachtgestirns auf ihn zu wirken schien. Er legte seine erloschene Cigarre auf den Tisch, fing an zu träumen und starrte ins Meer hinaus. Das Sonderbare seiner Lage ward ihm plötzlich bewußt. Auch Johann Ohlerich neben ihm verstummte. Schiffer Albrecht sang allein noch eine Weile fort; dann hörte er gleichfalls auf, klopfte am Bord seine Pfeife aus, sah nachdenklich in den Mond, wie auf eine Uhr, und ging ans Steuer, um Peter Jürß, den Schiffsmaat, abzulösen. Auf dem ganzen Verdeck war Alles stumm. Eine Weile starrten Julius und Ohlerich beide still vor sich hin.

Endlich nahm Julius seine Cigarre wieder in die Hand, steckte sie aber nicht an, sondern sagte nur: Das ist eine merkwürdige Nacht! — — Ich wollte mich noch über etwas zu Ihnen aussprechen, Johann Ohlerich.

Da bin ich gerne dabei! murmelte Ohlerich, ohne seinen Blick zu verändern.

Ich wollte Ihnen nur sagen, Johann Ohlerich: Sie sind ein ganzer Kerl, und ich habe alle Achtung vor Ihnen.

Nun, das kann mich freuen, brummte Ohlerich vor sich hin.

Ich möchte gern, daß wir uns wie gute Freunde verständigten, Johann Ohlerich! Was meine Person betrifft, — so hab' ich mich in dieser Sache nicht so gut benommen, wie Sie. Ich habe Ihrer Frau — — Die Zunge stockte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/55>, abgerufen am 24.04.2024.