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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ohlerich! rief die junge Frau aus und sah ihm wie einem Räthsel ins Gesicht.

Johann Ohlerich, ohne eine Miene zu verziehen, gab ihr den Blick zurück. Uebrigens, wo kommst du her, Liesbeth? fragte er möglichst ernsthaft.

Ich? -- Von Hause! antwortete sie kurz.

Du willst dir wohl Hamburg ein bischen ansehen?

Ja, das will ich. Und dann -- -- Sie blickte mit verlegener Liebe zu ihm auf, schlug aber die Augen sogleich wieder nieder und bohrte sie in den Tisch. Und dann hatt' ich auch am Fenster, auf meinem Nähtisch, einen Zettel gefunden; einen Zettel mit etwas Geschriebenem drauf.

So! -- Ih was!

Ja. Und weil auf dem Zettel stand, daß Johann Ohlerich, mein Mann, mit einem jungen Menschen aus meiner Bekanntschaft, Umstände halber, nach Hamburg abgesegelt wäre -- -- Sie zog den Zettel aus ihrem Busen hervor.

Das Alles stand auf dem Zettel! sagte Ohlerich in tiefster Verwunderung.

Ja; und da steht's auch noch! Und weil ich dann Schiffer Albrecht's Yacht draußen beim Mol um die Ecke segeln sah -- so dacht' ich, Ohlerich, daß ich mich aufmachen und auch ein bischen nach Hamburg fahren sollte.

Um es dir anzusehen!

Ja, um es mir anzusehen. Und um mich an Bord, bei unserm Kapitain, zu erkundigen, ob der Steuermann Johann Ohlerich schon da wäre -- sie stockte -- und ob er wirklich von seiner Frau nichts mehr wissen wollte.

Und was haben sie dir denn an Bord gesagt? fragte Ohlerich, der nun einen ersten zärtlichen, verstohlenen Blick nicht länger zurückhalten konnte.

Daß, wenn er nicht bei seiner Frau in Warnemünde wäre, -- so wüßten sie nichts von ihm und könnten mir auch nichts sagen. Und da hab' ich mich entschlossen, auf

Ohlerich! rief die junge Frau aus und sah ihm wie einem Räthsel ins Gesicht.

Johann Ohlerich, ohne eine Miene zu verziehen, gab ihr den Blick zurück. Uebrigens, wo kommst du her, Liesbeth? fragte er möglichst ernsthaft.

Ich? — Von Hause! antwortete sie kurz.

Du willst dir wohl Hamburg ein bischen ansehen?

Ja, das will ich. Und dann — — Sie blickte mit verlegener Liebe zu ihm auf, schlug aber die Augen sogleich wieder nieder und bohrte sie in den Tisch. Und dann hatt' ich auch am Fenster, auf meinem Nähtisch, einen Zettel gefunden; einen Zettel mit etwas Geschriebenem drauf.

So! — Ih was!

Ja. Und weil auf dem Zettel stand, daß Johann Ohlerich, mein Mann, mit einem jungen Menschen aus meiner Bekanntschaft, Umstände halber, nach Hamburg abgesegelt wäre — — Sie zog den Zettel aus ihrem Busen hervor.

Das Alles stand auf dem Zettel! sagte Ohlerich in tiefster Verwunderung.

Ja; und da steht's auch noch! Und weil ich dann Schiffer Albrecht's Yacht draußen beim Mol um die Ecke segeln sah — so dacht' ich, Ohlerich, daß ich mich aufmachen und auch ein bischen nach Hamburg fahren sollte.

Um es dir anzusehen!

Ja, um es mir anzusehen. Und um mich an Bord, bei unserm Kapitain, zu erkundigen, ob der Steuermann Johann Ohlerich schon da wäre — sie stockte — und ob er wirklich von seiner Frau nichts mehr wissen wollte.

Und was haben sie dir denn an Bord gesagt? fragte Ohlerich, der nun einen ersten zärtlichen, verstohlenen Blick nicht länger zurückhalten konnte.

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[0063] Ohlerich! rief die junge Frau aus und sah ihm wie einem Räthsel ins Gesicht. Johann Ohlerich, ohne eine Miene zu verziehen, gab ihr den Blick zurück. Uebrigens, wo kommst du her, Liesbeth? fragte er möglichst ernsthaft. Ich? — Von Hause! antwortete sie kurz. Du willst dir wohl Hamburg ein bischen ansehen? Ja, das will ich. Und dann — — Sie blickte mit verlegener Liebe zu ihm auf, schlug aber die Augen sogleich wieder nieder und bohrte sie in den Tisch. Und dann hatt' ich auch am Fenster, auf meinem Nähtisch, einen Zettel gefunden; einen Zettel mit etwas Geschriebenem drauf. So! — Ih was! Ja. Und weil auf dem Zettel stand, daß Johann Ohlerich, mein Mann, mit einem jungen Menschen aus meiner Bekanntschaft, Umstände halber, nach Hamburg abgesegelt wäre — — Sie zog den Zettel aus ihrem Busen hervor. Das Alles stand auf dem Zettel! sagte Ohlerich in tiefster Verwunderung. Ja; und da steht's auch noch! Und weil ich dann Schiffer Albrecht's Yacht draußen beim Mol um die Ecke segeln sah — so dacht' ich, Ohlerich, daß ich mich aufmachen und auch ein bischen nach Hamburg fahren sollte. Um es dir anzusehen! Ja, um es mir anzusehen. Und um mich an Bord, bei unserm Kapitain, zu erkundigen, ob der Steuermann Johann Ohlerich schon da wäre — sie stockte — und ob er wirklich von seiner Frau nichts mehr wissen wollte. Und was haben sie dir denn an Bord gesagt? fragte Ohlerich, der nun einen ersten zärtlichen, verstohlenen Blick nicht länger zurückhalten konnte. Daß, wenn er nicht bei seiner Frau in Warnemünde wäre, — so wüßten sie nichts von ihm und könnten mir auch nichts sagen. Und da hab' ich mich entschlossen, auf

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/63>, abgerufen am 29.03.2024.