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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sie an, und die junge Rechnerin hatte ihr langerstrebtes Ziel erreicht.

Du bist also seinem Antrage nicht abgeneigt? sagte ihr Vater mit besorgter Miene zu ihr, als sie, ihm gegenüber sitzend, mit ernster Miene und niedergeschlagenen Augen ihn anhörte.

Durchaus nicht, Papa, was kann ich Besseres erwarten?

Den Einklang der Jahre. Bedenke, der Graf könnte dein Vater sein!

Wirklich? mir scheint er nicht so alt.

Wenn dein Herz trotzdem für ihn spricht, fuhr der Graf mit einem Seufzer fort, so kann ich nichts dagegen haben. Du scheinst ihm große Hoffnungen gegeben zu haben, wenigstens ließ er es mich verstehen. Uebrigens ist er ein Ehrenmann.

Sein Vermögen soll bedeutend sein, sagte Leonie, mit ihrem Armbande spielend.

Ich wollte, du hättest andere Gründe, ihm den Vorzug zu geben, versetzte der Graf. Indessen er ist reich. Aber vergiss nicht, das der Reichthum des Mannes ebenso wenig das Glück der Frau sichert, als die Schönheit der Frau jenes des Mannes, wenn nicht ein tieferes Verständnis sie aneinander knüpft.

O, das weiß ich, sagte Leonie, in ihrem Spiele fortfahrend, aber Sie sagten ja selbst, er sei ein Ehrenmann.

Ich glaube wenigstens, daß er es ist. Doch das allein ist noch nicht genug, das du ihn von Herzen lieben kannst, und dazu scheint mir der Graf nicht der Mann zu sein. Ich wollte, du gingest ernstlich mit dir zu Rathe, bevor du ein Bündnis schließest, worauf die ganze Zukunft deines Lebens beruht.

Der Graf scheint mir alle Eigenschaften zu besitzen, die ich in dem Manne wünsche, den ich heirathen soll. Ich achte ihn und ziehe keinen Anderen vor. Ist das für den Ansang nicht genug? fuhr Leonie mit einer so unschuldigen Miene, daß ihr Vater, der Leser

sie an, und die junge Rechnerin hatte ihr langerstrebtes Ziel erreicht.

Du bist also seinem Antrage nicht abgeneigt? sagte ihr Vater mit besorgter Miene zu ihr, als sie, ihm gegenüber sitzend, mit ernster Miene und niedergeschlagenen Augen ihn anhörte.

Durchaus nicht, Papa, was kann ich Besseres erwarten?

Den Einklang der Jahre. Bedenke, der Graf könnte dein Vater sein!

Wirklich? mir scheint er nicht so alt.

Wenn dein Herz trotzdem für ihn spricht, fuhr der Graf mit einem Seufzer fort, so kann ich nichts dagegen haben. Du scheinst ihm große Hoffnungen gegeben zu haben, wenigstens ließ er es mich verstehen. Uebrigens ist er ein Ehrenmann.

Sein Vermögen soll bedeutend sein, sagte Leonie, mit ihrem Armbande spielend.

Ich wollte, du hättest andere Gründe, ihm den Vorzug zu geben, versetzte der Graf. Indessen er ist reich. Aber vergiss nicht, das der Reichthum des Mannes ebenso wenig das Glück der Frau sichert, als die Schönheit der Frau jenes des Mannes, wenn nicht ein tieferes Verständnis sie aneinander knüpft.

O, das weiß ich, sagte Leonie, in ihrem Spiele fortfahrend, aber Sie sagten ja selbst, er sei ein Ehrenmann.

Ich glaube wenigstens, daß er es ist. Doch das allein ist noch nicht genug, das du ihn von Herzen lieben kannst, und dazu scheint mir der Graf nicht der Mann zu sein. Ich wollte, du gingest ernstlich mit dir zu Rathe, bevor du ein Bündnis schließest, worauf die ganze Zukunft deines Lebens beruht.

Der Graf scheint mir alle Eigenschaften zu besitzen, die ich in dem Manne wünsche, den ich heirathen soll. Ich achte ihn und ziehe keinen Anderen vor. Ist das für den Ansang nicht genug? fuhr Leonie mit einer so unschuldigen Miene, daß ihr Vater, der Leser

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[0048] sie an, und die junge Rechnerin hatte ihr langerstrebtes Ziel erreicht. Du bist also seinem Antrage nicht abgeneigt? sagte ihr Vater mit besorgter Miene zu ihr, als sie, ihm gegenüber sitzend, mit ernster Miene und niedergeschlagenen Augen ihn anhörte. Durchaus nicht, Papa, was kann ich Besseres erwarten? Den Einklang der Jahre. Bedenke, der Graf könnte dein Vater sein! Wirklich? mir scheint er nicht so alt. Wenn dein Herz trotzdem für ihn spricht, fuhr der Graf mit einem Seufzer fort, so kann ich nichts dagegen haben. Du scheinst ihm große Hoffnungen gegeben zu haben, wenigstens ließ er es mich verstehen. Uebrigens ist er ein Ehrenmann. Sein Vermögen soll bedeutend sein, sagte Leonie, mit ihrem Armbande spielend. Ich wollte, du hättest andere Gründe, ihm den Vorzug zu geben, versetzte der Graf. Indessen er ist reich. Aber vergiss nicht, das der Reichthum des Mannes ebenso wenig das Glück der Frau sichert, als die Schönheit der Frau jenes des Mannes, wenn nicht ein tieferes Verständnis sie aneinander knüpft. O, das weiß ich, sagte Leonie, in ihrem Spiele fortfahrend, aber Sie sagten ja selbst, er sei ein Ehrenmann. Ich glaube wenigstens, daß er es ist. Doch das allein ist noch nicht genug, das du ihn von Herzen lieben kannst, und dazu scheint mir der Graf nicht der Mann zu sein. Ich wollte, du gingest ernstlich mit dir zu Rathe, bevor du ein Bündnis schließest, worauf die ganze Zukunft deines Lebens beruht. Der Graf scheint mir alle Eigenschaften zu besitzen, die ich in dem Manne wünsche, den ich heirathen soll. Ich achte ihn und ziehe keinen Anderen vor. Ist das für den Ansang nicht genug? fuhr Leonie mit einer so unschuldigen Miene, daß ihr Vater, der Leser

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/48>, abgerufen am 16.04.2024.