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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 1. Von dem Ehestande.
ter den Menschen gar vieler Streit, ja öfters
Mord, daraus erfolgen würde, wenn jhrer
viele eine Person begehreten: welches durch
die Exempel der ungearteten Weibes-Bil-
der aus der Erfahrung bestetiget wird, die
ihren Leib aus Geilheit zum gemeinen Ge-
brauche vielen überlassen. Wir werden
auch nach diesem begreiffen, daß die übri-
gen Gesellschaften der Menschen gar schlecht
bestehen würden, wenn man die Kinder aus-
ser der Ehe erzeugen sollte.

Warum
der Ehe-
stand nö-
thig.
§. 20.

Derowegen, da es nöthig ist, daß
Kinder erzeuget werden (§. 17), diejenigen
aber, welche sie erzeugen, auch verbunden
sind sie aufzuerziehen (§. 18), dieses aber
nicht wohl geschehen kan, wenn die Kin-
der ausser der Ehe erzeuget würden (§. 19);
so ist nöthig, daß Mann und Weib sich des-
wegen mit einander in eine Gesellschaft be-
geben, und demnach ist der Ehestand dem
Gesetze der Natur gemäß (§. 16).

Ein
Zweiffel
wird ge-
hoben.
§. 21.

Vielleicht werden einige meinen,
es wäre ein Fall, da man auch ausser der
Ehe Kinder erzeugen könte, so wohls als in
der Ehe, ohne daß daraus einiges Unheil
erfolgete. Z. E. Sempronius, der gerne
ein Kind haben wollte, aber anderer Umb-
stände wegen, die nicht unvernünftig sind,
lieber verunehlichet leben will, wird mit
Sophia einig ein Kind zu erzeugen und zur
Aufferziehung allen nöthigen Vorschub zu-

thun,

Cap. 1. Von dem Eheſtande.
ter den Menſchen gar vieler Streit, ja oͤfters
Mord, daraus erfolgen wuͤrde, wenn jhrer
viele eine Perſon begehreten: welches durch
die Exempel der ungearteten Weibes-Bil-
der aus der Erfahrung beſtetiget wird, die
ihren Leib aus Geilheit zum gemeinen Ge-
brauche vielen uͤberlaſſen. Wir werden
auch nach dieſem begreiffen, daß die uͤbri-
gen Geſellſchaften der Menſchen gar ſchlecht
beſtehen wuͤrden, wenn man die Kinder auſ-
ſer der Ehe erzeugen ſollte.

Warum
der Ehe-
ſtand noͤ-
thig.
§. 20.

Derowegen, da es noͤthig iſt, daß
Kinder erzeuget werden (§. 17), diejenigen
aber, welche ſie erzeugen, auch verbunden
ſind ſie aufzuerziehen (§. 18), dieſes aber
nicht wohl geſchehen kan, wenn die Kin-
der auſſer der Ehe erzeuget wuͤrden (§. 19);
ſo iſt noͤthig, daß Mann und Weib ſich des-
wegen mit einander in eine Geſellſchaft be-
geben, und demnach iſt der Eheſtand dem
Geſetze der Natur gemaͤß (§. 16).

Ein
Zweiffel
wird ge-
hoben.
§. 21.

Vielleicht werden einige meinen,
es waͤre ein Fall, da man auch auſſer der
Ehe Kinder erzeugen koͤnte, ſo wohls als in
der Ehe, ohne daß daraus einiges Unheil
erfolgete. Z. E. Sempronius, der gerne
ein Kind haben wollte, aber anderer Umb-
ſtaͤnde wegen, die nicht unvernuͤnftig ſind,
lieber verunehlichet leben will, wird mit
Sophia einig ein Kind zu erzeugen und zur
Aufferziehung allen noͤthigen Vorſchub zu-

thun,
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[12/0030] Cap. 1. Von dem Eheſtande. ter den Menſchen gar vieler Streit, ja oͤfters Mord, daraus erfolgen wuͤrde, wenn jhrer viele eine Perſon begehreten: welches durch die Exempel der ungearteten Weibes-Bil- der aus der Erfahrung beſtetiget wird, die ihren Leib aus Geilheit zum gemeinen Ge- brauche vielen uͤberlaſſen. Wir werden auch nach dieſem begreiffen, daß die uͤbri- gen Geſellſchaften der Menſchen gar ſchlecht beſtehen wuͤrden, wenn man die Kinder auſ- ſer der Ehe erzeugen ſollte. §. 20.Derowegen, da es noͤthig iſt, daß Kinder erzeuget werden (§. 17), diejenigen aber, welche ſie erzeugen, auch verbunden ſind ſie aufzuerziehen (§. 18), dieſes aber nicht wohl geſchehen kan, wenn die Kin- der auſſer der Ehe erzeuget wuͤrden (§. 19); ſo iſt noͤthig, daß Mann und Weib ſich des- wegen mit einander in eine Geſellſchaft be- geben, und demnach iſt der Eheſtand dem Geſetze der Natur gemaͤß (§. 16). §. 21.Vielleicht werden einige meinen, es waͤre ein Fall, da man auch auſſer der Ehe Kinder erzeugen koͤnte, ſo wohls als in der Ehe, ohne daß daraus einiges Unheil erfolgete. Z. E. Sempronius, der gerne ein Kind haben wollte, aber anderer Umb- ſtaͤnde wegen, die nicht unvernuͤnftig ſind, lieber verunehlichet leben will, wird mit Sophia einig ein Kind zu erzeugen und zur Aufferziehung allen noͤthigen Vorſchub zu- thun,

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/30>, abgerufen am 28.04.2024.