Wir haben seit langer Zeit kein so wichtiges Werk gele- sen, als des Hrn. Caspar Friedrich Wolfs, eines Berliners, den 24 Novemb. 1759. zu Halle ver- theidigte Probschrift, die den Titel führt Theoria Ge- nerationis, und eigentlich eine Vertheidigung der Epige- neseos ist. Diese Probschrift macht auch ein ganzes 146 Qvart s. starkes Buch aus, und ob man wohl wünschen wird, einige Sätze des Hrn. Verfassers mit längern und mehrerern Erfahrungen bestärkt zu sehen, auch andere furchtsame Physiologen lieber über das bekannte einen klei- nen Schritt vorwärts thun, als einen Sprnng wagen, so verdient dennoch des Hrn. Wolfens Arbeit, die größte Aufmerksamkeit, indem er, wann kein Fehler in seinen Schlüßen ist, die Needhamsche Meynung fast erweiset, und an statt aller andern, das neue Gewächse oder Thier| bil- dende Kräfte bloß eine gewisse Bewegung zum einzigen Werkzeuge macht, die bey ihm Vis essentialis heist, und die er nicht weiter bestimmt, von der Seele aber allerdings trennet. Er fängt bey den Kräutern, als den einfachen Geschöpfen an. Jm Anfange, sagt er, ist in dem Blatte nichts als eine Menge Bläschens und in der noch jungen Wurzel entweder eben der Bau, oder auch gar nur ein durchsichtiges Wesen zu erkennen, ohne daß man dabey ein Gefäße erblicke. Dieser Satz ist dem Hrn. W. sehr an- gelegen, indem er hauptsächlich zu beweisen trachtet, die Gefäße seyn in diesem Zustande der Pflanze nicht zu klein oder zu durchsichtig, sondern gar nicht vorhanden gewe- sen. Deswegen führt er auch die Erfahrung an, daß man in einem jungen Blatte mit einer Nadel die Gestalt der Bläschen verändern, ein ganzes Bläschen von einer Stelle zur andern schieben, zwey Bläschen zusammen in eines drücken, und hernach wieder trennen; endlich aber ausleeren könne, daß sie zusammen fallen. Man kann
fer-
Goͤttingiſche Anzeigen 143 Stuͤck 1760.
Halle.
Wir haben ſeit langer Zeit kein ſo wichtiges Werk gele- ſen, als des Hrn. Caſpar Friedrich Wolfs, eines Berliners, den 24 Novemb. 1759. zu Halle ver- theidigte Probſchrift, die den Titel fuͤhrt Theoria Ge- nerationis, und eigentlich eine Vertheidigung der Epige- neſeos iſt. Dieſe Probſchrift macht auch ein ganzes 146 Qvart ſ. ſtarkes Buch aus, und ob man wohl wuͤnſchen wird, einige Saͤtze des Hrn. Verfaſſers mit laͤngern und mehrerern Erfahrungen beſtaͤrkt zu ſehen, auch andere furchtſame Phyſiologen lieber uͤber das bekannte einen klei- nen Schritt vorwaͤrts thun, als einen Sprnng wagen, ſo verdient dennoch des Hrn. Wolfens Arbeit, die groͤßte Aufmerkſamkeit, indem er, wann kein Fehler in ſeinen Schluͤßen iſt, die Needhamſche Meynung faſt erweiſet, und an ſtatt aller andern, das neue Gewaͤchſe oder Thier| bil- dende Kraͤfte bloß eine gewiſſe Bewegung zum einzigen Werkzeuge macht, die bey ihm Vis eſſentialis heiſt, und die er nicht weiter beſtimmt, von der Seele aber allerdings trennet. Er faͤngt bey den Kraͤutern, als den einfachen Geſchoͤpfen an. Jm Anfange, ſagt er, iſt in dem Blatte nichts als eine Menge Blaͤschens und in der noch jungen Wurzel entweder eben der Bau, oder auch gar nur ein durchſichtiges Weſen zu erkennen, ohne daß man dabey ein Gefaͤße erblicke. Dieſer Satz iſt dem Hrn. W. ſehr an- gelegen, indem er hauptſaͤchlich zu beweiſen trachtet, die Gefaͤße ſeyn in dieſem Zuſtande der Pflanze nicht zu klein oder zu durchſichtig, ſondern gar nicht vorhanden gewe- ſen. Deswegen fuͤhrt er auch die Erfahrung an, daß man in einem jungen Blatte mit einer Nadel die Geſtalt der Blaͤschen veraͤndern, ein ganzes Blaͤschen von einer Stelle zur andern ſchieben, zwey Blaͤschen zuſammen in eines druͤcken, und hernach wieder trennen; endlich aber ausleeren koͤnne, daß ſie zuſammen fallen. Man kann
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Goͤttingiſche Anzeigen 143 Stuͤck 1760.
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Wir haben ſeit langer Zeit kein ſo wichtiges Werk gele-
ſen, als des Hrn. Caſpar Friedrich Wolfs,
eines Berliners, den 24 Novemb. 1759. zu Halle ver-
theidigte Probſchrift, die den Titel fuͤhrt Theoria Ge-
nerationis, und eigentlich eine Vertheidigung der Epige-
neſeos iſt. Dieſe Probſchrift macht auch ein ganzes 146
Qvart ſ. ſtarkes Buch aus, und ob man wohl wuͤnſchen
wird, einige Saͤtze des Hrn. Verfaſſers mit laͤngern und
mehrerern Erfahrungen beſtaͤrkt zu ſehen, auch andere
furchtſame Phyſiologen lieber uͤber das bekannte einen klei-
nen Schritt vorwaͤrts thun, als einen Sprnng wagen, ſo
verdient dennoch des Hrn. Wolfens Arbeit, die groͤßte
Aufmerkſamkeit, indem er, wann kein Fehler in ſeinen
Schluͤßen iſt, die Needhamſche Meynung faſt erweiſet, und
an ſtatt aller andern, das neue Gewaͤchſe oder Thier| bil-
dende Kraͤfte bloß eine gewiſſe Bewegung zum einzigen
Werkzeuge macht, die bey ihm Vis eſſentialis heiſt, und
die er nicht weiter beſtimmt, von der Seele aber allerdings
trennet. Er faͤngt bey den Kraͤutern, als den einfachen
Geſchoͤpfen an. Jm Anfange, ſagt er, iſt in dem Blatte
nichts als eine Menge Blaͤschens und in der noch jungen
Wurzel entweder eben der Bau, oder auch gar nur ein
durchſichtiges Weſen zu erkennen, ohne daß man dabey ein
Gefaͤße erblicke. Dieſer Satz iſt dem Hrn. W. ſehr an-
gelegen, indem er hauptſaͤchlich zu beweiſen trachtet, die
Gefaͤße ſeyn in dieſem Zuſtande der Pflanze nicht zu klein
oder zu durchſichtig, ſondern gar nicht vorhanden gewe-
ſen. Deswegen fuͤhrt er auch die Erfahrung an, daß
man in einem jungen Blatte mit einer Nadel die Geſtalt
der Blaͤschen veraͤndern, ein ganzes Blaͤschen von einer
Stelle zur andern ſchieben, zwey Blaͤschen zuſammen in
eines druͤcken, und hernach wieder trennen; endlich aber
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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/158>, abgerufen am 05.12.2023.
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