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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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6. Kap. Von der Conception.
fange zu der ganzen Reihe von Veränderungen
gelegt wurde, bishero lauter Blätter, die sich alle
einander ähnlich waren, herfür gebracht wurden;
so frägt sich hier wiederum, was ist nun die Fruk-
tification, die so sehr von den bisherigen Blättern
verschieden aussieht? Auch in dieser Absicht, und
aus diesem Gesichtspunkte, müssen wir die Frukti-
fication kennen lernen. Jch habe aber in dem
Vorhergehenden gesagt, ihre Theile seyn weiter
nichts als modificirte oder veränderte Blätter.
Jch will die Gründe, wodurch dieses sehr klar
wird, kurz noch einmal anführen. Der Kelch ist
der erste Theil der Fruktisication; dieser ist bey
der Sonnenblume weiter nichts als eine Anzahl
dicht zusammen gehäufter kleinerer Blätter, als
die vorhergehenden gewöhnlichen sind. Bey den
Grasen besteht er gemeiniglich aus zwey Blättern,
die kürzer sind, da die vorhergehenden ungleich
länger waren. Die Blumenblätter sind wieder-
um nichts anders; die Grase beweisen dieses.
Dieser ihre Blume ist vom Kelch nicht im gering-
sten unterschieden; sie ist also von den vorherge-
henden gewöhnlichen großen Blättern eben so, und
nicht anders verschieden, als der Kelch von ihnen
verschieden ist. Sollte ihnen die Farbe der Blu-
me anstößig seyn, so sehen Sie nur auf die Sta-
tice. Diese hat viel Kelche, der unterste ist blaß
und ohne Farbe, die folgenden fallen allmählich
immer mehr und mehr ins röthliche; der oberste,
welcher nunmehro die Blume selbst ist, denn es
gibt keine andere, und sie hat auch alle Eigen-

schaften
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6. Kap. Von der Conception.
fange zu der ganzen Reihe von Veraͤnderungen
gelegt wurde, bishero lauter Blaͤtter, die ſich alle
einander aͤhnlich waren, herfuͤr gebracht wurden;
ſo fraͤgt ſich hier wiederum, was iſt nun die Fruk-
tification, die ſo ſehr von den bisherigen Blaͤttern
verſchieden ausſieht? Auch in dieſer Abſicht, und
aus dieſem Geſichtspunkte, muͤſſen wir die Frukti-
fication kennen lernen. Jch habe aber in dem
Vorhergehenden geſagt, ihre Theile ſeyn weiter
nichts als modificirte oder veraͤnderte Blaͤtter.
Jch will die Gruͤnde, wodurch dieſes ſehr klar
wird, kurz noch einmal anfuͤhren. Der Kelch iſt
der erſte Theil der Fruktiſication; dieſer iſt bey
der Sonnenblume weiter nichts als eine Anzahl
dicht zuſammen gehaͤufter kleinerer Blaͤtter, als
die vorhergehenden gewoͤhnlichen ſind. Bey den
Graſen beſteht er gemeiniglich aus zwey Blaͤttern,
die kuͤrzer ſind, da die vorhergehenden ungleich
laͤnger waren. Die Blumenblaͤtter ſind wieder-
um nichts anders; die Graſe beweiſen dieſes.
Dieſer ihre Blume iſt vom Kelch nicht im gering-
ſten unterſchieden; ſie iſt alſo von den vorherge-
henden gewoͤhnlichen großen Blaͤttern eben ſo, und
nicht anders verſchieden, als der Kelch von ihnen
verſchieden iſt. Sollte ihnen die Farbe der Blu-
me anſtoͤßig ſeyn, ſo ſehen Sie nur auf die Sta-
tice. Dieſe hat viel Kelche, der unterſte iſt blaß
und ohne Farbe, die folgenden fallen allmaͤhlich
immer mehr und mehr ins roͤthliche; der oberſte,
welcher nunmehro die Blume ſelbſt iſt, denn es
gibt keine andere, und ſie hat auch alle Eigen-

ſchaften
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[229/0251] 6. Kap. Von der Conception. fange zu der ganzen Reihe von Veraͤnderungen gelegt wurde, bishero lauter Blaͤtter, die ſich alle einander aͤhnlich waren, herfuͤr gebracht wurden; ſo fraͤgt ſich hier wiederum, was iſt nun die Fruk- tification, die ſo ſehr von den bisherigen Blaͤttern verſchieden ausſieht? Auch in dieſer Abſicht, und aus dieſem Geſichtspunkte, muͤſſen wir die Frukti- fication kennen lernen. Jch habe aber in dem Vorhergehenden geſagt, ihre Theile ſeyn weiter nichts als modificirte oder veraͤnderte Blaͤtter. Jch will die Gruͤnde, wodurch dieſes ſehr klar wird, kurz noch einmal anfuͤhren. Der Kelch iſt der erſte Theil der Fruktiſication; dieſer iſt bey der Sonnenblume weiter nichts als eine Anzahl dicht zuſammen gehaͤufter kleinerer Blaͤtter, als die vorhergehenden gewoͤhnlichen ſind. Bey den Graſen beſteht er gemeiniglich aus zwey Blaͤttern, die kuͤrzer ſind, da die vorhergehenden ungleich laͤnger waren. Die Blumenblaͤtter ſind wieder- um nichts anders; die Graſe beweiſen dieſes. Dieſer ihre Blume iſt vom Kelch nicht im gering- ſten unterſchieden; ſie iſt alſo von den vorherge- henden gewoͤhnlichen großen Blaͤttern eben ſo, und nicht anders verſchieden, als der Kelch von ihnen verſchieden iſt. Sollte ihnen die Farbe der Blu- me anſtoͤßig ſeyn, ſo ſehen Sie nur auf die Sta- tice. Dieſe hat viel Kelche, der unterſte iſt blaß und ohne Farbe, die folgenden fallen allmaͤhlich immer mehr und mehr ins roͤthliche; der oberſte, welcher nunmehro die Blume ſelbſt iſt, denn es gibt keine andere, und ſie hat auch alle Eigen- ſchaften P 3

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/251>, abgerufen am 25.04.2024.