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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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und den Verträgen überhaupt.
das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun-
gen worden, nicht geleistet werden. Wenn
jemand aus Furcht, die ihm ein ande-
rer eingejagt hat, bewogen, einem,
der nichts davon weiß, etwas ver-
spricht, so ist das Versprechen gültig;

denn weil der, dem etwas versprochen wird,
nicht davon urtheilen darf, warum man ihm
etwas verspricht (§. 78.); so ist kein Grund
vorhanden, warum dasjenige, was zwischen
diesen beyden gehandelt worden, nicht beste-
hen sollte (§. 378. 389.). Allein weil der,
welcher die Furcht eingejagt hat,

schuld daran ist, warum man versprochen
hat, was man sonst nicht würde versprochen
haben, folglich den Versprecher vorsätzlich in
Schaden gebracht (§. 17.); so ist er ver-
bunden demselben den Schaden zu er-
setzen (§. 270.). Wofern
aber jemand
uns durch einen andern eine Furcht
einjagt, daß wir ihm etwas verspre-
chen;
da es solcher gestalt eben so viel ist, als
ob er das Versprechen selbst mit Gewalt er-
zwungen hätte; so ist das Versprechen
ungültig.
Und weil der, welchem et-
was versprochen wird, weiß, daß der
Versprecher aus Furcht, die ihm von
dem andern eingejagt worden, es ver-
spricht; so soll er das Versprechen
nicht annehmen;
indem das Annehmen
der Verbindlichkeit wiederspricht, den Scha-
den von andern abzuwenden (§. 269.); folg-

lich
Q 4

und den Vertraͤgen uͤberhaupt.
das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun-
gen worden, nicht geleiſtet werden. Wenn
jemand aus Furcht, die ihm ein ande-
rer eingejagt hat, bewogen, einem,
der nichts davon weiß, etwas ver-
ſpricht, ſo iſt das Verſprechen guͤltig;

denn weil der, dem etwas verſprochen wird,
nicht davon urtheilen darf, warum man ihm
etwas verſpricht (§. 78.); ſo iſt kein Grund
vorhanden, warum dasjenige, was zwiſchen
dieſen beyden gehandelt worden, nicht beſte-
hen ſollte (§. 378. 389.). Allein weil der,
welcher die Furcht eingejagt hat,

ſchuld daran iſt, warum man verſprochen
hat, was man ſonſt nicht wuͤrde verſprochen
haben, folglich den Verſprecher vorſaͤtzlich in
Schaden gebracht (§. 17.); ſo iſt er ver-
bunden demſelben den Schaden zu er-
ſetzen (§. 270.). Wofern
aber jemand
uns durch einen andern eine Furcht
einjagt, daß wir ihm etwas verſpre-
chen;
da es ſolcher geſtalt eben ſo viel iſt, als
ob er das Verſprechen ſelbſt mit Gewalt er-
zwungen haͤtte; ſo iſt das Verſprechen
unguͤltig.
Und weil der, welchem et-
was verſprochen wird, weiß, daß der
Verſprecher aus Furcht, die ihm von
dem andern eingejagt worden, es ver-
ſpricht; ſo ſoll er das Verſprechen
nicht annehmen;
indem das Annehmen
der Verbindlichkeit wiederſpricht, den Scha-
den von andern abzuwenden (§. 269.); folg-

lich
Q 4
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[247/0283] und den Vertraͤgen uͤberhaupt. das mit Gewalt oder durch Furcht erzwun- gen worden, nicht geleiſtet werden. Wenn jemand aus Furcht, die ihm ein ande- rer eingejagt hat, bewogen, einem, der nichts davon weiß, etwas ver- ſpricht, ſo iſt das Verſprechen guͤltig; denn weil der, dem etwas verſprochen wird, nicht davon urtheilen darf, warum man ihm etwas verſpricht (§. 78.); ſo iſt kein Grund vorhanden, warum dasjenige, was zwiſchen dieſen beyden gehandelt worden, nicht beſte- hen ſollte (§. 378. 389.). Allein weil der, welcher die Furcht eingejagt hat, ſchuld daran iſt, warum man verſprochen hat, was man ſonſt nicht wuͤrde verſprochen haben, folglich den Verſprecher vorſaͤtzlich in Schaden gebracht (§. 17.); ſo iſt er ver- bunden demſelben den Schaden zu er- ſetzen (§. 270.). Wofern aber jemand uns durch einen andern eine Furcht einjagt, daß wir ihm etwas verſpre- chen; da es ſolcher geſtalt eben ſo viel iſt, als ob er das Verſprechen ſelbſt mit Gewalt er- zwungen haͤtte; ſo iſt das Verſprechen unguͤltig. Und weil der, welchem et- was verſprochen wird, weiß, daß der Verſprecher aus Furcht, die ihm von dem andern eingejagt worden, es ver- ſpricht; ſo ſoll er das Verſprechen nicht annehmen; indem das Annehmen der Verbindlichkeit wiederſpricht, den Scha- den von andern abzuwenden (§. 269.); folg- lich Q 4

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/283>, abgerufen am 30.04.2024.