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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Abend.
Seine Reise beginnt, und auf schnell pfeifendem Fittig
Zum einheimischen Teich die Ente wieder zurückkehrt.
Und zum letztenmal blickt die Abschiednehmende Sonne
Ueber die Flur; sie zittert, und sinkt! Nun ist sie ver-
schwunden,

Plötzlich verschwunden! -- Zwar sterbende Farben ver-
weilen noch etwas

Ueber der dämmernden Welt; doch nimmt das Abend-
roth endlich

Seine Standarte hinweg, und steckt die nächtliche
Fahne

An die Zinne des Himmels; sie wirft den dichteren
Schatten

Ueber die ganze Natur; es sinkt der verhüllende Vor-
hang,

Und das bunte Theater des Tags verändert sich plötzlich
Jn viel blässere Scenen, viel tiefer und dunkler schat-
tiret.

Jn der bevölkerten Stadt ist alles in Eil und in
Aufruhr.

Wagen auf Wagen rollen heraus mit donnernden Rä-
dern

Ueber die rasselnden Brücken, die unter dem Donner
erbeben.

Wolken von Menschen dringen herein; ein buntes Ge-
wimmel

Wallet

Der Abend.
Seine Reiſe beginnt, und auf ſchnell pfeifendem Fittig
Zum einheimiſchen Teich die Ente wieder zuruͤckkehrt.
Und zum letztenmal blickt die Abſchiednehmende Sonne
Ueber die Flur; ſie zittert, und ſinkt! Nun iſt ſie ver-
ſchwunden,

Ploͤtzlich verſchwunden! — Zwar ſterbende Farben ver-
weilen noch etwas

Ueber der daͤmmernden Welt; doch nimmt das Abend-
roth endlich

Seine Standarte hinweg, und ſteckt die naͤchtliche
Fahne

An die Zinne des Himmels; ſie wirft den dichteren
Schatten

Ueber die ganze Natur; es ſinkt der verhuͤllende Vor-
hang,

Und das bunte Theater des Tags veraͤndert ſich ploͤtzlich
Jn viel blaͤſſere Scenen, viel tiefer und dunkler ſchat-
tiret.

Jn der bevoͤlkerten Stadt iſt alles in Eil und in
Aufruhr.

Wagen auf Wagen rollen heraus mit donnernden Raͤ-
dern

Ueber die raſſelnden Bruͤcken, die unter dem Donner
erbeben.

Wolken von Menſchen dringen herein; ein buntes Ge-
wimmel

Wallet
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[106/0114] Der Abend. Seine Reiſe beginnt, und auf ſchnell pfeifendem Fittig Zum einheimiſchen Teich die Ente wieder zuruͤckkehrt. Und zum letztenmal blickt die Abſchiednehmende Sonne Ueber die Flur; ſie zittert, und ſinkt! Nun iſt ſie ver- ſchwunden, Ploͤtzlich verſchwunden! — Zwar ſterbende Farben ver- weilen noch etwas Ueber der daͤmmernden Welt; doch nimmt das Abend- roth endlich Seine Standarte hinweg, und ſteckt die naͤchtliche Fahne An die Zinne des Himmels; ſie wirft den dichteren Schatten Ueber die ganze Natur; es ſinkt der verhuͤllende Vor- hang, Und das bunte Theater des Tags veraͤndert ſich ploͤtzlich Jn viel blaͤſſere Scenen, viel tiefer und dunkler ſchat- tiret. Jn der bevoͤlkerten Stadt iſt alles in Eil und in Aufruhr. Wagen auf Wagen rollen heraus mit donnernden Raͤ- dern Ueber die raſſelnden Bruͤcken, die unter dem Donner erbeben. Wolken von Menſchen dringen herein; ein buntes Ge- wimmel Wallet

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/114>, abgerufen am 27.04.2024.