Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Abend.
Ernst steht in des Alterthums Pracht, das einsame
Kloster

Jn der Wälder verborgenem Schoos; und Birken und
Linden

Lassen es fern vom Geräusch in ihren Umarmungen ru-
hen.

Und mich dünkt, es winket dir zu. Ein heiliger
Schauer,

Welcher mich mächtig ergreift, führt mich mit zaubern-
der Kraft fort

Jn den geweihten Bezirk, zur Andacht heiligen Woh-
nung.

Folge dem inneren Ruf, und geh in einsamen Gängen
An den Teichen umher, in süssem Tiefsinn versunken;
Wo mit zackigtem Zweig, der melancholsche Wacholder,
Nach dem weiblichen Baum sich mahlrisch traurig her-
abneigt;

Oder sind dir Gedanken von ernsterer Art nicht zuwi-
der;

So geh unter das prachtlose Dach, und athme begierig
Jn den Gängen die Klosterluft ein, die öfters der Seele
Heilsamer ist, als keuchender Brust die reinere Land-
luft,

Wenn uns ein schleichendes Gift die tobenden Adern
entzündet.

Hier

Der Abend.
Ernſt ſteht in des Alterthums Pracht, das einſame
Kloſter

Jn der Waͤlder verborgenem Schoos; und Birken und
Linden

Laſſen es fern vom Geraͤuſch in ihren Umarmungen ru-
hen.

Und mich duͤnkt, es winket dir zu. Ein heiliger
Schauer,

Welcher mich maͤchtig ergreift, fuͤhrt mich mit zaubern-
der Kraft fort

Jn den geweihten Bezirk, zur Andacht heiligen Woh-
nung.

Folge dem inneren Ruf, und geh in einſamen Gaͤngen
An den Teichen umher, in ſuͤſſem Tiefſinn verſunken;
Wo mit zackigtem Zweig, der melancholſche Wacholder,
Nach dem weiblichen Baum ſich mahlriſch traurig her-
abneigt;

Oder ſind dir Gedanken von ernſterer Art nicht zuwi-
der;

So geh unter das prachtloſe Dach, und athme begierig
Jn den Gaͤngen die Kloſterluft ein, die oͤfters der Seele
Heilſamer iſt, als keuchender Bruſt die reinere Land-
luft,

Wenn uns ein ſchleichendes Gift die tobenden Adern
entzuͤndet.

Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0116" n="108"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Abend.</hi> </fw><lb/>
          <l>Ern&#x017F;t &#x017F;teht in des Alterthums Pracht, das ein&#x017F;ame<lb/><hi rendition="#et">Klo&#x017F;ter</hi></l><lb/>
          <l>Jn der Wa&#x0364;lder verborgenem Schoos; und Birken und<lb/><hi rendition="#et">Linden</hi></l><lb/>
          <l>La&#x017F;&#x017F;en es fern vom Gera&#x0364;u&#x017F;ch in ihren Umarmungen ru-<lb/><hi rendition="#et">hen.</hi></l><lb/>
          <l>Und mich du&#x0364;nkt, es winket dir zu. Ein heiliger<lb/><hi rendition="#et">Schauer,</hi></l><lb/>
          <l>Welcher mich ma&#x0364;chtig ergreift, fu&#x0364;hrt mich mit zaubern-<lb/><hi rendition="#et">der Kraft fort</hi></l><lb/>
          <l>Jn den geweihten Bezirk, zur Andacht heiligen Woh-<lb/><hi rendition="#et">nung.</hi></l><lb/>
          <l>Folge dem inneren Ruf, und geh in ein&#x017F;amen Ga&#x0364;ngen</l><lb/>
          <l>An den Teichen umher, in &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;em Tief&#x017F;inn ver&#x017F;unken;</l><lb/>
          <l>Wo mit zackigtem Zweig, der melanchol&#x017F;che Wacholder,</l><lb/>
          <l>Nach dem weiblichen Baum &#x017F;ich mahlri&#x017F;ch traurig her-<lb/><hi rendition="#et">abneigt;</hi></l><lb/>
          <l>Oder &#x017F;ind dir Gedanken von ern&#x017F;terer Art nicht zuwi-<lb/><hi rendition="#et">der;</hi></l><lb/>
          <l>So geh unter das prachtlo&#x017F;e Dach, und athme begierig</l><lb/>
          <l>Jn den Ga&#x0364;ngen die Klo&#x017F;terluft ein, die o&#x0364;fters der Seele</l><lb/>
          <l>Heil&#x017F;amer i&#x017F;t, als keuchender Bru&#x017F;t die reinere Land-<lb/><hi rendition="#et">luft,</hi></l><lb/>
          <l>Wenn uns ein &#x017F;chleichendes Gift die tobenden Adern<lb/><hi rendition="#et">entzu&#x0364;ndet.</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0116] Der Abend. Ernſt ſteht in des Alterthums Pracht, das einſame Kloſter Jn der Waͤlder verborgenem Schoos; und Birken und Linden Laſſen es fern vom Geraͤuſch in ihren Umarmungen ru- hen. Und mich duͤnkt, es winket dir zu. Ein heiliger Schauer, Welcher mich maͤchtig ergreift, fuͤhrt mich mit zaubern- der Kraft fort Jn den geweihten Bezirk, zur Andacht heiligen Woh- nung. Folge dem inneren Ruf, und geh in einſamen Gaͤngen An den Teichen umher, in ſuͤſſem Tiefſinn verſunken; Wo mit zackigtem Zweig, der melancholſche Wacholder, Nach dem weiblichen Baum ſich mahlriſch traurig her- abneigt; Oder ſind dir Gedanken von ernſterer Art nicht zuwi- der; So geh unter das prachtloſe Dach, und athme begierig Jn den Gaͤngen die Kloſterluft ein, die oͤfters der Seele Heilſamer iſt, als keuchender Bruſt die reinere Land- luft, Wenn uns ein ſchleichendes Gift die tobenden Adern entzuͤndet. Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/116
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/116>, abgerufen am 27.04.2024.