Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mittag.
Von Arkadischen Schäfern, von süssen Platonischen
Nymphen;

Und sie Wollust mit Tugend vereint, und Stutzer mit
Treue.

Alsdann überläßt sie sich ganz den sreyen Gedanken,
Welche nun wild durch alle Gebiete der Einbildung
schwärmen.

Jn dem öden Gemach, vom grünen sichernden Vor-
hang

Melancholisch verhüllt, herrscht eine vertrauliche Stille.
O! wenn dann ihr kühner Amant den Eintritt gefunden,
Und sie zu viel im erdichteten Schlaf dem Jüngling ge-
trauet:

Dann ist oft mit eilenden Flügeln, und weinenden Au-
gen

Die beleidigte Keuschheit von ihr auf ewig entwichen!

Wenn der Mittag nun bald die höhern Bezirke
verlassen,

Und dem kühleren Abend sich naht: dann dampft die
Levante

Ueber dem Caffeetisch auf; die Göttin der leeren Ge-
bräuche

Herrschet nunmehr. Das schimmernde Kleid, der
rauschende Reifrock

Füllt nun Sänften oder Carossen. Mit tiefer Ver-
stellung

Eilt

Der Mittag.
Von Arkadiſchen Schaͤfern, von ſuͤſſen Platoniſchen
Nymphen;

Und ſie Wolluſt mit Tugend vereint, und Stutzer mit
Treue.

Alsdann uͤberlaͤßt ſie ſich ganz den ſreyen Gedanken,
Welche nun wild durch alle Gebiete der Einbildung
ſchwaͤrmen.

Jn dem oͤden Gemach, vom gruͤnen ſichernden Vor-
hang

Melancholiſch verhuͤllt, herrſcht eine vertrauliche Stille.
O! wenn dann ihr kuͤhner Amant den Eintritt gefunden,
Und ſie zu viel im erdichteten Schlaf dem Juͤngling ge-
trauet:

Dann iſt oft mit eilenden Fluͤgeln, und weinenden Au-
gen

Die beleidigte Keuſchheit von ihr auf ewig entwichen!

Wenn der Mittag nun bald die hoͤhern Bezirke
verlaſſen,

Und dem kuͤhleren Abend ſich naht: dann dampft die
Levante

Ueber dem Caffeetiſch auf; die Goͤttin der leeren Ge-
braͤuche

Herrſchet nunmehr. Das ſchimmernde Kleid, der
rauſchende Reifrock

Fuͤllt nun Saͤnften oder Caroſſen. Mit tiefer Ver-
ſtellung

Eilt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0085" n="77"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Mittag.</hi> </fw><lb/>
          <l>Von Arkadi&#x017F;chen Scha&#x0364;fern, von &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Platoni&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#et">Nymphen;</hi></l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ie Wollu&#x017F;t mit Tugend vereint, und Stutzer mit<lb/><hi rendition="#et">Treue.</hi></l><lb/>
          <l>Alsdann u&#x0364;berla&#x0364;ßt &#x017F;ie &#x017F;ich ganz den &#x017F;reyen Gedanken,</l><lb/>
          <l>Welche nun wild durch alle Gebiete der Einbildung<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwa&#x0364;rmen.</hi></l><lb/>
          <l>Jn dem o&#x0364;den Gemach, vom gru&#x0364;nen &#x017F;ichernden Vor-<lb/><hi rendition="#et">hang</hi></l><lb/>
          <l>Melancholi&#x017F;ch verhu&#x0364;llt, herr&#x017F;cht eine vertrauliche Stille.</l><lb/>
          <l>O! wenn dann ihr ku&#x0364;hner Amant den Eintritt gefunden,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ie zu viel im erdichteten Schlaf dem Ju&#x0364;ngling ge-<lb/><hi rendition="#et">trauet:</hi></l><lb/>
          <l>Dann i&#x017F;t oft mit eilenden Flu&#x0364;geln, und weinenden Au-<lb/><hi rendition="#et">gen</hi></l><lb/>
          <l>Die beleidigte Keu&#x017F;chheit von ihr auf ewig entwichen!</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Wenn der Mittag nun bald die ho&#x0364;hern Bezirke<lb/><hi rendition="#et">verla&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Und dem ku&#x0364;hleren Abend &#x017F;ich naht: dann dampft die<lb/><hi rendition="#et">Levante</hi></l><lb/>
          <l>Ueber dem Caffeeti&#x017F;ch auf; die Go&#x0364;ttin der leeren Ge-<lb/><hi rendition="#et">bra&#x0364;uche</hi></l><lb/>
          <l>Herr&#x017F;chet nunmehr. Das &#x017F;chimmernde Kleid, der<lb/><hi rendition="#et">rau&#x017F;chende Reifrock</hi></l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;llt nun Sa&#x0364;nften oder Caro&#x017F;&#x017F;en. Mit tiefer Ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tellung</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Eilt</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] Der Mittag. Von Arkadiſchen Schaͤfern, von ſuͤſſen Platoniſchen Nymphen; Und ſie Wolluſt mit Tugend vereint, und Stutzer mit Treue. Alsdann uͤberlaͤßt ſie ſich ganz den ſreyen Gedanken, Welche nun wild durch alle Gebiete der Einbildung ſchwaͤrmen. Jn dem oͤden Gemach, vom gruͤnen ſichernden Vor- hang Melancholiſch verhuͤllt, herrſcht eine vertrauliche Stille. O! wenn dann ihr kuͤhner Amant den Eintritt gefunden, Und ſie zu viel im erdichteten Schlaf dem Juͤngling ge- trauet: Dann iſt oft mit eilenden Fluͤgeln, und weinenden Au- gen Die beleidigte Keuſchheit von ihr auf ewig entwichen! Wenn der Mittag nun bald die hoͤhern Bezirke verlaſſen, Und dem kuͤhleren Abend ſich naht: dann dampft die Levante Ueber dem Caffeetiſch auf; die Goͤttin der leeren Ge- braͤuche Herrſchet nunmehr. Das ſchimmernde Kleid, der rauſchende Reifrock Fuͤllt nun Saͤnften oder Caroſſen. Mit tiefer Ver- ſtellung Eilt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/85
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/85>, abgerufen am 05.05.2024.