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Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658.

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Die LXXXVIII. Frag.
selben ermahnen/ warnen/ unterweisen/ straffen;
jedoch also/ daß wir zuvor uns selbsten besichtigen/ ob
wir nicht auch dergleichen verschuldet: Und soll al-
les ohne Hadern und Verspotten/ mit Lindigkeit/
von andern Leuten abgesondert/ und füglicher unter
einer andern/ offt auch mit Anziehung seiner eigenen
Person/ was nemlich einem selbst vor diesem begeg-
net/ geschehen. Es kan auch vor der Ermahnung
der Freund in etwas mässig gelobt werden. Dann/
wie ein Eisen erstlich durch das Feuer gedehnet/ und
weich/ hernach wann mans ins kalte Wasser thut/
dick und hart gemacht wird: Also wird auch gegen
den Freunden/ nachdem ihre Gemüter/ durch das
Lob erwärmet/ und weich worden/ allgemach/
gleichsamb an statt der Eintauchung/ die Freyheit
der Vermahnungen/ und Straffen gebraucht.
Wann aber der Freund keine Vermahnung an-
nimbt/ so kan man ein wenig verziehen/ hernach aber
damit wieder fortfahren: Und wann auch derge-
stalt nichts bey ihm außzurichten/ so mag man seiner
müssig gehen/ jedoch nicht auff einmal/ sondern
nach und nach; es seye dann/ daß so ein grosser Wi-
derwill entstanden/ oder einem ein unleidentliche
schmach angethan worden; oder der geweste Freund
gantz von seiner vorigen Tugend gewichen/ auß ei-
nem Christen/ ein Türck oder Heyd worden; deme
hernach gleichwol/ wann es nicht wider GOtt/ und
Gewissen lauffet/ für einem Frembden/ und Vnbe-
kandten/ etwas zu Dienst und Gefallen kan gethan

werden:

Die LXXXVIII. Frag.
ſelben ermahnen/ warnen/ unterweiſen/ ſtraffen;
jedoch alſo/ daß wir zuvor uns ſelbſten beſichtigen/ ob
wir nicht auch dergleichen verſchuldet: Und ſoll al-
les ohne Hadern und Verſpotten/ mit Lindigkeit/
von andern Leuten abgeſondert/ und fuͤglicher unter
einer andern/ offt auch mit Anziehung ſeiner eigenen
Perſon/ was nemlich einem ſelbſt vor dieſem begeg-
net/ geſchehen. Es kan auch vor der Ermahnung
der Freund in etwas maͤſſig gelobt werden. Dann/
wie ein Eiſen erſtlich durch das Feuer gedehnet/ und
weich/ hernach wann mans ins kalte Waſſer thut/
dick und hart gemacht wird: Alſo wird auch gegen
den Freunden/ nachdem ihre Gemuͤter/ durch das
Lob erwaͤrmet/ und weich worden/ allgemach/
gleichſamb an ſtatt der Eintauchung/ die Freyheit
der Vermahnungen/ und Straffen gebraucht.
Wann aber der Freund keine Vermahnung an-
nimbt/ ſo kan man ein wenig verziehen/ hernach aber
damit wieder fortfahren: Und wann auch derge-
ſtalt nichts bey ihm außzurichten/ ſo mag man ſeiner
muͤſſig gehen/ jedoch nicht auff einmal/ ſondern
nach und nach; es ſeye dann/ daß ſo ein groſſer Wi-
derwill entſtanden/ oder einem ein unleidentliche
ſchmach angethan worden; oder der geweſte Freund
gantz von ſeiner vorigen Tugend gewichen/ auß ei-
nem Chriſten/ ein Tuͤrck oder Heyd worden; deme
hernach gleichwol/ wann es nicht wider GOtt/ und
Gewiſſen lauffet/ fuͤr einem Frembden/ und Vnbe-
kandten/ etwas zu Dienſt und Gefallen kan gethan

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[330/0346] Die LXXXVIII. Frag. ſelben ermahnen/ warnen/ unterweiſen/ ſtraffen; jedoch alſo/ daß wir zuvor uns ſelbſten beſichtigen/ ob wir nicht auch dergleichen verſchuldet: Und ſoll al- les ohne Hadern und Verſpotten/ mit Lindigkeit/ von andern Leuten abgeſondert/ und fuͤglicher unter einer andern/ offt auch mit Anziehung ſeiner eigenen Perſon/ was nemlich einem ſelbſt vor dieſem begeg- net/ geſchehen. Es kan auch vor der Ermahnung der Freund in etwas maͤſſig gelobt werden. Dann/ wie ein Eiſen erſtlich durch das Feuer gedehnet/ und weich/ hernach wann mans ins kalte Waſſer thut/ dick und hart gemacht wird: Alſo wird auch gegen den Freunden/ nachdem ihre Gemuͤter/ durch das Lob erwaͤrmet/ und weich worden/ allgemach/ gleichſamb an ſtatt der Eintauchung/ die Freyheit der Vermahnungen/ und Straffen gebraucht. Wann aber der Freund keine Vermahnung an- nimbt/ ſo kan man ein wenig verziehen/ hernach aber damit wieder fortfahren: Und wann auch derge- ſtalt nichts bey ihm außzurichten/ ſo mag man ſeiner muͤſſig gehen/ jedoch nicht auff einmal/ ſondern nach und nach; es ſeye dann/ daß ſo ein groſſer Wi- derwill entſtanden/ oder einem ein unleidentliche ſchmach angethan worden; oder der geweſte Freund gantz von ſeiner vorigen Tugend gewichen/ auß ei- nem Chriſten/ ein Tuͤrck oder Heyd worden; deme hernach gleichwol/ wann es nicht wider GOtt/ und Gewiſſen lauffet/ fuͤr einem Frembden/ und Vnbe- kandten/ etwas zu Dienſt und Gefallen kan gethan werden:

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/346>, abgerufen am 29.03.2024.