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Zeiller, Martin: Centvria III. Variarvm Quæstionvm. Bd. 3. Ulm, 1659.

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Die 84. Frag/ des 3. Hundert.
ist/ und daher man von einem solchen zu sagen
pflegt/ er ist ein redlicher alter Teutscher/ der nichts
vom verbottenen simuliren/ und dissimuliren/ oder
anders reden/ und anders im Hertzen gesinnet
seyn/ weist; sondern offens Hertzens ist/ was Er
verspricht/ auch helt/ und sich/ durch keine Betro-
hungen/ und Pein/ von der Warheit abschreken
last; und der die Schandlosigkeit für ein größers
Übel/ als den Tod selbsten: hergegen einen gueten
Nahmen höher/ als alle Schätz/ und Reichtum
helt/ und sein Gewißen stäts in acht nimmt; nicht
achtet/ was andere etwan von seinem Thun/ und
Laßen reden; sondern stäts deßen ingedenck ist/
was man zu sagen pflegt:

Man hüte sich vor der That/
Der Lügen wird wol rath.

Dann einen gueten Nahmen behalten/ und
denselben auch nach dem Tod verlaßen/ ligt zum
theil in unserem/ zum theil auch nicht in unserem
Gewalt. Jn unserem Gewalt ist Er/ wann wir
recht handlen/ und thun. Dann das recht thun ist
der Grund/ und die Ursach eines guten Gerüchts/
oder Nahmens. Jn unserem Gewalt aber ist sol-
cher nicht/ sovil das Guetheißen/ was wir thun/
anbelangt. Dann wie ein Mahler nicht verhüe-
ten kan/ daß nicht von seinem Kunststücke unter-
schidliche Urtheil ergehen/ und ein übelsehender
etwas an den Farben tadelt: Also stehet es auch
nicht bey Uns/ was ein Jeder von Uns redet/ das-

selbe
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Die 84. Frag/ des 3. Hundert.
iſt/ und daher man von einem ſolchen zu ſagen
pflegt/ er iſt ein redlicheꝛ alter Teutſcher/ der nichts
vom verbottenen ſimuliren/ und diſſimuliren/ oder
anders reden/ und anders im Hertzen geſinnet
ſeyn/ weiſt; ſondern offens Hertzens iſt/ was Er
verſpricht/ auch helt/ und ſich/ durch keine Betro-
hungen/ und Pein/ von der Warheit abſchreken
laſt; und der die Schandloſigkeit fuͤr ein groͤßers
Übel/ als den Tod ſelbſten: hergegen einen gueten
Nahmen hoͤher/ als alle Schaͤtz/ und Reichtum
helt/ und ſein Gewißen ſtaͤts in acht nimmt; nicht
achtet/ was andere etwan von ſeinem Thun/ und
Laßen reden; ſondern ſtaͤts deßen ingedenck iſt/
was man zu ſagen pflegt:

Man huͤte ſich vor der That/
Der Lügen wird wol rath.

Dann einen gueten Nahmen behalten/ und
denſelben auch nach dem Tod verlaßen/ ligt zum
theil in unſerem/ zum theil auch nicht in unſerem
Gewalt. Jn unſerem Gewalt iſt Er/ wann wir
recht handlen/ und thun. Dann das recht thun iſt
der Grund/ und die Urſach eines guten Geruͤchts/
oder Nahmens. Jn unſerem Gewalt aber iſt ſol-
cher nicht/ ſovil das Guetheißen/ was wir thun/
anbelangt. Dann wie ein Mahler nicht verhuͤe-
ten kan/ daß nicht von ſeinem Kunſtſtuͤcke unter-
ſchidliche Urtheil ergehen/ und ein uͤbelſehender
etwas an den Farben tadelt: Alſo ſtehet es auch
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[421/0445] Die 84. Frag/ des 3. Hundert. iſt/ und daher man von einem ſolchen zu ſagen pflegt/ er iſt ein redlicheꝛ alter Teutſcher/ der nichts vom verbottenen ſimuliren/ und diſſimuliren/ oder anders reden/ und anders im Hertzen geſinnet ſeyn/ weiſt; ſondern offens Hertzens iſt/ was Er verſpricht/ auch helt/ und ſich/ durch keine Betro- hungen/ und Pein/ von der Warheit abſchreken laſt; und der die Schandloſigkeit fuͤr ein groͤßers Übel/ als den Tod ſelbſten: hergegen einen gueten Nahmen hoͤher/ als alle Schaͤtz/ und Reichtum helt/ und ſein Gewißen ſtaͤts in acht nimmt; nicht achtet/ was andere etwan von ſeinem Thun/ und Laßen reden; ſondern ſtaͤts deßen ingedenck iſt/ was man zu ſagen pflegt: Man huͤte ſich vor der That/ Der Lügen wird wol rath. Dann einen gueten Nahmen behalten/ und denſelben auch nach dem Tod verlaßen/ ligt zum theil in unſerem/ zum theil auch nicht in unſerem Gewalt. Jn unſerem Gewalt iſt Er/ wann wir recht handlen/ und thun. Dann das recht thun iſt der Grund/ und die Urſach eines guten Geruͤchts/ oder Nahmens. Jn unſerem Gewalt aber iſt ſol- cher nicht/ ſovil das Guetheißen/ was wir thun/ anbelangt. Dann wie ein Mahler nicht verhuͤe- ten kan/ daß nicht von ſeinem Kunſtſtuͤcke unter- ſchidliche Urtheil ergehen/ und ein uͤbelſehender etwas an den Farben tadelt: Alſo ſtehet es auch nicht bey Uns/ was ein Jeder von Uns redet/ daſ- ſelbe D d iij

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centvria III. Variarvm Quæstionvm. Bd. 3. Ulm, 1659, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria03_1659/445>, abgerufen am 24.04.2024.