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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
gezogen. Sie saß zwar in eben demselben wagen: wel-
cher von lauterem silber und golde flinkerte/ und von drei
schneeweissen Pferden gezogen ward. Aber ihr schmuk
und ihre kleidung war viel köstlicher/ als des vorigen
tages. Die demanten/ die perlen/ die rubiene/ damit sie
ihren leib gezieret/ waren unschätzbar. Die kleider von
weisser seide/ mit güldenen rosen und liljen durchwür-
ket/ gaben einen herlichen glantz von sich. Vor der brust/
welche sich mit zwee lieblichen schneehügeln erhub/ trug
sie einen busch rohter und weisser Rosen. Aller dieser
zierraht machte ihren schönen leib noch viel schöner. Und
also saß sie auf ihrem wagen anders nicht/ als eine Als-
göttin der liebe. Rund ümher lieffen die leibdiener/ auf
das zierlichste gekleidet.

Dieser ungewöhnliche schmuk der Sefira lokkete
die einwohner in allen gassen/ da sie durchhin fuhr/
vor die tühren. Die Jungfrauen im hause des schönen
Leibeigenen warden auch lüstern diese so köstlich ge-
schmükte Fürstin zu sehen. Josef hatte zwar keine lust
einige schöne Frau an zu blikken. Er flohe sie vielmehr.
Er verbarg sich vor ihren augen: damit ihr üppiger
anblik ihn nicht verunruhigte. Gleichwohl lies er sich
itzund von seinen Hausjungfrauen bereden mit vor die
tühre zu trähten. Eben kahm die Fürstin an. Eben
hielt sie vor dem Bildhauer stil. Straks lies sie die
augen auf den Josef fallen. Straks veränderte sich
ihr gantzes wesen. Die röhte ihrer wangen verblich.
Die rede ihres mundes entwich. Die bewegung aller
ihrer glieder verging. Ja es war fast nichts bewegli-
ches mehr an ihr/ als das auge. Dieses rollete im heup-
te herüm/ als eine unruhe am uhrwerke. Es schos lau-
ter flinkernde strahlen. Alle blikke waren strükke. Ein
einiger traf tausend hertzen. Ein einiger machte
tausend schmertzen. Sie lies zwar den Bildhauer
rufen mit ihm zu reden. Aber ihre rede war ver-

wür-

Der Aſſenat
gezogen. Sie ſaß zwar in eben demſelben wagen: wel-
cher von lauterem ſilber und golde flinkerte/ und von drei
ſchneeweiſſen Pferden gezogen ward. Aber ihr ſchmuk
und ihre kleidung war viel koͤſtlicher/ als des vorigen
tages. Die demanten/ die perlen/ die rubiene/ damit ſie
ihren leib gezieret/ waren unſchaͤtzbar. Die kleider von
weiſſer ſeide/ mit guͤldenen roſen und liljen durchwuͤr-
ket/ gaben einen herlichen glantz von ſich. Vor der bruſt/
welche ſich mit zwee lieblichen ſchneehuͤgeln erhub/ trug
ſie einen buſch rohter und weiſſer Roſen. Aller dieſer
zierraht machte ihren ſchoͤnen leib noch viel ſchoͤner. Und
alſo ſaß ſie auf ihrem wagen anders nicht/ als eine Als-
goͤttin der liebe. Rund uͤmher lieffen die leibdiener/ auf
das zierlichſte gekleidet.

Dieſer ungewoͤhnliche ſchmuk der Sefira lokkete
die einwohner in allen gaſſen/ da ſie durchhin fuhr/
vor die tuͤhren. Die Jungfrauen im hauſe des ſchoͤnen
Leibeigenen warden auch luͤſtern dieſe ſo koͤſtlich ge-
ſchmuͤkte Fuͤrſtin zu ſehen. Joſef hatte zwar keine luſt
einige ſchoͤne Frau an zu blikken. Er flohe ſie vielmehr.
Er verbarg ſich vor ihren augen: damit ihr uͤppiger
anblik ihn nicht verunruhigte. Gleichwohl lies er ſich
itzund von ſeinen Hausjungfrauen bereden mit vor die
tuͤhre zu traͤhten. Eben kahm die Fuͤrſtin an. Eben
hielt ſie vor dem Bildhauer ſtil. Straks lies ſie die
augen auf den Joſef fallen. Straks veraͤnderte ſich
ihr gantzes weſen. Die roͤhte ihrer wangen verblich.
Die rede ihres mundes entwich. Die bewegung aller
ihrer glieder verging. Ja es war faſt nichts bewegli-
ches mehr an ihr/ als das auge. Dieſes rollete im heup-
te heruͤm/ als eine unruhe am uhrwerke. Es ſchos lau-
ter flinkernde ſtrahlen. Alle blikke waren ſtruͤkke. Ein
einiger traf tauſend hertzen. Ein einiger machte
tauſend ſchmertzen. Sie lies zwar den Bildhauer
rufen mit ihm zu reden. Aber ihre rede war ver-

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[96/0120] Der Aſſenat gezogen. Sie ſaß zwar in eben demſelben wagen: wel- cher von lauterem ſilber und golde flinkerte/ und von drei ſchneeweiſſen Pferden gezogen ward. Aber ihr ſchmuk und ihre kleidung war viel koͤſtlicher/ als des vorigen tages. Die demanten/ die perlen/ die rubiene/ damit ſie ihren leib gezieret/ waren unſchaͤtzbar. Die kleider von weiſſer ſeide/ mit guͤldenen roſen und liljen durchwuͤr- ket/ gaben einen herlichen glantz von ſich. Vor der bruſt/ welche ſich mit zwee lieblichen ſchneehuͤgeln erhub/ trug ſie einen buſch rohter und weiſſer Roſen. Aller dieſer zierraht machte ihren ſchoͤnen leib noch viel ſchoͤner. Und alſo ſaß ſie auf ihrem wagen anders nicht/ als eine Als- goͤttin der liebe. Rund uͤmher lieffen die leibdiener/ auf das zierlichſte gekleidet. Dieſer ungewoͤhnliche ſchmuk der Sefira lokkete die einwohner in allen gaſſen/ da ſie durchhin fuhr/ vor die tuͤhren. Die Jungfrauen im hauſe des ſchoͤnen Leibeigenen warden auch luͤſtern dieſe ſo koͤſtlich ge- ſchmuͤkte Fuͤrſtin zu ſehen. Joſef hatte zwar keine luſt einige ſchoͤne Frau an zu blikken. Er flohe ſie vielmehr. Er verbarg ſich vor ihren augen: damit ihr uͤppiger anblik ihn nicht verunruhigte. Gleichwohl lies er ſich itzund von ſeinen Hausjungfrauen bereden mit vor die tuͤhre zu traͤhten. Eben kahm die Fuͤrſtin an. Eben hielt ſie vor dem Bildhauer ſtil. Straks lies ſie die augen auf den Joſef fallen. Straks veraͤnderte ſich ihr gantzes weſen. Die roͤhte ihrer wangen verblich. Die rede ihres mundes entwich. Die bewegung aller ihrer glieder verging. Ja es war faſt nichts bewegli- ches mehr an ihr/ als das auge. Dieſes rollete im heup- te heruͤm/ als eine unruhe am uhrwerke. Es ſchos lau- ter flinkernde ſtrahlen. Alle blikke waren ſtruͤkke. Ein einiger traf tauſend hertzen. Ein einiger machte tauſend ſchmertzen. Sie lies zwar den Bildhauer rufen mit ihm zu reden. Aber ihre rede war ver- wuͤr-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/120>, abgerufen am 06.05.2024.