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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
blik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einie der
lach ein strük. Techos ward auf einmahl verwundet/
gefangen/ und verstrükt. Hatte ihn Asanel verliebt
gemacht/ so machte ihn die schöne Ebreerin noch tau-
sendmahl verliebter. Und diese liebe war ihm so süße/
daß er der bitterkeit aller seiner schmertzen vergaß. Der
verdrus/ den ihm Asanel zugefüget/ war gantz ver-
schwunden. Ja er wündschte wohl tausendmahl/ daß
Asanel ihm nimmermehr ihre gegenwart gönte. Und
also zog Techos von dieser seine liebe gantz ab/ und
warf sie auf die schöne Ebreerin.

Als nun Asanel endlich hineinkahm/ da war sie
zum höchsten verwundert/ daß sie ihren Liebhaber so gar
plötzlich verandert sahe. Sie wolte sich entschuldigen/
daß sie so lange von ihm geblieben. Er aber gab zur ant-
wort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen.
Er habe sich bei der schönen Ebreerin so wohl befun-
den/ daß ihm eine stunde schnäller/ als ein augenblik/
vergangen. Asanel war froh/ daß ihr dieser listgrif so
wohl gelungen. Sie war froh/ daß sie des Techos
auf diese weise loß worden/ und zugleich seinen gefa-
sten fremden vorsatz vereitelt. Nun konte sie die lie-
be/ die sie dem Manasse zutrug/ sicherer blikken
laßen. Nun durfte sie dieselbe so gantz nicht mehr ver-
bergen.

Manasse kahm des andern morgens seiner Asanel
aufzuwarten/ und zugleich aus ihrem munde zu ver-
nehmen/ ob die schöne Ebreerin daß Wild/ in ihrem
gehäge/ gefangen. Seine erste worte/ nach erwiesenen
höfligkeiten/ waren: wie ist gestern der fang gelungen?
Seind der Ebreerin pfleile auch mächtig genug gewe-
sen den Hirsch zu fällen? Asanel antwortete: die schöne
Ebreerin
hat ihr meisterstükke in der jagt dermaßen
erwiesen/ daß sie billich eine Jagt- und Liebe-göttin zu
nennen. Ihr pfeil wuste sie so behände und so gerade zu

schies-

Der Aſſenat
blik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einie der
lach ein ſtruͤk. Techos ward auf einmahl verwundet/
gefangen/ und verſtruͤkt. Hatte ihn Aſanel verliebt
gemacht/ ſo machte ihn die ſchoͤne Ebreerin noch tau-
ſendmahl verliebter. Und dieſe liebe war ihm ſo ſuͤße/
daß er der bitterkeit aller ſeiner ſchmertzen vergaß. Der
verdrus/ den ihm Aſanel zugefuͤget/ war gantz ver-
ſchwunden. Ja er wuͤndſchte wohl tauſendmahl/ daß
Aſanel ihm nimmermehr ihre gegenwart goͤnte. Und
alſo zog Techos von dieſer ſeine liebe gantz ab/ und
warf ſie auf die ſchoͤne Ebreerin.

Als nun Aſanel endlich hineinkahm/ da war ſie
zum hoͤchſten verwundert/ daß ſie ihren Liebhaber ſo gar
ploͤtzlich veråndert ſahe. Sie wolte ſich entſchuldigen/
daß ſie ſo lange von ihm geblieben. Er aber gab zur ant-
wort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen.
Er habe ſich bei der ſchoͤnen Ebreerin ſo wohl befun-
den/ daß ihm eine ſtunde ſchnaͤller/ als ein augenblik/
vergangen. Aſanel war froh/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo
wohl gelungen. Sie war froh/ daß ſie des Techos
auf dieſe weiſe loß worden/ und zugleich ſeinen gefa-
ſten fremden vorſatz vereitelt. Nun konte ſie die lie-
be/ die ſie dem Manaſſe zutrug/ ſicherer blikken
laßen. Nun durfte ſie dieſelbe ſo gantz nicht mehr ver-
bergen.

Manaſſe kahm des andern morgens ſeiner Aſanel
aufzuwarten/ und zugleich aus ihrem munde zu ver-
nehmen/ ob die ſchoͤne Ebreerin daß Wild/ in ihrem
gehaͤge/ gefangen. Seine erſte worte/ nach erwieſenen
hoͤfligkeiten/ waren: wie iſt geſtern der fang gelungen?
Seind der Ebreerin pfleile auch maͤchtig genug gewe-
ſen den Hirſch zu faͤllen? Aſanel antwortete: die ſchoͤne
Ebreerin
hat ihr meiſterſtuͤkke in der jagt dermaßen
erwieſen/ daß ſie billich eine Jagt- und Liebe-goͤttin zu
nennen. Ihr pfeil wuſte ſie ſo behaͤnde und ſo gerade zu

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[312/0336] Der Aſſenat blik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einie der lach ein ſtruͤk. Techos ward auf einmahl verwundet/ gefangen/ und verſtruͤkt. Hatte ihn Aſanel verliebt gemacht/ ſo machte ihn die ſchoͤne Ebreerin noch tau- ſendmahl verliebter. Und dieſe liebe war ihm ſo ſuͤße/ daß er der bitterkeit aller ſeiner ſchmertzen vergaß. Der verdrus/ den ihm Aſanel zugefuͤget/ war gantz ver- ſchwunden. Ja er wuͤndſchte wohl tauſendmahl/ daß Aſanel ihm nimmermehr ihre gegenwart goͤnte. Und alſo zog Techos von dieſer ſeine liebe gantz ab/ und warf ſie auf die ſchoͤne Ebreerin. Als nun Aſanel endlich hineinkahm/ da war ſie zum hoͤchſten verwundert/ daß ſie ihren Liebhaber ſo gar ploͤtzlich veråndert ſahe. Sie wolte ſich entſchuldigen/ daß ſie ſo lange von ihm geblieben. Er aber gab zur ant- wort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen. Er habe ſich bei der ſchoͤnen Ebreerin ſo wohl befun- den/ daß ihm eine ſtunde ſchnaͤller/ als ein augenblik/ vergangen. Aſanel war froh/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo wohl gelungen. Sie war froh/ daß ſie des Techos auf dieſe weiſe loß worden/ und zugleich ſeinen gefa- ſten fremden vorſatz vereitelt. Nun konte ſie die lie- be/ die ſie dem Manaſſe zutrug/ ſicherer blikken laßen. Nun durfte ſie dieſelbe ſo gantz nicht mehr ver- bergen. Manaſſe kahm des andern morgens ſeiner Aſanel aufzuwarten/ und zugleich aus ihrem munde zu ver- nehmen/ ob die ſchoͤne Ebreerin daß Wild/ in ihrem gehaͤge/ gefangen. Seine erſte worte/ nach erwieſenen hoͤfligkeiten/ waren: wie iſt geſtern der fang gelungen? Seind der Ebreerin pfleile auch maͤchtig genug gewe- ſen den Hirſch zu faͤllen? Aſanel antwortete: die ſchoͤne Ebreerin hat ihr meiſterſtuͤkke in der jagt dermaßen erwieſen/ daß ſie billich eine Jagt- und Liebe-goͤttin zu nennen. Ihr pfeil wuſte ſie ſo behaͤnde und ſo gerade zu ſchieſ-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/336>, abgerufen am 06.05.2024.