Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Assenat

Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau/ daß
sie ihre Muhmen besuchet. Alda hette sie den schönen
Leibeigenen gefunden. Wie ist er dahin kommen? frag-
te die Fürst in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda/
bei ihrem wegzuge/ in verwahrung gelaßen. So seind
dan eure Muhmen/ fiel ihr die Fürstin abermahl in die
rede/ glükseeliger/ als die Königin/ als ich selbst/ und das
gantze königliche Frauenzimmer/ ja unser gantzer hof?
Euch allein wil ich ausschliessen; weil unter uns euch
allein die Götter mit dem glükke/ ihn mündlich zu spre-
chen/ beseeliget. Aber was sagte er guhtes? Das für-
nehmste/ antwortete die Jungfrau/ das ich Ihrer Ho-
heit von seinen reden erzehlen kan/ ist dieses. Er erkläh-
rete die Göttersprache/ die Potifar über das Freulein
Assenat empfing/ viel anders/ und mit viel grösserem
vorteile vor das Freulein/ als Potifar/ oder der Ertz-
bischof. Ich wil es mit einem worte sagen. Die Für-
stin Assenat wird die mächtigste Königin in Egipten
werden. Was sagt ihr mir vor ein wunder? redete Ni-
tokris
weiter. Aber kan der schöne Leibeigene/ die dun-
kelen und verborgenen reden der Götter auslegen; so
wird er auch gewis wahrsagen/ und die geheimnüsse
der treume erklähren können? Wie kahm er doch von
dem Freulein Assenat zu reden? Wer hat ihm von die-
sem Ausspruche der Götter gesagt?

Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte/
sagte sie/ in meiner rede/ von ohngefähr des Fürsten
Potifars. Da fing er mir diesen nahmen auf/ und
fragte/ wer Potifar sei? Ich gab ihm volkommenen
bescheid auf seine frage. Er fragte weiter: ob dieser
Fürst keine Leibeserben hette? Diese frage veruhrsach-
te/ daß ich von der Fürst in Assenat/ und von der Göt-
tersprache zu reden kahm. Und also gab ich ihm/ unter
andern/ anlaß eine neue Erklährung über dieselbe Göt-
tersprache zu machen. Diese nun fiel so glütlich/ wie

ich
Der Aſſenat

Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau/ daß
ſie ihre Muhmen beſuchet. Alda hette ſie den ſchoͤnen
Leibeigenen gefunden. Wie iſt er dahin kommen? frag-
te die Fuͤrſt in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda/
bei ihrem wegzuge/ in verwahrung gelaßen. So ſeind
dan eure Muhmen/ fiel ihr die Fuͤrſtin abermahl in die
rede/ gluͤkſeeliger/ als die Koͤnigin/ als ich ſelbſt/ und das
gantze koͤnigliche Frauenzimmer/ ja unſer gantzer hof?
Euch allein wil ich ausſchlieſſen; weil unter uns euch
allein die Goͤtter mit dem gluͤkke/ ihn muͤndlich zu ſpre-
chen/ beſeeliget. Aber was ſagte er guhtes? Das fuͤr-
nehmſte/ antwortete die Jungfrau/ das ich Ihrer Ho-
heit von ſeinen reden erzehlen kan/ iſt dieſes. Er erklaͤh-
rete die Goͤtterſprache/ die Potifar uͤber das Freulein
Aſſenat empfing/ viel anders/ und mit viel groͤſſerem
vorteile vor das Freulein/ als Potifar/ oder der Ertz-
biſchof. Ich wil es mit einem worte ſagen. Die Fuͤr-
ſtin Aſſenat wird die maͤchtigſte Koͤnigin in Egipten
werden. Was ſagt ihr mir vor ein wunder? redete Ni-
tokris
weiter. Aber kan der ſchoͤne Leibeigene/ die dun-
kelen und verborgenen reden der Goͤtter auslegen; ſo
wird er auch gewis wahrſagen/ und die geheimnuͤſſe
der treume erklaͤhren koͤnnen? Wie kahm er doch von
dem Freulein Aſſenat zu reden? Wer hat ihm von die-
ſem Ausſpruche der Goͤtter geſagt?

Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte/
ſagte ſie/ in meiner rede/ von ohngefaͤhr des Fuͤrſten
Potifars. Da fing er mir dieſen nahmen auf/ und
fragte/ wer Potifar ſei? Ich gab ihm volkommenen
beſcheid auf ſeine frage. Er fragte weiter: ob dieſer
Fuͤrſt keine Leibeserben hette? Dieſe frage veruhrſach-
te/ daß ich von der Fuͤrſt in Aſſenat/ und von der Goͤt-
terſprache zu reden kahm. Und alſo gab ich ihm/ unter
andern/ anlaß eine neue Erklaͤhrung uͤber dieſelbe Goͤt-
terſprache zu machen. Dieſe nun fiel ſo gluͤtlich/ wie

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0072" n="48"/>
        <fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
        <p>Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau/ daß<lb/>
&#x017F;ie ihre Muhmen be&#x017F;uchet. Alda hette &#x017F;ie den &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Leibeigenen gefunden. Wie i&#x017F;t er dahin kommen? frag-<lb/>
te die Fu&#x0364;r&#x017F;t in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda/<lb/>
bei ihrem wegzuge/ in verwahrung gelaßen. So &#x017F;eind<lb/>
dan eure Muhmen/ fiel ihr die Fu&#x0364;r&#x017F;tin abermahl in die<lb/>
rede/ glu&#x0364;k&#x017F;eeliger/ als die Ko&#x0364;nigin/ als ich &#x017F;elb&#x017F;t/ und das<lb/>
gantze ko&#x0364;nigliche Frauenzimmer/ ja un&#x017F;er gantzer hof?<lb/>
Euch allein wil ich aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en; weil unter uns euch<lb/>
allein die Go&#x0364;tter mit dem glu&#x0364;kke/ ihn mu&#x0364;ndlich zu &#x017F;pre-<lb/>
chen/ be&#x017F;eeliget. Aber was &#x017F;agte er guhtes? Das fu&#x0364;r-<lb/>
nehm&#x017F;te/ antwortete die Jungfrau/ das ich Ihrer Ho-<lb/>
heit von &#x017F;einen reden erzehlen kan/ i&#x017F;t die&#x017F;es. Er erkla&#x0364;h-<lb/>
rete die Go&#x0364;tter&#x017F;prache/ die <hi rendition="#fr">Potifar</hi> u&#x0364;ber das Freulein<lb/><hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> empfing/ viel anders/ und mit viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem<lb/>
vorteile vor das Freulein/ als <hi rendition="#fr">Potifar/</hi> oder der Ertz-<lb/>
bi&#x017F;chof. Ich wil es mit einem worte &#x017F;agen. Die Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> wird die ma&#x0364;chtig&#x017F;te Ko&#x0364;nigin in Egipten<lb/>
werden. Was &#x017F;agt ihr mir vor ein wunder? redete <hi rendition="#fr">Ni-<lb/>
tokris</hi> weiter. Aber kan der &#x017F;cho&#x0364;ne Leibeigene/ die dun-<lb/>
kelen und verborgenen reden der Go&#x0364;tter auslegen; &#x017F;o<lb/>
wird er auch gewis wahr&#x017F;agen/ und die geheimnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der treume erkla&#x0364;hren ko&#x0364;nnen? Wie kahm er doch von<lb/>
dem Freulein <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> zu reden? Wer hat ihm von die-<lb/>
&#x017F;em Aus&#x017F;pruche der Go&#x0364;tter ge&#x017F;agt?</p><lb/>
        <p>Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte/<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie/ in meiner rede/ von ohngefa&#x0364;hr des Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#fr">Potifars.</hi> Da fing er mir die&#x017F;en nahmen auf/ und<lb/>
fragte/ wer <hi rendition="#fr">Potifar</hi> &#x017F;ei? Ich gab ihm volkommenen<lb/>
be&#x017F;cheid auf &#x017F;eine frage. Er fragte weiter: ob die&#x017F;er<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t keine Leibeserben hette? Die&#x017F;e frage veruhr&#x017F;ach-<lb/>
te/ daß ich von der Fu&#x0364;r&#x017F;t in <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat/</hi> und von der Go&#x0364;t-<lb/>
ter&#x017F;prache zu reden kahm. Und al&#x017F;o gab ich ihm/ unter<lb/>
andern/ anlaß eine neue Erkla&#x0364;hrung u&#x0364;ber die&#x017F;elbe Go&#x0364;t-<lb/>
ter&#x017F;prache zu machen. Die&#x017F;e nun fiel &#x017F;o glu&#x0364;tlich/ wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0072] Der Aſſenat Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau/ daß ſie ihre Muhmen beſuchet. Alda hette ſie den ſchoͤnen Leibeigenen gefunden. Wie iſt er dahin kommen? frag- te die Fuͤrſt in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda/ bei ihrem wegzuge/ in verwahrung gelaßen. So ſeind dan eure Muhmen/ fiel ihr die Fuͤrſtin abermahl in die rede/ gluͤkſeeliger/ als die Koͤnigin/ als ich ſelbſt/ und das gantze koͤnigliche Frauenzimmer/ ja unſer gantzer hof? Euch allein wil ich ausſchlieſſen; weil unter uns euch allein die Goͤtter mit dem gluͤkke/ ihn muͤndlich zu ſpre- chen/ beſeeliget. Aber was ſagte er guhtes? Das fuͤr- nehmſte/ antwortete die Jungfrau/ das ich Ihrer Ho- heit von ſeinen reden erzehlen kan/ iſt dieſes. Er erklaͤh- rete die Goͤtterſprache/ die Potifar uͤber das Freulein Aſſenat empfing/ viel anders/ und mit viel groͤſſerem vorteile vor das Freulein/ als Potifar/ oder der Ertz- biſchof. Ich wil es mit einem worte ſagen. Die Fuͤr- ſtin Aſſenat wird die maͤchtigſte Koͤnigin in Egipten werden. Was ſagt ihr mir vor ein wunder? redete Ni- tokris weiter. Aber kan der ſchoͤne Leibeigene/ die dun- kelen und verborgenen reden der Goͤtter auslegen; ſo wird er auch gewis wahrſagen/ und die geheimnuͤſſe der treume erklaͤhren koͤnnen? Wie kahm er doch von dem Freulein Aſſenat zu reden? Wer hat ihm von die- ſem Ausſpruche der Goͤtter geſagt? Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte/ ſagte ſie/ in meiner rede/ von ohngefaͤhr des Fuͤrſten Potifars. Da fing er mir dieſen nahmen auf/ und fragte/ wer Potifar ſei? Ich gab ihm volkommenen beſcheid auf ſeine frage. Er fragte weiter: ob dieſer Fuͤrſt keine Leibeserben hette? Dieſe frage veruhrſach- te/ daß ich von der Fuͤrſt in Aſſenat/ und von der Goͤt- terſprache zu reden kahm. Und alſo gab ich ihm/ unter andern/ anlaß eine neue Erklaͤhrung uͤber dieſelbe Goͤt- terſprache zu machen. Dieſe nun fiel ſo gluͤtlich/ wie ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/72
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/72>, abgerufen am 28.04.2024.