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Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645.

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Der Adriatischen Rosemund
chen schohn zimlich lang' in solcher ungewüsheit
gestanden hatten/ so begahb es sich/ daß/ ohne den
fohr-bewust diser Jungfrauen ein geldrischer von
adel/ welcher schohn ein alter/ aber sehr reicher
man wahr/ bei ihren ältern üm si anhihlt/ und von
beiden das jah-wort und di zusage bekahm. Di
Tochter aber/ als si gefraget ward/ ob si ihn begäh-
rete? gahb alsobald zur antwort/ daß si in alle
ewigkeit seiner nicht teilhaftig wärden wolte. Dan/
fuhr si fort/ wi kan sich ein mänsch zu eines libe
zwüngen? und wi sol ich einen solchen lihb-gewün-
nen/ fohr dehm ich abschäu trage? Wan er sich zu
ihr nahen wolte/ nahch verlihbter leute gebrauch/
mit ihr zu schärzen/ so stühs si ihn von sich/ und wolt'
ihm ganz keine gnad' erzeugen. Als si abersahe/
daß si di ältern mit gewalt dahrzu zwingen wolten/
so färtigte si ihre dinerin in geheim zu gedachtem
Ritmeister ab/ fühgt' ihm durch ein kleines brihf-
lein zu wüssen/ in was fohr noht si wäre/ und baht
ihn/ daß er doch der alten kundschaft/ di er mit ihr
gepflogen hätte/ eingedänk sein möchte/ und si aus
solcher angst erlösen.

Der Ritmeister/ der sich beides durch lihb' und
barmherzigkeit bewogen befand/ sagt' ihr seinen
muhglichsten beistand also-bald zu; und si lihs ihm
alle tage durch ihre kammer-dinerin heimlich brife
zu-bringen. Weil aber di Tochterso hart gehalten
wurde/ daß si nicht ein-mahl von dem hofe hinun-
ter gähen durfte/ so schwomm' er in der abänd-
dömmerung durch den schlos-graben nahch dem
garten zu/ dahr-in sich dise armsälige befand/ und
seiner wartete. Aber si konten in solcher stille nicht
lange mit einander sprache halten; dan di hunde/
welche seiner also-bald gewahr warden/ huben so
häftig an zu bällen/ daß der alte Vater veruhrsach-
chet ward in den garten zu gähen/ da er nimandes
als seiner tochter ansichtig ward.

Dise

Der Adriatiſchen Roſemund
chen ſchohn zimlich lang’ in ſolcher ungewuͤsheit
geſtanden hatten/ ſo begahb es ſich/ daß/ ohne den
fohr-bewuſt diſer Jungfrauen ein geldriſcher von
adel/ welcher ſchohn ein alter/ aber ſehr reicher
man wahr/ bei ihren aͤltern uͤm ſi anhihlt/ und von
beiden das jah-wort und di zuſage bekahm. Di
Tochter aber/ als ſi gefraget ward/ ob ſi ihn begaͤh-
rete? gahb alſobald zur antwort/ daß ſi in alle
ewigkeit ſeiner nicht teilhaftig waͤrden wolte. Dan/
fuhr ſi fort/ wi kan ſich ein maͤnſch zu eines libe
zwuͤngen? und wi ſol ich einen ſolchen lihb-gewuͤn-
nen/ fohr dehm ich abſchaͤu trage? Wan er ſich zu
ihr nahen wolte/ nahch verlihbter leute gebrauch/
mit ihr zu ſchaͤrzen/ ſo ſtuͤhs ſi ihn von ſich/ und wolt’
ihm ganz keine gnad’ erzeugen. Als ſi aberſahe/
daß ſi di aͤltern mit gewalt dahrzu zwingen wolten/
ſo faͤrtigte ſi ihre dinerin in geheim zu gedachtem
Ritmeiſter ab/ fuͤhgt’ ihm durch ein kleines brihf-
lein zu wuͤſſen/ in was fohr noht ſi waͤre/ und baht
ihn/ daß er doch der alten kundſchaft/ di er mit ihr
gepflogen haͤtte/ eingedaͤnk ſein moͤchte/ und ſi aus
ſolcher angſt erloͤſen.

Der Ritmeiſter/ der ſich beides durch lihb’ und
barmherzigkeit bewogen befand/ ſagt’ ihr ſeinen
můhglichſten beiſtand alſo-bald zu; und ſi lihs ihm
alle tage durch ihre kammer-dinerin heimlich brife
zu-bringen. Weil aber di Tochterſo hart gehalten
wurde/ daß ſi nicht ein-mahl von dem hofe hinun-
ter gaͤhen durfte/ ſo ſchwomm’ er in der abaͤnd-
doͤmmerung durch den ſchlos-graben nahch dem
garten zu/ dahr-in ſich diſe armſaͤlige befand/ und
ſeiner wartete. Aber ſi konten in ſolcher ſtille nicht
lange mit einander ſprache halten; dan di hunde/
welche ſeiner alſo-bald gewahr warden/ huben ſo
haͤftig an zu baͤllen/ daß der alte Vater veruhrſach-
chet ward in den garten zu gaͤhen/ da er nimandes
als ſeiner tochter anſichtig ward.

Diſe
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[280/0296] Der Adriatiſchen Roſemund chen ſchohn zimlich lang’ in ſolcher ungewuͤsheit geſtanden hatten/ ſo begahb es ſich/ daß/ ohne den fohr-bewuſt diſer Jungfrauen ein geldriſcher von adel/ welcher ſchohn ein alter/ aber ſehr reicher man wahr/ bei ihren aͤltern uͤm ſi anhihlt/ und von beiden das jah-wort und di zuſage bekahm. Di Tochter aber/ als ſi gefraget ward/ ob ſi ihn begaͤh- rete? gahb alſobald zur antwort/ daß ſi in alle ewigkeit ſeiner nicht teilhaftig waͤrden wolte. Dan/ fuhr ſi fort/ wi kan ſich ein maͤnſch zu eines libe zwuͤngen? und wi ſol ich einen ſolchen lihb-gewuͤn- nen/ fohr dehm ich abſchaͤu trage? Wan er ſich zu ihr nahen wolte/ nahch verlihbter leute gebrauch/ mit ihr zu ſchaͤrzen/ ſo ſtuͤhs ſi ihn von ſich/ und wolt’ ihm ganz keine gnad’ erzeugen. Als ſi aberſahe/ daß ſi di aͤltern mit gewalt dahrzu zwingen wolten/ ſo faͤrtigte ſi ihre dinerin in geheim zu gedachtem Ritmeiſter ab/ fuͤhgt’ ihm durch ein kleines brihf- lein zu wuͤſſen/ in was fohr noht ſi waͤre/ und baht ihn/ daß er doch der alten kundſchaft/ di er mit ihr gepflogen haͤtte/ eingedaͤnk ſein moͤchte/ und ſi aus ſolcher angſt erloͤſen. Der Ritmeiſter/ der ſich beides durch lihb’ und barmherzigkeit bewogen befand/ ſagt’ ihr ſeinen můhglichſten beiſtand alſo-bald zu; und ſi lihs ihm alle tage durch ihre kammer-dinerin heimlich brife zu-bringen. Weil aber di Tochterſo hart gehalten wurde/ daß ſi nicht ein-mahl von dem hofe hinun- ter gaͤhen durfte/ ſo ſchwomm’ er in der abaͤnd- doͤmmerung durch den ſchlos-graben nahch dem garten zu/ dahr-in ſich diſe armſaͤlige befand/ und ſeiner wartete. Aber ſi konten in ſolcher ſtille nicht lange mit einander ſprache halten; dan di hunde/ welche ſeiner alſo-bald gewahr warden/ huben ſo haͤftig an zu baͤllen/ daß der alte Vater veruhrſach- chet ward in den garten zu gaͤhen/ da er nimandes als ſeiner tochter anſichtig ward. Diſe

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Zitationshilfe: Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_rosemund_1645/296>, abgerufen am 28.03.2024.