Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zog er seinen Schafpelz über, nahm den Justizrath an der Hand und ging zur Hausthür mit ihm hinaus um den Mühlenberg herum dem See zu. Du hast Niemanden gesehen, Marie, rief er noch im Abgehen, und sagst, du habest mich seit Mittag nicht gesprochen. Gieb Acht, daß kein Stückchen liegen bleibt, was uns verrathen kann. -- Wo um Gottes Willen bleibe ich denn? rief der Actuar im dunklen Hausflur, während draußen schon der Tag graute. -- Versteht sich, daß Sie folgen, hörte er noch, als ihn leise eine Hand faßte und ihm der Schmiedjunge zuflüsterte: Trauen Sie ihm nicht, Sie sehen ja, wie er Sie behandelt und sich um Sie kümmert. So schlüpfte er mit ihm zum Hinterthor hinaus dem Bruche zu, das zwischen Mühle und Dorf ins Land trat. Dort hinter dem Dorf weg weiß ich einen Weg, der uns sicher über die Grenze führt; schnell, schnell! mahnte der Knabe. Marie! rief es von der Mühle her. Sie lief hinaus. Wo ist der Actuar? drohte ihr der Vater entgegen. Des Schmieds Junge ist mit ihm davon. -- Nun, hol' ihn der Teufel, mir ist leichter, daß ich ihn nicht bei mir habe. Schnell, Herr Justizrath, es ist ein gutes Zeichen, daß der Böse von Ihnen weicht in der Stunde der Prüfung. -- Beide Männer traten ins Schilf und in einen kleinen Kahn, mit dem der zog er seinen Schafpelz über, nahm den Justizrath an der Hand und ging zur Hausthür mit ihm hinaus um den Mühlenberg herum dem See zu. Du hast Niemanden gesehen, Marie, rief er noch im Abgehen, und sagst, du habest mich seit Mittag nicht gesprochen. Gieb Acht, daß kein Stückchen liegen bleibt, was uns verrathen kann. — Wo um Gottes Willen bleibe ich denn? rief der Actuar im dunklen Hausflur, während draußen schon der Tag graute. — Versteht sich, daß Sie folgen, hörte er noch, als ihn leise eine Hand faßte und ihm der Schmiedjunge zuflüsterte: Trauen Sie ihm nicht, Sie sehen ja, wie er Sie behandelt und sich um Sie kümmert. So schlüpfte er mit ihm zum Hinterthor hinaus dem Bruche zu, das zwischen Mühle und Dorf ins Land trat. Dort hinter dem Dorf weg weiß ich einen Weg, der uns sicher über die Grenze führt; schnell, schnell! mahnte der Knabe. Marie! rief es von der Mühle her. Sie lief hinaus. Wo ist der Actuar? drohte ihr der Vater entgegen. Des Schmieds Junge ist mit ihm davon. — Nun, hol' ihn der Teufel, mir ist leichter, daß ich ihn nicht bei mir habe. Schnell, Herr Justizrath, es ist ein gutes Zeichen, daß der Böse von Ihnen weicht in der Stunde der Prüfung. — Beide Männer traten ins Schilf und in einen kleinen Kahn, mit dem der <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0053"/> zog er seinen Schafpelz über, nahm den Justizrath an der Hand und ging zur Hausthür mit ihm hinaus um den Mühlenberg herum dem See zu.</p><lb/> <p>Du hast Niemanden gesehen, Marie, rief er noch im Abgehen, und sagst, du habest mich seit Mittag nicht gesprochen. Gieb Acht, daß kein Stückchen liegen bleibt, was uns verrathen kann. —</p><lb/> <p>Wo um Gottes Willen bleibe ich denn? rief der Actuar im dunklen Hausflur, während draußen schon der Tag graute. —</p><lb/> <p>Versteht sich, daß Sie folgen, hörte er noch, als ihn leise eine Hand faßte und ihm der Schmiedjunge zuflüsterte: Trauen Sie ihm nicht, Sie sehen ja, wie er Sie behandelt und sich um Sie kümmert. So schlüpfte er mit ihm zum Hinterthor hinaus dem Bruche zu, das zwischen Mühle und Dorf ins Land trat. Dort hinter dem Dorf weg weiß ich einen Weg, der uns sicher über die Grenze führt; schnell, schnell! mahnte der Knabe.</p><lb/> <p>Marie! rief es von der Mühle her. Sie lief hinaus. Wo ist der Actuar? drohte ihr der Vater entgegen.</p><lb/> <p>Des Schmieds Junge ist mit ihm davon. —</p><lb/> <p>Nun, hol' ihn der Teufel, mir ist leichter, daß ich ihn nicht bei mir habe. Schnell, Herr Justizrath, es ist ein gutes Zeichen, daß der Böse von Ihnen weicht in der Stunde der Prüfung. — Beide Männer traten ins Schilf und in einen kleinen Kahn, mit dem der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
zog er seinen Schafpelz über, nahm den Justizrath an der Hand und ging zur Hausthür mit ihm hinaus um den Mühlenberg herum dem See zu.
Du hast Niemanden gesehen, Marie, rief er noch im Abgehen, und sagst, du habest mich seit Mittag nicht gesprochen. Gieb Acht, daß kein Stückchen liegen bleibt, was uns verrathen kann. —
Wo um Gottes Willen bleibe ich denn? rief der Actuar im dunklen Hausflur, während draußen schon der Tag graute. —
Versteht sich, daß Sie folgen, hörte er noch, als ihn leise eine Hand faßte und ihm der Schmiedjunge zuflüsterte: Trauen Sie ihm nicht, Sie sehen ja, wie er Sie behandelt und sich um Sie kümmert. So schlüpfte er mit ihm zum Hinterthor hinaus dem Bruche zu, das zwischen Mühle und Dorf ins Land trat. Dort hinter dem Dorf weg weiß ich einen Weg, der uns sicher über die Grenze führt; schnell, schnell! mahnte der Knabe.
Marie! rief es von der Mühle her. Sie lief hinaus. Wo ist der Actuar? drohte ihr der Vater entgegen.
Des Schmieds Junge ist mit ihm davon. —
Nun, hol' ihn der Teufel, mir ist leichter, daß ich ihn nicht bei mir habe. Schnell, Herr Justizrath, es ist ein gutes Zeichen, daß der Böse von Ihnen weicht in der Stunde der Prüfung. — Beide Männer traten ins Schilf und in einen kleinen Kahn, mit dem der
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Zitationshilfe: | Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/53>, abgerufen am 16.06.2024. |