Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

"ich nicht aus Vorsatz oder Lüderlichkeit dies Skla-
"venleben gewählt, sondern böse Menschen mich
"betrogen haben. Ha! Wenn alles fehlen soll-
"te -- Doch, nein! desertiren will ich nicht. Lie-
"ber sterben, als Spießruthe laufen. Und dann
"kann sich's ja auch ändern. Sechs Jahre sind
"noch wohl auszuhalten. Freylich eine lange, lan-
"ge Zeit; wenn's zumal wahr seyn sollte, daß
"auch dann kein Abscheid zu hoffen wäre! --
"Doch, was? Kein Abscheid? Hab' ich doch ei-
"ne, und zwar mir aufgedrungene Capitulation? --
"Ha! Dann müßten sie mich eher tödten! Der
"König müßte mich hören! Ich wollte seiner Kut-
"sche nachrennen, mich anhängen bis er mir sein
"Ohr verlieht. Da wollt' ich ihm alles sagen,
"was der Brief ausweist. Und der gerechte Fried-
"rich
wird nicht gegen mich allein ungerecht seyn",
u. s. f. -- Das waren damals so meine Selbstgespräche.

XLIX.
Nun geht's bald weiters.

In diesen Umständen flogen Schärer und ich zu-
sammen wo wir konnten; klagten, überlegten, be-
schlossen, verwarfen. Schärer zeigte mehr Stand-
haftigkeit als ich, hatte aber auch mehr Sold. Ich
gab jetzt, wie so viele andre, den letzten Dreyer
um Genevre, meinen Kummer zu vertreiben. Ein
Mecklenburger, der nahe bey mir im Quartier,
und mit mir in gleichen Umständen war, machte es

„ich nicht aus Vorſatz oder Luͤderlichkeit dies Skla-
„venleben gewaͤhlt, ſondern boͤſe Menſchen mich
„betrogen haben. Ha! Wenn alles fehlen ſoll-
„te — Doch, nein! deſertiren will ich nicht. Lie-
„ber ſterben, als Spießruthe laufen. Und dann
„kann ſich’s ja auch aͤndern. Sechs Jahre ſind
„noch wohl auszuhalten. Freylich eine lange, lan-
„ge Zeit; wenn’s zumal wahr ſeyn ſollte, daß
„auch dann kein Abſcheid zu hoffen waͤre! —
„Doch, was? Kein Abſcheid? Hab’ ich doch ei-
„ne, und zwar mir aufgedrungene Capitulation? —
„Ha! Dann muͤßten ſie mich eher toͤdten! Der
„Koͤnig muͤßte mich hoͤren! Ich wollte ſeiner Kut-
„ſche nachrennen, mich anhaͤngen bis er mir ſein
„Ohr verlieht. Da wollt’ ich ihm alles ſagen,
„was der Brief ausweist. Und der gerechte Fried-
„rich
wird nicht gegen mich allein ungerecht ſeyn„,
u. ſ. f. — Das waren damals ſo meine Selbſtgeſpraͤche.

XLIX.
Nun geht’s bald weiters.

In dieſen Umſtaͤnden flogen Schärer und ich zu-
ſammen wo wir konnten; klagten, uͤberlegten, be-
ſchloſſen, verwarfen. Schärer zeigte mehr Stand-
haftigkeit als ich, hatte aber auch mehr Sold. Ich
gab jetzt, wie ſo viele andre, den letzten Dreyer
um Genevre, meinen Kummer zu vertreiben. Ein
Mecklenburger, der nahe bey mir im Quartier,
und mit mir in gleichen Umſtaͤnden war, machte es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="135"/>
&#x201E;ich nicht aus Vor&#x017F;atz oder Lu&#x0364;derlichkeit dies Skla-<lb/>
&#x201E;venleben gewa&#x0364;hlt, &#x017F;ondern bo&#x0364;&#x017F;e Men&#x017F;chen mich<lb/>
&#x201E;betrogen haben. Ha! Wenn alles fehlen &#x017F;oll-<lb/>
&#x201E;te &#x2014; Doch, nein! de&#x017F;ertiren will ich nicht. Lie-<lb/>
&#x201E;ber &#x017F;terben, als Spießruthe laufen. Und dann<lb/>
&#x201E;kann &#x017F;ich&#x2019;s ja auch a&#x0364;ndern. Sechs Jahre &#x017F;ind<lb/>
&#x201E;noch wohl auszuhalten. Freylich eine lange, lan-<lb/>
&#x201E;ge Zeit; wenn&#x2019;s zumal wahr &#x017F;eyn &#x017F;ollte, daß<lb/>
&#x201E;auch dann kein Ab&#x017F;cheid zu hoffen wa&#x0364;re! &#x2014;<lb/>
&#x201E;Doch, was? Kein Ab&#x017F;cheid? Hab&#x2019; ich doch ei-<lb/>
&#x201E;ne, und zwar mir aufgedrungene Capitulation? &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ha! Dann mu&#x0364;ßten &#x017F;ie mich eher to&#x0364;dten! Der<lb/>
&#x201E;Ko&#x0364;nig mu&#x0364;ßte mich ho&#x0364;ren! Ich wollte &#x017F;einer Kut-<lb/>
&#x201E;&#x017F;che nachrennen, mich anha&#x0364;ngen bis er mir &#x017F;ein<lb/>
&#x201E;Ohr verlieht. Da wollt&#x2019; ich ihm alles &#x017F;agen,<lb/>
&#x201E;was der Brief ausweist. Und der gerechte <hi rendition="#fr">Fried-<lb/>
&#x201E;rich</hi> wird nicht gegen mich allein ungerecht &#x017F;eyn&#x201E;,<lb/>
u. &#x017F;. f. &#x2014; Das waren damals &#x017F;o meine Selb&#x017F;tge&#x017F;pra&#x0364;che.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XLIX.</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Nun geht&#x2019;s bald weiters</hi>.</head><lb/>
        <p>In die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden flogen <hi rendition="#fr">Schärer</hi> und ich zu-<lb/>
&#x017F;ammen wo wir konnten; klagten, u&#x0364;berlegten, be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, verwarfen. <hi rendition="#fr">Schärer</hi> zeigte mehr Stand-<lb/>
haftigkeit als ich, hatte aber auch mehr Sold. Ich<lb/>
gab jetzt, wie &#x017F;o viele andre, den letzten Dreyer<lb/>
um Genevre, meinen Kummer zu vertreiben. Ein<lb/><hi rendition="#fr">Mecklenburger</hi>, der nahe bey mir im Quartier,<lb/>
und mit mir in gleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden war, machte es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0151] „ich nicht aus Vorſatz oder Luͤderlichkeit dies Skla- „venleben gewaͤhlt, ſondern boͤſe Menſchen mich „betrogen haben. Ha! Wenn alles fehlen ſoll- „te — Doch, nein! deſertiren will ich nicht. Lie- „ber ſterben, als Spießruthe laufen. Und dann „kann ſich’s ja auch aͤndern. Sechs Jahre ſind „noch wohl auszuhalten. Freylich eine lange, lan- „ge Zeit; wenn’s zumal wahr ſeyn ſollte, daß „auch dann kein Abſcheid zu hoffen waͤre! — „Doch, was? Kein Abſcheid? Hab’ ich doch ei- „ne, und zwar mir aufgedrungene Capitulation? — „Ha! Dann muͤßten ſie mich eher toͤdten! Der „Koͤnig muͤßte mich hoͤren! Ich wollte ſeiner Kut- „ſche nachrennen, mich anhaͤngen bis er mir ſein „Ohr verlieht. Da wollt’ ich ihm alles ſagen, „was der Brief ausweist. Und der gerechte Fried- „rich wird nicht gegen mich allein ungerecht ſeyn„, u. ſ. f. — Das waren damals ſo meine Selbſtgeſpraͤche. XLIX. Nun geht’s bald weiters. In dieſen Umſtaͤnden flogen Schärer und ich zu- ſammen wo wir konnten; klagten, uͤberlegten, be- ſchloſſen, verwarfen. Schärer zeigte mehr Stand- haftigkeit als ich, hatte aber auch mehr Sold. Ich gab jetzt, wie ſo viele andre, den letzten Dreyer um Genevre, meinen Kummer zu vertreiben. Ein Mecklenburger, der nahe bey mir im Quartier, und mit mir in gleichen Umſtaͤnden war, machte es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/151
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/151>, abgerufen am 18.04.2024.