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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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liessen wie sie, wie gesagt, karbatschen. Aber zuletzt
wollt' uns auch diesen Dienst niemand mehr leisten;
denn jedermann fürchtete sich vor ihr, wie vor dem
bösen Geist. Mit guten Worten kam man ihr ge-
wissermaassen noch am leichtesten bey. Was indessen
mir als die allerherbste Prüfung vorkam, war dieses:
Daß ich und meine Geschwister in ihrer Gesellschaft
mit Baumwollen-Kämmen und Spinnen unsern
Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som-
mer anrückte, half ich mir damit, daß ich meine
Arbeit, so viel's immer die Witterung zuließ, aus-
ser dem Haus verrichtete.

XXVIII.
Jetzt Taglöhner.

"Danke deinem Schöpfer"! (sagte inzwischen ei-
nes Tags mein Vater zu mir) "Er hat dein Fle-
"hen erhört, und dir von Neuem das Leben geschenkt.
"Ich zwar, ich will dir's nur gestehen, dachte nicht,
"wie du, Uli, und hätt' dich und mich nicht un-
"glücklich geschätzt, wenn du dahingefahren wärst.
"Denn, Ach! Grosse Kinder, grosse Sorgen! Unsre
"Haushaltung ist überladen -- Ich hab' kein Ver-
"mögen -- Keins von Euch kann noch sicher sein
"Brodt gewinnen -- Du bist das Aelteste. Was
"willst du nun anfangen? In der Stube hocken, und
"mit der Baumwolle handthieren, seh ich wohl,
"magst du nicht. Du wirst müssen tagmen *)".

*) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag-
lohn Bauersknechten-Dienste verrichten.

lieſſen wie ſie, wie geſagt, karbatſchen. Aber zuletzt
wollt’ uns auch dieſen Dienſt niemand mehr leiſten;
denn jedermann fuͤrchtete ſich vor ihr, wie vor dem
boͤſen Geiſt. Mit guten Worten kam man ihr ge-
wiſſermaaſſen noch am leichteſten bey. Was indeſſen
mir als die allerherbſte Pruͤfung vorkam, war dieſes:
Daß ich und meine Geſchwiſter in ihrer Geſellſchaft
mit Baumwollen-Kaͤmmen und Spinnen unſern
Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som-
mer anruͤckte, half ich mir damit, daß ich meine
Arbeit, ſo viel’s immer die Witterung zuließ, auſ-
ſer dem Haus verrichtete.

XXVIII.
Jetzt Tagloͤhner.

Danke deinem Schoͤpfer„! (ſagte inzwiſchen ei-
nes Tags mein Vater zu mir) „Er hat dein Fle-
„hen erhoͤrt, und dir von Neuem das Leben geſchenkt.
„Ich zwar, ich will dir’s nur geſtehen, dachte nicht,
„wie du, Uli, und haͤtt’ dich und mich nicht un-
„gluͤcklich geſchaͤtzt, wenn du dahingefahren waͤrſt.
„Denn, Ach! Groſſe Kinder, groſſe Sorgen! Unſre
„Haushaltung iſt uͤberladen — Ich hab’ kein Ver-
„moͤgen — Keins von Euch kann noch ſicher ſein
„Brodt gewinnen — Du biſt das Aelteſte. Was
„willſt du nun anfangen? In der Stube hocken, und
„mit der Baumwolle handthieren, ſeh ich wohl,
„magſt du nicht. Du wirſt muͤſſen tagmen *)„.

*) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag-
lohn Bauersknechten-Dienſte verrichten.
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[58/0074] lieſſen wie ſie, wie geſagt, karbatſchen. Aber zuletzt wollt’ uns auch dieſen Dienſt niemand mehr leiſten; denn jedermann fuͤrchtete ſich vor ihr, wie vor dem boͤſen Geiſt. Mit guten Worten kam man ihr ge- wiſſermaaſſen noch am leichteſten bey. Was indeſſen mir als die allerherbſte Pruͤfung vorkam, war dieſes: Daß ich und meine Geſchwiſter in ihrer Geſellſchaft mit Baumwollen-Kaͤmmen und Spinnen unſern Feyrabend machen mußten. Sobald aber der Som- mer anruͤckte, half ich mir damit, daß ich meine Arbeit, ſo viel’s immer die Witterung zuließ, auſ- ſer dem Haus verrichtete. XXVIII. Jetzt Tagloͤhner. „Danke deinem Schoͤpfer„! (ſagte inzwiſchen ei- nes Tags mein Vater zu mir) „Er hat dein Fle- „hen erhoͤrt, und dir von Neuem das Leben geſchenkt. „Ich zwar, ich will dir’s nur geſtehen, dachte nicht, „wie du, Uli, und haͤtt’ dich und mich nicht un- „gluͤcklich geſchaͤtzt, wenn du dahingefahren waͤrſt. „Denn, Ach! Groſſe Kinder, groſſe Sorgen! Unſre „Haushaltung iſt uͤberladen — Ich hab’ kein Ver- „moͤgen — Keins von Euch kann noch ſicher ſein „Brodt gewinnen — Du biſt das Aelteſte. Was „willſt du nun anfangen? In der Stube hocken, und „mit der Baumwolle handthieren, ſeh ich wohl, „magſt du nicht. Du wirſt muͤſſen tagmen *)„. *) An andern Orten der Schweitz tagwen, um den Tag- lohn Bauersknechten-Dienſte verrichten.

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/74>, abgerufen am 29.03.2024.