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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Mantelthiere. Ascidien.
die nächsten Verwandten der Ascidien erkannt hat. Auch ihr Körper ist von einem derben Mantel
umgeben, der in seiner mikroskopischen und chemischen Zusammensetzung mit dem jener überein-
stimmt. Wir müssen nämlich zur allgemeinen Charakterisirung der Mantelthiere die chemische
Beschaffenheit des Theiles betonen, über dessen Beziehungen zu dem gleichnamigen Organe der
Muscheln oder vielleicht zu den Schalen der Brachiopoden weiter unten zu reden. Die Sache
verhält sich so. Vor einigen Jahrzehnten noch, als die Systematik im Stande zu sein glaubte,
scharfe, trennende Unterscheidungsmerkmale zwischen Pflanzen und Thieren aufzustellen, hielt man
die Zellulose oder den Pflanzenzellmembran-Stoff für ein ausschließliches Eigenthum der Pflanzen.
Es ist aber eine von den hinfällig gewordenen Eigenthümlichkeiten der Vegetabilien, indem sich
zeigte, daß die Cellulose einen Hauptbestandtheil des Mantels der Mantelthiere ausmache, wenn
auch in anderer Form, als im Pflanzenreich. Wir können nunmehr die beiden schon angedeuteten
Hauptabtheilungen näher ins Auge fassen.



Erste Ordnung.
Ascidien. Sackthiere (Ascidiae).

Die Ascidien sind diejenigen Mantelthiere, welche nur eine kurze Zeit als geschwänzte
Larven einen freien Schwärmzustand durchmachen, dann aber für immer an den verschiedensten
untermeerischen Gegenständen sich festsetzen. Man macht sich am zweckmäßigsten, wie wir es schon
begonnen haben, mit den als Einzelindividuen lebenden größeren, bis über faustgroß werdenden
Formen bekannt, welche in allen Meeren in den verschiedensten Tiefen zu den gemeineren
Erscheinungen gehören, und deren gröbere anatomische Untersuchung uns hinreichend orientirt.
Man nennt sie einfache Ascidien im Gegensatz zu den anderen Abtheilungen mit Stockbildung.
Wenden wir unsere Blicke nochmals auf die schon oben gegebene Abbildung der geöffneten Ascidia
microcosmus,
so erscheint es ohne Weiteres als annehmbar, daß der dicke Außenmantel nicht
etwa den Mantelblättern der Brachiopoden oder Muscheln entspricht, sondern höchstens mit dem
zweiklappigen Gehäus verglichen werden kann. Nachdem einige bedeutende englische Zoologen, wie
Hancok und Hurley, aus verschiedenen Gründen eine innigere Verwandtschaft der Ascidien mit
den Brachiopoden erkannt zu haben glaubten, entdeckte Lacaze-Duthiers an der afrikanischen
Küste eine, Chevreulius genannte Ascidien-Gattung, deren äußerer Mantel genau einer jener
altmodischen Schnupftabaksdosen gleicht, an welche auch die Brachiopoden-Gattung Thecidium
(Seite 961) erinnert. Chevreulius ist in Bezug auf dieses Gebäude, welches in Gestalt einer
zweiklappigen Schale ganz offenbar dem Außenmantel der übrigen Ascidien entspricht, dem im
Darwinischen Sinne vergleichenden Zoologen eine willkommene Zwischenform, deren Erwähnung
gewiß auch hier gerechtfertigt. Die eine Oeffnung (a), welche bei unserer Ascidia microcosmus
an dem einen Ende des der Länge nach festgewachsenen Thieres sich befindet, bei den mehr kegel-
und säulenförmigen Arten aber auf dem Gipfel, führt nicht unmittelbar in den Mund, sondern
in eine weite Kiemenhöhle. Jm Grunde derselben ist der Mund, zu welchem die Nahrung durch
Flimmerung gebracht wird. Unter der zweiten Oeffnung (b) entleert sich der Darmkanal in eine
kurze Röhre, durch welche auch die Fortpflanzungsprodukte entleert werden. Die Ascidien sind
wahre Zwitter, und ihre embryonale Entwicklung hat durch die vor Jahren veröffentlichten Unter-
suchungen des russischen Zoologen Kowalevsky eine unser höchstes Jnteresse beanspruchende
Wichtigkeit erlangt. Er hat nämlich nachgewiesen, daß an den, wie ich schon oben sagte, mit
einem Ruderschwanze versehenen Larven der Ascidien vorübergehend ein Organ sich bildet, welches

Mantelthiere. Ascidien.
die nächſten Verwandten der Ascidien erkannt hat. Auch ihr Körper iſt von einem derben Mantel
umgeben, der in ſeiner mikroſkopiſchen und chemiſchen Zuſammenſetzung mit dem jener überein-
ſtimmt. Wir müſſen nämlich zur allgemeinen Charakteriſirung der Mantelthiere die chemiſche
Beſchaffenheit des Theiles betonen, über deſſen Beziehungen zu dem gleichnamigen Organe der
Muſcheln oder vielleicht zu den Schalen der Brachiopoden weiter unten zu reden. Die Sache
verhält ſich ſo. Vor einigen Jahrzehnten noch, als die Syſtematik im Stande zu ſein glaubte,
ſcharfe, trennende Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen Pflanzen und Thieren aufzuſtellen, hielt man
die Zelluloſe oder den Pflanzenzellmembran-Stoff für ein ausſchließliches Eigenthum der Pflanzen.
Es iſt aber eine von den hinfällig gewordenen Eigenthümlichkeiten der Vegetabilien, indem ſich
zeigte, daß die Celluloſe einen Hauptbeſtandtheil des Mantels der Mantelthiere ausmache, wenn
auch in anderer Form, als im Pflanzenreich. Wir können nunmehr die beiden ſchon angedeuteten
Hauptabtheilungen näher ins Auge faſſen.



Erſte Ordnung.
Ascidien. Sackthiere (Ascidiae).

Die Ascidien ſind diejenigen Mantelthiere, welche nur eine kurze Zeit als geſchwänzte
Larven einen freien Schwärmzuſtand durchmachen, dann aber für immer an den verſchiedenſten
untermeeriſchen Gegenſtänden ſich feſtſetzen. Man macht ſich am zweckmäßigſten, wie wir es ſchon
begonnen haben, mit den als Einzelindividuen lebenden größeren, bis über fauſtgroß werdenden
Formen bekannt, welche in allen Meeren in den verſchiedenſten Tiefen zu den gemeineren
Erſcheinungen gehören, und deren gröbere anatomiſche Unterſuchung uns hinreichend orientirt.
Man nennt ſie einfache Ascidien im Gegenſatz zu den anderen Abtheilungen mit Stockbildung.
Wenden wir unſere Blicke nochmals auf die ſchon oben gegebene Abbildung der geöffneten Ascidia
microcosmus,
ſo erſcheint es ohne Weiteres als annehmbar, daß der dicke Außenmantel nicht
etwa den Mantelblättern der Brachiopoden oder Muſcheln entſpricht, ſondern höchſtens mit dem
zweiklappigen Gehäus verglichen werden kann. Nachdem einige bedeutende engliſche Zoologen, wie
Hancok und Hurley, aus verſchiedenen Gründen eine innigere Verwandtſchaft der Ascidien mit
den Brachiopoden erkannt zu haben glaubten, entdeckte Lacaze-Duthiers an der afrikaniſchen
Küſte eine, Chevreulius genannte Ascidien-Gattung, deren äußerer Mantel genau einer jener
altmodiſchen Schnupftabaksdoſen gleicht, an welche auch die Brachiopoden-Gattung Thecidium
(Seite 961) erinnert. Chevreulius iſt in Bezug auf dieſes Gebäude, welches in Geſtalt einer
zweiklappigen Schale ganz offenbar dem Außenmantel der übrigen Ascidien entſpricht, dem im
Darwiniſchen Sinne vergleichenden Zoologen eine willkommene Zwiſchenform, deren Erwähnung
gewiß auch hier gerechtfertigt. Die eine Oeffnung (a), welche bei unſerer Ascidia microcosmus
an dem einen Ende des der Länge nach feſtgewachſenen Thieres ſich befindet, bei den mehr kegel-
und ſäulenförmigen Arten aber auf dem Gipfel, führt nicht unmittelbar in den Mund, ſondern
in eine weite Kiemenhöhle. Jm Grunde derſelben iſt der Mund, zu welchem die Nahrung durch
Flimmerung gebracht wird. Unter der zweiten Oeffnung (b) entleert ſich der Darmkanal in eine
kurze Röhre, durch welche auch die Fortpflanzungsprodukte entleert werden. Die Ascidien ſind
wahre Zwitter, und ihre embryonale Entwicklung hat durch die vor Jahren veröffentlichten Unter-
ſuchungen des ruſſiſchen Zoologen Kowalevsky eine unſer höchſtes Jntereſſe beanſpruchende
Wichtigkeit erlangt. Er hat nämlich nachgewieſen, daß an den, wie ich ſchon oben ſagte, mit
einem Ruderſchwanze verſehenen Larven der Ascidien vorübergehend ein Organ ſich bildet, welches

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[966/1014] Mantelthiere. Ascidien. die nächſten Verwandten der Ascidien erkannt hat. Auch ihr Körper iſt von einem derben Mantel umgeben, der in ſeiner mikroſkopiſchen und chemiſchen Zuſammenſetzung mit dem jener überein- ſtimmt. Wir müſſen nämlich zur allgemeinen Charakteriſirung der Mantelthiere die chemiſche Beſchaffenheit des Theiles betonen, über deſſen Beziehungen zu dem gleichnamigen Organe der Muſcheln oder vielleicht zu den Schalen der Brachiopoden weiter unten zu reden. Die Sache verhält ſich ſo. Vor einigen Jahrzehnten noch, als die Syſtematik im Stande zu ſein glaubte, ſcharfe, trennende Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen Pflanzen und Thieren aufzuſtellen, hielt man die Zelluloſe oder den Pflanzenzellmembran-Stoff für ein ausſchließliches Eigenthum der Pflanzen. Es iſt aber eine von den hinfällig gewordenen Eigenthümlichkeiten der Vegetabilien, indem ſich zeigte, daß die Celluloſe einen Hauptbeſtandtheil des Mantels der Mantelthiere ausmache, wenn auch in anderer Form, als im Pflanzenreich. Wir können nunmehr die beiden ſchon angedeuteten Hauptabtheilungen näher ins Auge faſſen. Erſte Ordnung. Ascidien. Sackthiere (Ascidiae). Die Ascidien ſind diejenigen Mantelthiere, welche nur eine kurze Zeit als geſchwänzte Larven einen freien Schwärmzuſtand durchmachen, dann aber für immer an den verſchiedenſten untermeeriſchen Gegenſtänden ſich feſtſetzen. Man macht ſich am zweckmäßigſten, wie wir es ſchon begonnen haben, mit den als Einzelindividuen lebenden größeren, bis über fauſtgroß werdenden Formen bekannt, welche in allen Meeren in den verſchiedenſten Tiefen zu den gemeineren Erſcheinungen gehören, und deren gröbere anatomiſche Unterſuchung uns hinreichend orientirt. Man nennt ſie einfache Ascidien im Gegenſatz zu den anderen Abtheilungen mit Stockbildung. Wenden wir unſere Blicke nochmals auf die ſchon oben gegebene Abbildung der geöffneten Ascidia microcosmus, ſo erſcheint es ohne Weiteres als annehmbar, daß der dicke Außenmantel nicht etwa den Mantelblättern der Brachiopoden oder Muſcheln entſpricht, ſondern höchſtens mit dem zweiklappigen Gehäus verglichen werden kann. Nachdem einige bedeutende engliſche Zoologen, wie Hancok und Hurley, aus verſchiedenen Gründen eine innigere Verwandtſchaft der Ascidien mit den Brachiopoden erkannt zu haben glaubten, entdeckte Lacaze-Duthiers an der afrikaniſchen Küſte eine, Chevreulius genannte Ascidien-Gattung, deren äußerer Mantel genau einer jener altmodiſchen Schnupftabaksdoſen gleicht, an welche auch die Brachiopoden-Gattung Thecidium (Seite 961) erinnert. Chevreulius iſt in Bezug auf dieſes Gebäude, welches in Geſtalt einer zweiklappigen Schale ganz offenbar dem Außenmantel der übrigen Ascidien entſpricht, dem im Darwiniſchen Sinne vergleichenden Zoologen eine willkommene Zwiſchenform, deren Erwähnung gewiß auch hier gerechtfertigt. Die eine Oeffnung (a), welche bei unſerer Ascidia microcosmus an dem einen Ende des der Länge nach feſtgewachſenen Thieres ſich befindet, bei den mehr kegel- und ſäulenförmigen Arten aber auf dem Gipfel, führt nicht unmittelbar in den Mund, ſondern in eine weite Kiemenhöhle. Jm Grunde derſelben iſt der Mund, zu welchem die Nahrung durch Flimmerung gebracht wird. Unter der zweiten Oeffnung (b) entleert ſich der Darmkanal in eine kurze Röhre, durch welche auch die Fortpflanzungsprodukte entleert werden. Die Ascidien ſind wahre Zwitter, und ihre embryonale Entwicklung hat durch die vor Jahren veröffentlichten Unter- ſuchungen des ruſſiſchen Zoologen Kowalevsky eine unſer höchſtes Jntereſſe beanſpruchende Wichtigkeit erlangt. Er hat nämlich nachgewieſen, daß an den, wie ich ſchon oben ſagte, mit einem Ruderſchwanze verſehenen Larven der Ascidien vorübergehend ein Organ ſich bildet, welches

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1014>, abgerufen am 28.03.2024.