Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

gehörte. -- Dann machte Gockel aus grünen Zweigen zwei
große und einen kleinen Besen, und fegte mit Hinkel und
Gackeleia den Boden ein wenig rein. Gackeleia fuhr ganz
stolz und geschäftig mit ihrem Besen umher. Nun machten
sie ein Lager von Moos und dürren Blättern, worüber Go¬
ckel seinen Mantel und Hinkel ihre Schürze breitete. Dann
betete Gockel ein kurzes Nachtgebet vor, worauf sie sich
schlafen legten, Gockel rechts, Hinkel links, das Töchterlein
Gackeleia in der Mitte zwischen beiden. Von der Reise und
der Arbeit ermüdet, schliefen sie alle bald ein.

Gegen Mitternacht rührte sich plötzlich der wachsame
Schloßhauptmann Alektryo mit warnender Stimme auf sei¬
nem Sitz, und Gockel, der vor allerlei Gedanken, wie er
seine Familie ernähren solle, nicht fest schlief, richtete sich auf
und blickte umher, was vorgehe. Da sah er an der offnen
Thüre, durch welche der Mond schien, eine große lauernde
Katze, die auch sogleich einen heftigen Sprung herein that.
In demselben Augenblick hörte Gockel ein Gepfeife, und
fühlte, daß ihm etwas Lebendiges in den weiten Aermel sei¬
nes Wammses hineinlief. Alektryo und Gallina erhoben ein
banges Geschrei wegen der Katze. Gockel sprang auf, ver¬
jagte die Feindin und warf ihr einen Stein nach. Dann zog
er an der Pforte die Thierchen, die ihm in den Aermel ge¬
schlüpft waren, hervor, und erkannte im Mondschein zwei
weiße Mäuschen von außerordentlicher Schönheit. Sie wa¬
ren nicht scheu vor ihm, sondern setzten sich auf seiner Hand
auf die Hinterbeine, und zappelten mit den Vorderpfötchen,
wie ein Hündchen, das bittet, was dem alten Herrn wohl
gefiel. Er setzte sie in seine Gockelsmütze, legte sich wieder
nieder und diese neben sich, mit dem Gedanken, die guten
Thierchen am folgenden Morgen seinem Töchterchen Gackeleia
zu schenken, welche sehr ermüdet, wie ihre Mutter, nicht er¬
wacht war.

Als Gockel wieder eingeschlafen war, machten sich die

2 *

gehoͤrte. — Dann machte Gockel aus gruͤnen Zweigen zwei
große und einen kleinen Beſen, und fegte mit Hinkel und
Gackeleia den Boden ein wenig rein. Gackeleia fuhr ganz
ſtolz und geſchaͤftig mit ihrem Beſen umher. Nun machten
ſie ein Lager von Moos und duͤrren Blaͤttern, woruͤber Go¬
ckel ſeinen Mantel und Hinkel ihre Schuͤrze breitete. Dann
betete Gockel ein kurzes Nachtgebet vor, worauf ſie ſich
ſchlafen legten, Gockel rechts, Hinkel links, das Toͤchterlein
Gackeleia in der Mitte zwiſchen beiden. Von der Reiſe und
der Arbeit ermuͤdet, ſchliefen ſie alle bald ein.

Gegen Mitternacht ruͤhrte ſich ploͤtzlich der wachſame
Schloßhauptmann Alektryo mit warnender Stimme auf ſei¬
nem Sitz, und Gockel, der vor allerlei Gedanken, wie er
ſeine Familie ernaͤhren ſolle, nicht feſt ſchlief, richtete ſich auf
und blickte umher, was vorgehe. Da ſah er an der offnen
Thuͤre, durch welche der Mond ſchien, eine große lauernde
Katze, die auch ſogleich einen heftigen Sprung herein that.
In demſelben Augenblick hoͤrte Gockel ein Gepfeife, und
fuͤhlte, daß ihm etwas Lebendiges in den weiten Aermel ſei¬
nes Wammſes hineinlief. Alektryo und Gallina erhoben ein
banges Geſchrei wegen der Katze. Gockel ſprang auf, ver¬
jagte die Feindin und warf ihr einen Stein nach. Dann zog
er an der Pforte die Thierchen, die ihm in den Aermel ge¬
ſchluͤpft waren, hervor, und erkannte im Mondſchein zwei
weiße Maͤuschen von außerordentlicher Schoͤnheit. Sie wa¬
ren nicht ſcheu vor ihm, ſondern ſetzten ſich auf ſeiner Hand
auf die Hinterbeine, und zappelten mit den Vorderpfoͤtchen,
wie ein Huͤndchen, das bittet, was dem alten Herrn wohl
gefiel. Er ſetzte ſie in ſeine Gockelsmuͤtze, legte ſich wieder
nieder und dieſe neben ſich, mit dem Gedanken, die guten
Thierchen am folgenden Morgen ſeinem Toͤchterchen Gackeleia
zu ſchenken, welche ſehr ermuͤdet, wie ihre Mutter, nicht er¬
wacht war.

Als Gockel wieder eingeſchlafen war, machten ſich die

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="19"/>
geho&#x0364;rte. &#x2014; Dann machte Gockel aus gru&#x0364;nen Zweigen zwei<lb/>
große und einen kleinen Be&#x017F;en, und fegte mit Hinkel und<lb/>
Gackeleia den Boden ein wenig rein. Gackeleia fuhr ganz<lb/>
&#x017F;tolz und ge&#x017F;cha&#x0364;ftig mit ihrem Be&#x017F;en umher. Nun machten<lb/>
&#x017F;ie ein Lager von Moos und du&#x0364;rren Bla&#x0364;ttern, woru&#x0364;ber Go¬<lb/>
ckel &#x017F;einen Mantel und Hinkel ihre Schu&#x0364;rze breitete. Dann<lb/>
betete Gockel ein kurzes Nachtgebet vor, worauf &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chlafen legten, Gockel rechts, Hinkel links, das To&#x0364;chterlein<lb/>
Gackeleia in der Mitte zwi&#x017F;chen beiden. Von der Rei&#x017F;e und<lb/>
der Arbeit ermu&#x0364;det, &#x017F;chliefen &#x017F;ie alle bald ein.</p><lb/>
        <p>Gegen Mitternacht ru&#x0364;hrte &#x017F;ich plo&#x0364;tzlich der wach&#x017F;ame<lb/>
Schloßhauptmann Alektryo mit warnender Stimme auf &#x017F;ei¬<lb/>
nem Sitz, und Gockel, der vor allerlei Gedanken, wie er<lb/>
&#x017F;eine Familie erna&#x0364;hren &#x017F;olle, nicht fe&#x017F;t &#x017F;chlief, richtete &#x017F;ich auf<lb/>
und blickte umher, was vorgehe. Da &#x017F;ah er an der offnen<lb/>
Thu&#x0364;re, durch welche der Mond &#x017F;chien, eine große lauernde<lb/>
Katze, die auch &#x017F;ogleich einen heftigen Sprung herein that.<lb/>
In dem&#x017F;elben Augenblick ho&#x0364;rte Gockel ein Gepfeife, und<lb/>
fu&#x0364;hlte, daß ihm etwas Lebendiges in den weiten Aermel &#x017F;ei¬<lb/>
nes Wamm&#x017F;es hineinlief. Alektryo und Gallina erhoben ein<lb/>
banges Ge&#x017F;chrei wegen der Katze. Gockel &#x017F;prang auf, ver¬<lb/>
jagte die Feindin und warf ihr einen Stein nach. Dann zog<lb/>
er an der Pforte die Thierchen, die ihm in den Aermel ge¬<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;pft waren, hervor, und erkannte im Mond&#x017F;chein zwei<lb/>
weiße Ma&#x0364;uschen von außerordentlicher Scho&#x0364;nheit. Sie wa¬<lb/>
ren nicht &#x017F;cheu vor ihm, &#x017F;ondern &#x017F;etzten &#x017F;ich auf &#x017F;einer Hand<lb/>
auf die Hinterbeine, und zappelten mit den Vorderpfo&#x0364;tchen,<lb/>
wie ein Hu&#x0364;ndchen, das bittet, was dem alten Herrn wohl<lb/>
gefiel. Er &#x017F;etzte &#x017F;ie in &#x017F;eine Gockelsmu&#x0364;tze, legte &#x017F;ich wieder<lb/>
nieder und die&#x017F;e neben &#x017F;ich, mit dem Gedanken, die guten<lb/>
Thierchen am folgenden Morgen &#x017F;einem To&#x0364;chterchen Gackeleia<lb/>
zu &#x017F;chenken, welche &#x017F;ehr ermu&#x0364;det, wie ihre Mutter, nicht er¬<lb/>
wacht war.</p><lb/>
        <p>Als Gockel wieder einge&#x017F;chlafen war, machten &#x017F;ich die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0045] gehoͤrte. — Dann machte Gockel aus gruͤnen Zweigen zwei große und einen kleinen Beſen, und fegte mit Hinkel und Gackeleia den Boden ein wenig rein. Gackeleia fuhr ganz ſtolz und geſchaͤftig mit ihrem Beſen umher. Nun machten ſie ein Lager von Moos und duͤrren Blaͤttern, woruͤber Go¬ ckel ſeinen Mantel und Hinkel ihre Schuͤrze breitete. Dann betete Gockel ein kurzes Nachtgebet vor, worauf ſie ſich ſchlafen legten, Gockel rechts, Hinkel links, das Toͤchterlein Gackeleia in der Mitte zwiſchen beiden. Von der Reiſe und der Arbeit ermuͤdet, ſchliefen ſie alle bald ein. Gegen Mitternacht ruͤhrte ſich ploͤtzlich der wachſame Schloßhauptmann Alektryo mit warnender Stimme auf ſei¬ nem Sitz, und Gockel, der vor allerlei Gedanken, wie er ſeine Familie ernaͤhren ſolle, nicht feſt ſchlief, richtete ſich auf und blickte umher, was vorgehe. Da ſah er an der offnen Thuͤre, durch welche der Mond ſchien, eine große lauernde Katze, die auch ſogleich einen heftigen Sprung herein that. In demſelben Augenblick hoͤrte Gockel ein Gepfeife, und fuͤhlte, daß ihm etwas Lebendiges in den weiten Aermel ſei¬ nes Wammſes hineinlief. Alektryo und Gallina erhoben ein banges Geſchrei wegen der Katze. Gockel ſprang auf, ver¬ jagte die Feindin und warf ihr einen Stein nach. Dann zog er an der Pforte die Thierchen, die ihm in den Aermel ge¬ ſchluͤpft waren, hervor, und erkannte im Mondſchein zwei weiße Maͤuschen von außerordentlicher Schoͤnheit. Sie wa¬ ren nicht ſcheu vor ihm, ſondern ſetzten ſich auf ſeiner Hand auf die Hinterbeine, und zappelten mit den Vorderpfoͤtchen, wie ein Huͤndchen, das bittet, was dem alten Herrn wohl gefiel. Er ſetzte ſie in ſeine Gockelsmuͤtze, legte ſich wieder nieder und dieſe neben ſich, mit dem Gedanken, die guten Thierchen am folgenden Morgen ſeinem Toͤchterchen Gackeleia zu ſchenken, welche ſehr ermuͤdet, wie ihre Mutter, nicht er¬ wacht war. Als Gockel wieder eingeſchlafen war, machten ſich die 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/45
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/45>, abgerufen am 29.03.2024.