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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Leonce. Das schmatzt. Der Kerl verursacht mir ganz
idyllische Empfindungen; ich könnte wieder mit dem Ein-
fachsten anfangen, ich könnte Käs essen, Bier trinken, Tabak
rauchen. Mach fort, grunze nicht so mit deinem Rüssel,
und klappre mit deinen Hauern nicht so.
Valerio. Werthester Adonis, sind Sie in Angst um
Ihre Schenkel? Sein Sie unbesorgt, ich bin weder ein
Besenbinder, noch ein Schulmeister. Ich brauche keine Gerten
zu Ruthen.
Leonce. Du bleibst nichts schuldig.
Valerio. Ich wollte, es ginge meinem Herrn eben so.
Leonce. Meinst du, damit du zu deinen Prügeln kämst?
Bist du besorgt um deine Erziehung?
Valerio. O Himmel, man kömmt leichter zu seiner
Erzeugung, als zu seiner Erziehung. Es ist traurig, in
welche Umstände Einen andere Umstände versetzen können!
Was für Wochen hab' ich erlebt, seit meine Mutter in die
Wochen kam! Wieviel Gutes hab' ich empfangen, das ich
meiner Empfängniß zu danken hätte!
Leonce. Was deine Empfänglichkeit betrifft, so könnte
sie es nicht besser treffen, um getroffen zu werden. Drück'
dich besser aus, oder du sollst den unangenehmsten Eindruck
von meinem Nachdruck haben.
Valerio. Als meine Mutter um das Vorgebirg der
guten Hoffnung schiffte ....
Leonce. Und dein Vater am Cap Horn Schiffbruch
litt ....
Valerio. Richtig, denn er war Nachtwächter. Doch
setzte er das Horn nicht so oft an die Lippen, als die Väter
edler Söhne an die Stirn.

Leonce. Das ſchmatzt. Der Kerl verurſacht mir ganz
idylliſche Empfindungen; ich könnte wieder mit dem Ein-
fachſten anfangen, ich könnte Käs eſſen, Bier trinken, Tabak
rauchen. Mach fort, grunze nicht ſo mit deinem Rüſſel,
und klappre mit deinen Hauern nicht ſo.
Valerio. Wertheſter Adonis, ſind Sie in Angſt um
Ihre Schenkel? Sein Sie unbeſorgt, ich bin weder ein
Beſenbinder, noch ein Schulmeiſter. Ich brauche keine Gerten
zu Ruthen.
Leonce. Du bleibſt nichts ſchuldig.
Valerio. Ich wollte, es ginge meinem Herrn eben ſo.
Leonce. Meinſt du, damit du zu deinen Prügeln kämſt?
Biſt du beſorgt um deine Erziehung?
Valerio. O Himmel, man kömmt leichter zu ſeiner
Erzeugung, als zu ſeiner Erziehung. Es iſt traurig, in
welche Umſtände Einen andere Umſtände verſetzen können!
Was für Wochen hab' ich erlebt, ſeit meine Mutter in die
Wochen kam! Wieviel Gutes hab' ich empfangen, das ich
meiner Empfängniß zu danken hätte!
Leonce. Was deine Empfänglichkeit betrifft, ſo könnte
ſie es nicht beſſer treffen, um getroffen zu werden. Drück'
dich beſſer aus, oder du ſollſt den unangenehmſten Eindruck
von meinem Nachdruck haben.
Valerio. Als meine Mutter um das Vorgebirg der
guten Hoffnung ſchiffte ....
Leonce. Und dein Vater am Cap Horn Schiffbruch
litt ....
Valerio. Richtig, denn er war Nachtwächter. Doch
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[128/0324] Leonce. Das ſchmatzt. Der Kerl verurſacht mir ganz idylliſche Empfindungen; ich könnte wieder mit dem Ein- fachſten anfangen, ich könnte Käs eſſen, Bier trinken, Tabak rauchen. Mach fort, grunze nicht ſo mit deinem Rüſſel, und klappre mit deinen Hauern nicht ſo. Valerio. Wertheſter Adonis, ſind Sie in Angſt um Ihre Schenkel? Sein Sie unbeſorgt, ich bin weder ein Beſenbinder, noch ein Schulmeiſter. Ich brauche keine Gerten zu Ruthen. Leonce. Du bleibſt nichts ſchuldig. Valerio. Ich wollte, es ginge meinem Herrn eben ſo. Leonce. Meinſt du, damit du zu deinen Prügeln kämſt? Biſt du beſorgt um deine Erziehung? Valerio. O Himmel, man kömmt leichter zu ſeiner Erzeugung, als zu ſeiner Erziehung. Es iſt traurig, in welche Umſtände Einen andere Umſtände verſetzen können! Was für Wochen hab' ich erlebt, ſeit meine Mutter in die Wochen kam! Wieviel Gutes hab' ich empfangen, das ich meiner Empfängniß zu danken hätte! Leonce. Was deine Empfänglichkeit betrifft, ſo könnte ſie es nicht beſſer treffen, um getroffen zu werden. Drück' dich beſſer aus, oder du ſollſt den unangenehmſten Eindruck von meinem Nachdruck haben. Valerio. Als meine Mutter um das Vorgebirg der guten Hoffnung ſchiffte .... Leonce. Und dein Vater am Cap Horn Schiffbruch litt .... Valerio. Richtig, denn er war Nachtwächter. Doch ſetzte er das Horn nicht ſo oft an die Lippen, als die Väter edler Söhne an die Stirn.

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/324>, abgerufen am 29.03.2024.