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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
jedem Staate zugehörige Gruppe von Menschen kennzeichnet1.
Und darin besteht auch, nebenbei gesagt, der grundsätzliche
Unterschied zwischen dem Staatsbürger und dem Ausländer,
nicht in der materiellen Rechtsstellung, die dem einen und anderen
im Staate eingeräumt sein mag, z. B. in den verschiedenen mili-
tärischen und staatsbürgerlichen Pflichten gegenüber dem Staat,
sondern darin, daß das Verhältnis des Einen zu dieser Staats-
gemeinschaft ein landesrechtliches, das des anderen zunächst ein
völkerrechtliches ist, in dem Sinne nämlich, daß der Staat in
seinem Verhalten zum Ausländer stets, als gegenüber dem Ange-
hörigen eines anderen Staates, also völkerrechtlich (gegenüber
dem Heimatstaat) gebunden ist. Nicht die Art oder der Umfang
der Rechte und Pflichten sind es, die den Inländer von Fremden
unterscheiden, obschon auch diese tatsächlich überall verschieden
sind, sondern die formellrechtliche Grundlage dieser ganzen
Rechtsstellung; denn ein Ausländer könnte dem Inländer in allem
gleichgestellt werden, er bliebe doch Ausländer, ein dem Inländer
gleichgestellter Ausländer. Sofern ein Staat allerdings durch
seine Rechtsordnung den Ausländer den Inländern gleichstellt,
behandelt er ihn wie ein Inländer, und wenn diese landesrecht-
liche Gleichstellung vollständig ist, hat die Unterscheidung vom
landesrechtlichen Standpunkt aus auch keine praktische Bedeutung
mehr; allein vom völkerrechtlichen Standpunkt aus bleibt dieser
Gleichberechtigte doch Ausländer, wenn dieser Staat ihn als
Angehörigen einer anderen staatlichen Gemeinschaft und damit
als Gegenstand völkerrechtlicher Regelung anerkannt hat. Er ist
staatsrechtlich vom Inländer nicht zu unterscheiden; aber er bleibt
doch ein gleichgestellter Ausländer, weil das Staatsrecht dieses
Landes für ihn nicht allein maßgebend ist. Wäre das Staatsrecht
(d. h. die Rechtsordnung dieses Staates) allein maßgebend, mit
anderen Worten: gäbe es nur diesen einen Staat, so gäbe es auch
weder Inländer noch Ausländer, sondern nur Menschen mit ver-
schiedenem rechtlichem Status: vollberechtigte und -verpflichtete,
minderberechtigte und rechtlose (d. h. Menschen ohne Persön-
lichkeit, Sachen).

1 Vgl. mein Referat über die Einbürgerung der Ausländer in der
Schweiz vom Standpunkte des Völkerrechts betrachtet (Zürich 1914), in
den Schriften der Schweizer. Vereinigung für internationales Recht S. 9.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
jedem Staate zugehörige Gruppe von Menschen kennzeichnet1.
Und darin besteht auch, nebenbei gesagt, der grundsätzliche
Unterschied zwischen dem Staatsbürger und dem Ausländer,
nicht in der materiellen Rechtsstellung, die dem einen und anderen
im Staate eingeräumt sein mag, z. B. in den verschiedenen mili-
tärischen und staatsbürgerlichen Pflichten gegenüber dem Staat,
sondern darin, daß das Verhältnis des Einen zu dieser Staats-
gemeinschaft ein landesrechtliches, das des anderen zunächst ein
völkerrechtliches ist, in dem Sinne nämlich, daß der Staat in
seinem Verhalten zum Ausländer stets, als gegenüber dem Ange-
hörigen eines anderen Staates, also völkerrechtlich (gegenüber
dem Heimatstaat) gebunden ist. Nicht die Art oder der Umfang
der Rechte und Pflichten sind es, die den Inländer von Fremden
unterscheiden, obschon auch diese tatsächlich überall verschieden
sind, sondern die formellrechtliche Grundlage dieser ganzen
Rechtsstellung; denn ein Ausländer könnte dem Inländer in allem
gleichgestellt werden, er bliebe doch Ausländer, ein dem Inländer
gleichgestellter Ausländer. Sofern ein Staat allerdings durch
seine Rechtsordnung den Ausländer den Inländern gleichstellt,
behandelt er ihn wie ein Inländer, und wenn diese landesrecht-
liche Gleichstellung vollständig ist, hat die Unterscheidung vom
landesrechtlichen Standpunkt aus auch keine praktische Bedeutung
mehr; allein vom völkerrechtlichen Standpunkt aus bleibt dieser
Gleichberechtigte doch Ausländer, wenn dieser Staat ihn als
Angehörigen einer anderen staatlichen Gemeinschaft und damit
als Gegenstand völkerrechtlicher Regelung anerkannt hat. Er ist
staatsrechtlich vom Inländer nicht zu unterscheiden; aber er bleibt
doch ein gleichgestellter Ausländer, weil das Staatsrecht dieses
Landes für ihn nicht allein maßgebend ist. Wäre das Staatsrecht
(d. h. die Rechtsordnung dieses Staates) allein maßgebend, mit
anderen Worten: gäbe es nur diesen einen Staat, so gäbe es auch
weder Inländer noch Ausländer, sondern nur Menschen mit ver-
schiedenem rechtlichem Status: vollberechtigte und -verpflichtete,
minderberechtigte und rechtlose (d. h. Menschen ohne Persön-
lichkeit, Sachen).

1 Vgl. mein Referat über die Einbürgerung der Ausländer in der
Schweiz vom Standpunkte des Völkerrechts betrachtet (Zürich 1914), in
den Schriften der Schweizer. Vereinigung für internationales Recht S. 9.
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[362/0377] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. jedem Staate zugehörige Gruppe von Menschen kennzeichnet 1. Und darin besteht auch, nebenbei gesagt, der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Staatsbürger und dem Ausländer, nicht in der materiellen Rechtsstellung, die dem einen und anderen im Staate eingeräumt sein mag, z. B. in den verschiedenen mili- tärischen und staatsbürgerlichen Pflichten gegenüber dem Staat, sondern darin, daß das Verhältnis des Einen zu dieser Staats- gemeinschaft ein landesrechtliches, das des anderen zunächst ein völkerrechtliches ist, in dem Sinne nämlich, daß der Staat in seinem Verhalten zum Ausländer stets, als gegenüber dem Ange- hörigen eines anderen Staates, also völkerrechtlich (gegenüber dem Heimatstaat) gebunden ist. Nicht die Art oder der Umfang der Rechte und Pflichten sind es, die den Inländer von Fremden unterscheiden, obschon auch diese tatsächlich überall verschieden sind, sondern die formellrechtliche Grundlage dieser ganzen Rechtsstellung; denn ein Ausländer könnte dem Inländer in allem gleichgestellt werden, er bliebe doch Ausländer, ein dem Inländer gleichgestellter Ausländer. Sofern ein Staat allerdings durch seine Rechtsordnung den Ausländer den Inländern gleichstellt, behandelt er ihn wie ein Inländer, und wenn diese landesrecht- liche Gleichstellung vollständig ist, hat die Unterscheidung vom landesrechtlichen Standpunkt aus auch keine praktische Bedeutung mehr; allein vom völkerrechtlichen Standpunkt aus bleibt dieser Gleichberechtigte doch Ausländer, wenn dieser Staat ihn als Angehörigen einer anderen staatlichen Gemeinschaft und damit als Gegenstand völkerrechtlicher Regelung anerkannt hat. Er ist staatsrechtlich vom Inländer nicht zu unterscheiden; aber er bleibt doch ein gleichgestellter Ausländer, weil das Staatsrecht dieses Landes für ihn nicht allein maßgebend ist. Wäre das Staatsrecht (d. h. die Rechtsordnung dieses Staates) allein maßgebend, mit anderen Worten: gäbe es nur diesen einen Staat, so gäbe es auch weder Inländer noch Ausländer, sondern nur Menschen mit ver- schiedenem rechtlichem Status: vollberechtigte und -verpflichtete, minderberechtigte und rechtlose (d. h. Menschen ohne Persön- lichkeit, Sachen). 1 Vgl. mein Referat über die Einbürgerung der Ausländer in der Schweiz vom Standpunkte des Völkerrechts betrachtet (Zürich 1914), in den Schriften der Schweizer. Vereinigung für internationales Recht S. 9.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/377>, abgerufen am 24.04.2024.