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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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2. Abschnitt.Ruhmbegier -- lo gran disio dell' eccellenza -- schon
deßhalb verworfen, weil der geistige Ruhm nicht absolut,
sondern von den Zeiten abhängig sei und je nach Umständen
durch größere Nachfolger überboten und verdunkelt werde.

Die Celebrität
d. Humanisten.
Rasch bemächtigt sich nun das neu aufkommende Ge-
schlecht von Poeten-Philologen, welches auf Dante folgt,
des Ruhmes in doppeltem Sinn: indem sie selber die aner-
kanntesten Berühmtheiten Italiens werden und zugleich als
Dichter und Geschichtschreiber mit Bewußtsein über den
Ruhm Anderer verfügen. Als äußeres Symbol dieser Art
von Ruhm gilt besonders die Poetenkrönung, von welcher
weiter die Rede sein wird.

Ein Zeitgenosse Dante's, Albertinus Musattus oder
Mussatus, zu Padua von Bischof und Rector als Dichter
gekrönt, genoß bereits einen Ruhm, der an die Vergötterung
streifte; jährlich am Weihnachtstage kamen Doctoren und
Scholaren beider Collegien der Universität in feierlichem
Aufzug mit Posaunen und, scheint es, mit brennenden
Kerzen vor sein Haus um ihn zu begrüßen 1) und zu be-
schenken. Die Herrlichkeit dauerte bis er (1318) bei dem
regierenden Tyrannen aus dem Hause Carrara in Un-
gnade fiel.

Petrarca.In vollen Zügen genießt auch Petrarca den neuen,
früher nur für Helden und Heilige vorhandenen Weihrauch
und überredet sich sogar in seinen spätern Jahren, daß ihm
derselbe ein nichtiger und lästiger Begleiter scheine. Sein

sammen: Grido, fama, rumore, nominanza, onore, lauter Um-
schreibungen derselben Sache. -- Boccaccio dichtete, wie er in dem
Brief an Joh. Pizinga (Opere volgari, Vol. XVI.) gesteht,
perpetuandi nominis desiderio.
1) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. Thesaur. VI, III,
Col. 260).
Ob cereis, muneribus oder etwa certis muneribus
zu lesen, lasse ich dahingestellt.

2. Abſchnitt.Ruhmbegier — lo gran disio dell' eccellenza — ſchon
deßhalb verworfen, weil der geiſtige Ruhm nicht abſolut,
ſondern von den Zeiten abhängig ſei und je nach Umſtänden
durch größere Nachfolger überboten und verdunkelt werde.

Die Celebrität
d. Humaniſten.
Raſch bemächtigt ſich nun das neu aufkommende Ge-
ſchlecht von Poeten-Philologen, welches auf Dante folgt,
des Ruhmes in doppeltem Sinn: indem ſie ſelber die aner-
kannteſten Berühmtheiten Italiens werden und zugleich als
Dichter und Geſchichtſchreiber mit Bewußtſein über den
Ruhm Anderer verfügen. Als äußeres Symbol dieſer Art
von Ruhm gilt beſonders die Poetenkrönung, von welcher
weiter die Rede ſein wird.

Ein Zeitgenoſſe Dante's, Albertinus Muſattus oder
Muſſatus, zu Padua von Biſchof und Rector als Dichter
gekrönt, genoß bereits einen Ruhm, der an die Vergötterung
ſtreifte; jährlich am Weihnachtstage kamen Doctoren und
Scholaren beider Collegien der Univerſität in feierlichem
Aufzug mit Poſaunen und, ſcheint es, mit brennenden
Kerzen vor ſein Haus um ihn zu begrüßen 1) und zu be-
ſchenken. Die Herrlichkeit dauerte bis er (1318) bei dem
regierenden Tyrannen aus dem Hauſe Carrara in Un-
gnade fiel.

Petrarca.In vollen Zügen genießt auch Petrarca den neuen,
früher nur für Helden und Heilige vorhandenen Weihrauch
und überredet ſich ſogar in ſeinen ſpätern Jahren, daß ihm
derſelbe ein nichtiger und läſtiger Begleiter ſcheine. Sein

ſammen: Grido, fama, rumore, nominanza, onore, lauter Um-
ſchreibungen derſelben Sache. — Boccaccio dichtete, wie er in dem
Brief an Joh. Pizinga (Opere volgari, Vol. XVI.) geſteht,
perpetuandi nominis desiderio.
1) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. Thesaur. VI, III,
Col. 260).
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[144/0154] Ruhmbegier — lo gran disio dell' eccellenza — ſchon deßhalb verworfen, weil der geiſtige Ruhm nicht abſolut, ſondern von den Zeiten abhängig ſei und je nach Umſtänden durch größere Nachfolger überboten und verdunkelt werde. 2. Abſchnitt. Raſch bemächtigt ſich nun das neu aufkommende Ge- ſchlecht von Poeten-Philologen, welches auf Dante folgt, des Ruhmes in doppeltem Sinn: indem ſie ſelber die aner- kannteſten Berühmtheiten Italiens werden und zugleich als Dichter und Geſchichtſchreiber mit Bewußtſein über den Ruhm Anderer verfügen. Als äußeres Symbol dieſer Art von Ruhm gilt beſonders die Poetenkrönung, von welcher weiter die Rede ſein wird. Die Celebrität d. Humaniſten. Ein Zeitgenoſſe Dante's, Albertinus Muſattus oder Muſſatus, zu Padua von Biſchof und Rector als Dichter gekrönt, genoß bereits einen Ruhm, der an die Vergötterung ſtreifte; jährlich am Weihnachtstage kamen Doctoren und Scholaren beider Collegien der Univerſität in feierlichem Aufzug mit Poſaunen und, ſcheint es, mit brennenden Kerzen vor ſein Haus um ihn zu begrüßen 1) und zu be- ſchenken. Die Herrlichkeit dauerte bis er (1318) bei dem regierenden Tyrannen aus dem Hauſe Carrara in Un- gnade fiel. In vollen Zügen genießt auch Petrarca den neuen, früher nur für Helden und Heilige vorhandenen Weihrauch und überredet ſich ſogar in ſeinen ſpätern Jahren, daß ihm derſelbe ein nichtiger und läſtiger Begleiter ſcheine. Sein 7) Petrarca. 1) Scardeonius, de urb. Patav. antiq. (Graev. Thesaur. VI, III, Col. 260). Ob cereis, muneribus oder etwa certis muneribus zu leſen, laſſe ich dahingeſtellt. 7) ſammen: Grido, fama, rumore, nominanza, onore, lauter Um- ſchreibungen derſelben Sache. — Boccaccio dichtete, wie er in dem Brief an Joh. Pizinga (Opere volgari, Vol. XVI.) geſteht, perpetuandi nominis desiderio.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/154>, abgerufen am 19.04.2024.