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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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der monumental gesinnte, ruhmbegierige italienische Tyrann,1. Abschnitt.
der das Talent als solches braucht. Mit dem Dichter oder
Gelehrten zusammen fühlt er sich auf einem neuen Boden,
ja fast im Besitz einer neuen Legitimität.

Weltbekannt ist in dieser Beziehung der Gewaltherrscher
von Verona, Can Grande della Scala, welcher in den aus-
gezeichneten Verbannten an seinem Hofe ein ganzes Italien
beisammen unterhielt. Die Schriftsteller waren dankbar;
Petrarca, dessen Besuche an diesen Höfen so strenge Tadler
gefunden haben, schilderte das ideale Bild eines FürstenDas damalige
Ideal des
Herrschers.

des XIV. Jahrhunderts. 1) Er verlangt von seinem Adressa-
ten -- dem Herrn von Padua -- Vieles und Großes, aber
auf eine Weise als traute er es ihm zu. "Du mußt nicht
Herr deiner Bürger, sondern Vater des Vaterlandes sein
und jene wie deine Kinder lieben, 2) ja wie Glieder deines
Leibes. Waffen, Trabanten und Söldner magst du gegen
die Feinde wenden -- gegen deine Bürger kommst du mit
dem bloßen Wohlwollen aus; freilich meine ich nur die
Bürger welche das Bestehende lieben, denn wer täglich auf
Veränderungen sinnt, der ist ein Rebell und Staatsfeind
und gegen solche mag strenge Gerechtigkeit walten!" Im
Einzelnen folgt nun die echt moderne Fiction der Staats-
allmacht; der Fürst soll für Alles sorgen, Kirchen und
öffentliche Gebäude herstellen und unterhalten, die Gassen-
polizei aufrecht halten, 3) Sümpfe austrocknen, über Wein

1) Petrarca, de rep. optime administranda, ad Franc. Carraram.
(Opera, p. 372, s.)
2) Erst hundert Jahre später wird dann auch die Fürstinn zur Landes-
mutter. Vgl. Hieron. Crivelli's Leichenrede auf Bianca Maria
Visconti, bei Muratori, XXV, Col. 429. Eine spöttische Ueber-
tragung hievon ist es, wenn eine Schwester Papst Sixtus IV. bei
Jac. Volaterranus (Murat. XXIII. Col. 109) mater ecclesiae
genannt wird.
3) Mit dem beiläufigen Wunsch, es möchte das Lagern der Schweine
in den Gassen von Padua verboten werden, da der Anblick an sich
unerfreulich sei und die Pferde davon scheu würden.

der monumental geſinnte, ruhmbegierige italieniſche Tyrann,1. Abſchnitt.
der das Talent als ſolches braucht. Mit dem Dichter oder
Gelehrten zuſammen fühlt er ſich auf einem neuen Boden,
ja faſt im Beſitz einer neuen Legitimität.

Weltbekannt iſt in dieſer Beziehung der Gewaltherrſcher
von Verona, Can Grande della Scala, welcher in den aus-
gezeichneten Verbannten an ſeinem Hofe ein ganzes Italien
beiſammen unterhielt. Die Schriftſteller waren dankbar;
Petrarca, deſſen Beſuche an dieſen Höfen ſo ſtrenge Tadler
gefunden haben, ſchilderte das ideale Bild eines FürſtenDas damalige
Ideal des
Herrſchers.

des XIV. Jahrhunderts. 1) Er verlangt von ſeinem Adreſſa-
ten — dem Herrn von Padua — Vieles und Großes, aber
auf eine Weiſe als traute er es ihm zu. „Du mußt nicht
Herr deiner Bürger, ſondern Vater des Vaterlandes ſein
und jene wie deine Kinder lieben, 2) ja wie Glieder deines
Leibes. Waffen, Trabanten und Söldner magſt du gegen
die Feinde wenden — gegen deine Bürger kommſt du mit
dem bloßen Wohlwollen aus; freilich meine ich nur die
Bürger welche das Beſtehende lieben, denn wer täglich auf
Veränderungen ſinnt, der iſt ein Rebell und Staatsfeind
und gegen ſolche mag ſtrenge Gerechtigkeit walten!“ Im
Einzelnen folgt nun die echt moderne Fiction der Staats-
allmacht; der Fürſt ſoll für Alles ſorgen, Kirchen und
öffentliche Gebäude herſtellen und unterhalten, die Gaſſen-
polizei aufrecht halten, 3) Sümpfe austrocknen, über Wein

1) Petrarca, de rep. optime administranda, ad Franc. Carraram.
(Opera, p. 372, s.)
2) Erſt hundert Jahre ſpäter wird dann auch die Fürſtinn zur Landes-
mutter. Vgl. Hieron. Crivelli's Leichenrede auf Bianca Maria
Visconti, bei Muratori, XXV, Col. 429. Eine ſpöttiſche Ueber-
tragung hievon iſt es, wenn eine Schweſter Papſt Sixtus IV. bei
Jac. Volaterranus (Murat. XXIII. Col. 109) mater ecclesiae
genannt wird.
3) Mit dem beiläufigen Wunſch, es möchte das Lagern der Schweine
in den Gaſſen von Padua verboten werden, da der Anblick an ſich
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[7/0017] der monumental geſinnte, ruhmbegierige italieniſche Tyrann, der das Talent als ſolches braucht. Mit dem Dichter oder Gelehrten zuſammen fühlt er ſich auf einem neuen Boden, ja faſt im Beſitz einer neuen Legitimität. 1. Abſchnitt. Weltbekannt iſt in dieſer Beziehung der Gewaltherrſcher von Verona, Can Grande della Scala, welcher in den aus- gezeichneten Verbannten an ſeinem Hofe ein ganzes Italien beiſammen unterhielt. Die Schriftſteller waren dankbar; Petrarca, deſſen Beſuche an dieſen Höfen ſo ſtrenge Tadler gefunden haben, ſchilderte das ideale Bild eines Fürſten des XIV. Jahrhunderts. 1) Er verlangt von ſeinem Adreſſa- ten — dem Herrn von Padua — Vieles und Großes, aber auf eine Weiſe als traute er es ihm zu. „Du mußt nicht Herr deiner Bürger, ſondern Vater des Vaterlandes ſein und jene wie deine Kinder lieben, 2) ja wie Glieder deines Leibes. Waffen, Trabanten und Söldner magſt du gegen die Feinde wenden — gegen deine Bürger kommſt du mit dem bloßen Wohlwollen aus; freilich meine ich nur die Bürger welche das Beſtehende lieben, denn wer täglich auf Veränderungen ſinnt, der iſt ein Rebell und Staatsfeind und gegen ſolche mag ſtrenge Gerechtigkeit walten!“ Im Einzelnen folgt nun die echt moderne Fiction der Staats- allmacht; der Fürſt ſoll für Alles ſorgen, Kirchen und öffentliche Gebäude herſtellen und unterhalten, die Gaſſen- polizei aufrecht halten, 3) Sümpfe austrocknen, über Wein Das damalige Ideal des Herrſchers. 1) Petrarca, de rep. optime administranda, ad Franc. Carraram. (Opera, p. 372, s.) 2) Erſt hundert Jahre ſpäter wird dann auch die Fürſtinn zur Landes- mutter. Vgl. Hieron. Crivelli's Leichenrede auf Bianca Maria Visconti, bei Muratori, XXV, Col. 429. Eine ſpöttiſche Ueber- tragung hievon iſt es, wenn eine Schweſter Papſt Sixtus IV. bei Jac. Volaterranus (Murat. XXIII. Col. 109) mater ecclesiae genannt wird. 3) Mit dem beiläufigen Wunſch, es möchte das Lagern der Schweine in den Gaſſen von Padua verboten werden, da der Anblick an ſich unerfreulich ſei und die Pferde davon ſcheu würden.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/17>, abgerufen am 28.03.2024.