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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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4. Abschnitt.können. In einem Codicill zu seinem Testamente, datirt
zu Valladolid, 4. Mai 1506, vermacht er "seiner geliebten
"Heimath, der Republik Genua, das Gebetbuch, welches
"ihm Papst Alexander geschenkt, und welches ihm in Kerker,
"Kampf und Widerwärtigkeiten zum höchsten Troste gereicht
"hatte". Es ist als ob damit auf den fürchterlichen Na-
men Borgia ein letzter Schimmer von Gnade und Güte fiele.

Cosmographi-
sche Tendenz.
Ebenso wie die Geschichte der Reisen dürfen wir auch
die Entwicklung des geographischen Darstellens bei den
Italienern, ihren Antheil an der Cosmographie, nur kurz
berühren. Schon eine flüchtige Vergleichung ihrer Leistungen
mit denjenigen anderer Völker zeigt eine frühe und augen-
fällige Ueberlegenheit. Wo hätte sich um die Mitte des
XV. Jahrhunderts außerhalb Italiens eine solche Ver-
bindung des geographischen, statistischen und historischen
Aeneas Syl-
vius.
Interesses gefunden wie in Aeneas Sylvius? wo eine so
gleichmäßig ausgebildete Darstellung? Nicht nur in seiner
eigentlich cosmographischen Hauptarbeit sondern auch in
seinen Briefen und Commentarien schildert er mit gleicher
Virtuosität Landschaften, Städte, Sitten, Gewerbe und
Erträgnisse, politische Zustände und Verfassungen, sobald
ihm die eigene Wahrnehmung oder lebendige Kunde zu
Gebote steht; was er nur nach Büchern beschreibt, ist na-
türlich geringer. Schon die kurze Skizze 1) jenes tyrolischen
Alpenthales, wo er durch Friedrich III. eine Pfründe be-
kommen hatte, berührt alle wesentlichen Lebensbeziehungen
und zeigt eine Gabe und Methode des objectiven Beobach-
tens und Vergleichens, wie sie nur ein durch die Alten
gebildeter Landsmann des Columbus besitzen konnte. Tau-
sende sahen und wußten wenigstens stückweise, was er

1) Pii II. comment. L. I, p. 14. -- Daß er nicht immer richtig
beobachtete und bisweilen das Bild willkürlich ergänzte, zeigt uns
z. B. seine Beschreibung Basels nur zu klar. Im Ganzen bleibt
ihm doch ein hoher Werth.

4. Abſchnitt.können. In einem Codicill zu ſeinem Teſtamente, datirt
zu Valladolid, 4. Mai 1506, vermacht er „ſeiner geliebten
„Heimath, der Republik Genua, das Gebetbuch, welches
„ihm Papſt Alexander geſchenkt, und welches ihm in Kerker,
„Kampf und Widerwärtigkeiten zum höchſten Troſte gereicht
„hatte“. Es iſt als ob damit auf den fürchterlichen Na-
men Borgia ein letzter Schimmer von Gnade und Güte fiele.

Cosmographi-
ſche Tendenz.
Ebenſo wie die Geſchichte der Reiſen dürfen wir auch
die Entwicklung des geographiſchen Darſtellens bei den
Italienern, ihren Antheil an der Cosmographie, nur kurz
berühren. Schon eine flüchtige Vergleichung ihrer Leiſtungen
mit denjenigen anderer Völker zeigt eine frühe und augen-
fällige Ueberlegenheit. Wo hätte ſich um die Mitte des
XV. Jahrhunderts außerhalb Italiens eine ſolche Ver-
bindung des geographiſchen, ſtatiſtiſchen und hiſtoriſchen
Aeneas Syl-
vius.
Intereſſes gefunden wie in Aeneas Sylvius? wo eine ſo
gleichmäßig ausgebildete Darſtellung? Nicht nur in ſeiner
eigentlich cosmographiſchen Hauptarbeit ſondern auch in
ſeinen Briefen und Commentarien ſchildert er mit gleicher
Virtuoſität Landſchaften, Städte, Sitten, Gewerbe und
Erträgniſſe, politiſche Zuſtände und Verfaſſungen, ſobald
ihm die eigene Wahrnehmung oder lebendige Kunde zu
Gebote ſteht; was er nur nach Büchern beſchreibt, iſt na-
türlich geringer. Schon die kurze Skizze 1) jenes tyroliſchen
Alpenthales, wo er durch Friedrich III. eine Pfründe be-
kommen hatte, berührt alle weſentlichen Lebensbeziehungen
und zeigt eine Gabe und Methode des objectiven Beobach-
tens und Vergleichens, wie ſie nur ein durch die Alten
gebildeter Landsmann des Columbus beſitzen konnte. Tau-
ſende ſahen und wußten wenigſtens ſtückweiſe, was er

1) Pii II. comment. L. I, p. 14. — Daß er nicht immer richtig
beobachtete und bisweilen das Bild willkürlich ergänzte, zeigt uns
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[282/0292] können. In einem Codicill zu ſeinem Teſtamente, datirt zu Valladolid, 4. Mai 1506, vermacht er „ſeiner geliebten „Heimath, der Republik Genua, das Gebetbuch, welches „ihm Papſt Alexander geſchenkt, und welches ihm in Kerker, „Kampf und Widerwärtigkeiten zum höchſten Troſte gereicht „hatte“. Es iſt als ob damit auf den fürchterlichen Na- men Borgia ein letzter Schimmer von Gnade und Güte fiele. 4. Abſchnitt. Ebenſo wie die Geſchichte der Reiſen dürfen wir auch die Entwicklung des geographiſchen Darſtellens bei den Italienern, ihren Antheil an der Cosmographie, nur kurz berühren. Schon eine flüchtige Vergleichung ihrer Leiſtungen mit denjenigen anderer Völker zeigt eine frühe und augen- fällige Ueberlegenheit. Wo hätte ſich um die Mitte des XV. Jahrhunderts außerhalb Italiens eine ſolche Ver- bindung des geographiſchen, ſtatiſtiſchen und hiſtoriſchen Intereſſes gefunden wie in Aeneas Sylvius? wo eine ſo gleichmäßig ausgebildete Darſtellung? Nicht nur in ſeiner eigentlich cosmographiſchen Hauptarbeit ſondern auch in ſeinen Briefen und Commentarien ſchildert er mit gleicher Virtuoſität Landſchaften, Städte, Sitten, Gewerbe und Erträgniſſe, politiſche Zuſtände und Verfaſſungen, ſobald ihm die eigene Wahrnehmung oder lebendige Kunde zu Gebote ſteht; was er nur nach Büchern beſchreibt, iſt na- türlich geringer. Schon die kurze Skizze 1) jenes tyroliſchen Alpenthales, wo er durch Friedrich III. eine Pfründe be- kommen hatte, berührt alle weſentlichen Lebensbeziehungen und zeigt eine Gabe und Methode des objectiven Beobach- tens und Vergleichens, wie ſie nur ein durch die Alten gebildeter Landsmann des Columbus beſitzen konnte. Tau- ſende ſahen und wußten wenigſtens ſtückweiſe, was er Cosmographi- ſche Tendenz. Aeneas Syl- vius. 1) Pii II. comment. L. I, p. 14. — Daß er nicht immer richtig beobachtete und bisweilen das Bild willkürlich ergänzte, zeigt uns z. B. ſeine Beſchreibung Baſels nur zu klar. Im Ganzen bleibt ihm doch ein hoher Werth.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/292>, abgerufen am 28.03.2024.