Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

jungen Dienstmädchen lagen, allem Ansehen
nach, schon ganz todt gehungert da. Die
Mutter saß star und steif zwischen zwei fest-
gebundnen Stühlen auf dem Boden, den
Kopf gegen die Schifswand gelehnt; die
Magd lag der Länge nach neben ihr und hatte
den einen Arm fest um den Tischfuß geklam-
mert; der junge Mensch aber lag auf dem
Bette und hatte noch ein Stük von einem
ledernen Handschuh im Munde, den er schon
halb zernagt hatte.

Lotte. O Väterchen, machst es ja doch
so traurig!

Vater. Hast Recht; ich vergaß, daß
ihr so was nicht hören woltet. Ich wil diese
Geschichte also immer überhüpfen --

Alle. O nein! o nein, lieber Vater!
Laß sie uns nun ganz aushören!

Vater. Wenn ihr wolt! -- Ich muß
euch also erst sagen, wer diese armen Leute
waren, die da so kläglich lagen.

Es waren Reisende, die mit diesem Schiffe
aus Amerika nach England gehen wolten.

Alle

jungen Dienſtmaͤdchen lagen, allem Anſehen
nach, ſchon ganz todt gehungert da. Die
Mutter ſaß ſtar und ſteif zwiſchen zwei feſt-
gebundnen Stuͤhlen auf dem Boden, den
Kopf gegen die Schifswand gelehnt; die
Magd lag der Laͤnge nach neben ihr und hatte
den einen Arm feſt um den Tiſchfuß geklam-
mert; der junge Menſch aber lag auf dem
Bette und hatte noch ein Stuͤk von einem
ledernen Handſchuh im Munde, den er ſchon
halb zernagt hatte.

Lotte. O Vaͤterchen, machſt es ja doch
ſo traurig!

Vater. Haſt Recht; ich vergaß, daß
ihr ſo was nicht hoͤren woltet. Ich wil dieſe
Geſchichte alſo immer uͤberhuͤpfen —

Alle. O nein! o nein, lieber Vater!
Laß ſie uns nun ganz aushoͤren!

Vater. Wenn ihr wolt! — Ich muß
euch alſo erſt ſagen, wer dieſe armen Leute
waren, die da ſo klaͤglich lagen.

Es waren Reiſende, die mit dieſem Schiffe
aus Amerika nach England gehen wolten.

Alle
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="43"/>
jungen Dien&#x017F;tma&#x0364;dchen lagen, allem An&#x017F;ehen<lb/>
nach, &#x017F;chon ganz todt gehungert da. Die<lb/>
Mutter &#x017F;&#x017F;tar und &#x017F;teif zwi&#x017F;chen zwei fe&#x017F;t-<lb/>
gebundnen Stu&#x0364;hlen auf dem Boden, den<lb/>
Kopf gegen die Schifswand gelehnt; die<lb/>
Magd lag der La&#x0364;nge nach neben ihr und hatte<lb/>
den einen Arm fe&#x017F;t um den Ti&#x017F;chfuß geklam-<lb/>
mert; der junge Men&#x017F;ch aber lag auf dem<lb/>
Bette und hatte noch ein Stu&#x0364;k von einem<lb/>
ledernen Hand&#x017F;chuh im Munde, den er &#x017F;chon<lb/>
halb zernagt hatte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lotte.</hi> O Va&#x0364;terchen, mach&#x017F;t es ja doch<lb/>
&#x017F;o traurig!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vater.</hi> Ha&#x017F;t Recht; ich vergaß, daß<lb/>
ihr &#x017F;o was nicht ho&#x0364;ren woltet. Ich wil die&#x017F;e<lb/>
Ge&#x017F;chichte al&#x017F;o immer u&#x0364;berhu&#x0364;pfen &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Alle.</hi> O nein! o nein, lieber Vater!<lb/>
Laß &#x017F;ie uns nun ganz ausho&#x0364;ren!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vater.</hi> Wenn ihr wolt! &#x2014; Ich muß<lb/>
euch al&#x017F;o er&#x017F;t &#x017F;agen, wer die&#x017F;e armen Leute<lb/>
waren, die da &#x017F;o kla&#x0364;glich lagen.</p><lb/>
          <p>Es waren Rei&#x017F;ende, die mit die&#x017F;em Schiffe<lb/>
aus Amerika nach England gehen wolten.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Alle</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0083] jungen Dienſtmaͤdchen lagen, allem Anſehen nach, ſchon ganz todt gehungert da. Die Mutter ſaß ſtar und ſteif zwiſchen zwei feſt- gebundnen Stuͤhlen auf dem Boden, den Kopf gegen die Schifswand gelehnt; die Magd lag der Laͤnge nach neben ihr und hatte den einen Arm feſt um den Tiſchfuß geklam- mert; der junge Menſch aber lag auf dem Bette und hatte noch ein Stuͤk von einem ledernen Handſchuh im Munde, den er ſchon halb zernagt hatte. Lotte. O Vaͤterchen, machſt es ja doch ſo traurig! Vater. Haſt Recht; ich vergaß, daß ihr ſo was nicht hoͤren woltet. Ich wil dieſe Geſchichte alſo immer uͤberhuͤpfen — Alle. O nein! o nein, lieber Vater! Laß ſie uns nun ganz aushoͤren! Vater. Wenn ihr wolt! — Ich muß euch alſo erſt ſagen, wer dieſe armen Leute waren, die da ſo klaͤglich lagen. Es waren Reiſende, die mit dieſem Schiffe aus Amerika nach England gehen wolten. Alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/83
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/83>, abgerufen am 29.03.2024.