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Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.

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Was wären Augen wo nicht Stralen flögen?
Was wäre Licht wenn es kein Auge gäbe?
Was wären Töne da wo keine Hörer?
Was wären Hörer ohne Klangesschwebe?
So Geistbegriff auch sonder Sinnvermögen
Und Weltbild sonder Geist sind Selbstzerstörer.
Wie liebliche Verschwörer
Sind höchster Einheit Zeugen alle Dinge,
Und Jedes ist so Darstellung des Ganzen
Daß auch in Stäubleins Tanzen
Uroffenbarung schwingt die Feuerschwinge.
Hat der von Nazareth uns erst erkoren,
Ist er uns plötzlich überall geboren.
Mag Stumpfsinn dich im Kripplein nur erblicken,
Und Blindheit dich erkennen, ach! selbst dort nicht,
Stillsteht der Weisen Stern mir allenthalben
Wo trennbar von Allgegenwart der Ort nicht.
Du Glanz der Gottheit willst mein Herz erquicken
Und mir mit Freudenöl die Augen salben,
Sei's daß die holden Schwalben
Nun kommen oder flieh'n, daß Winterstürme
Herschneien oder Sommerfriede lächle,
Ein warmer Wind herfächle
Und südwärts schau'n die Hähne deiner Thürme.
Doch seliger wird deine Näh' empfunden
Im Schweben solcher goldnen Blütestunden.
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Was wären Augen wo nicht Stralen flögen?
Was wäre Licht wenn es kein Auge gäbe?
Was wären Töne da wo keine Hörer?
Was wären Hörer ohne Klangesſchwebe?
So Geiſtbegriff auch ſonder Sinnvermögen
Und Weltbild ſonder Geiſt ſind Selbſtzerſtörer.
Wie liebliche Verſchwörer
Sind höchſter Einheit Zeugen alle Dinge,
Und Jedes iſt ſo Darſtellung des Ganzen
Daß auch in Stäubleins Tanzen
Uroffenbarung ſchwingt die Feuerſchwinge.
Hat der von Nazareth uns erſt erkoren,
Iſt er uns plötzlich überall geboren.
Mag Stumpfſinn dich im Kripplein nur erblicken,
Und Blindheit dich erkennen, ach! ſelbſt dort nicht,
Stillſteht der Weiſen Stern mir allenthalben
Wo trennbar von Allgegenwart der Ort nicht.
Du Glanz der Gottheit willſt mein Herz erquicken
Und mir mit Freudenöl die Augen ſalben,
Sei's daß die holden Schwalben
Nun kommen oder flieh'n, daß Winterſtürme
Herſchneien oder Sommerfriede lächle,
Ein warmer Wind herfächle
Und ſüdwärts ſchau'n die Hähne deiner Thürme.
Doch ſeliger wird deine Näh' empfunden
Im Schweben ſolcher goldnen Blüteſtunden.
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[25/0039] Was wären Augen wo nicht Stralen flögen? Was wäre Licht wenn es kein Auge gäbe? Was wären Töne da wo keine Hörer? Was wären Hörer ohne Klangesſchwebe? So Geiſtbegriff auch ſonder Sinnvermögen Und Weltbild ſonder Geiſt ſind Selbſtzerſtörer. Wie liebliche Verſchwörer Sind höchſter Einheit Zeugen alle Dinge, Und Jedes iſt ſo Darſtellung des Ganzen Daß auch in Stäubleins Tanzen Uroffenbarung ſchwingt die Feuerſchwinge. Hat der von Nazareth uns erſt erkoren, Iſt er uns plötzlich überall geboren. Mag Stumpfſinn dich im Kripplein nur erblicken, Und Blindheit dich erkennen, ach! ſelbſt dort nicht, Stillſteht der Weiſen Stern mir allenthalben Wo trennbar von Allgegenwart der Ort nicht. Du Glanz der Gottheit willſt mein Herz erquicken Und mir mit Freudenöl die Augen ſalben, Sei's daß die holden Schwalben Nun kommen oder flieh'n, daß Winterſtürme Herſchneien oder Sommerfriede lächle, Ein warmer Wind herfächle Und ſüdwärts ſchau'n die Hähne deiner Thürme. Doch ſeliger wird deine Näh' empfunden Im Schweben ſolcher goldnen Blüteſtunden. 2

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Zitationshilfe: Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/39>, abgerufen am 28.03.2024.