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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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sich mit solcher Lectüre beschäftigen könne. Waren
dies etwa ein Dutzend der erwähnten Briefe, und
warum hatte meine süße Albertine Thränen
im Auge?"

"Also hast Du mich damals bereits belauscht?"
fragte Tina verwundert, und bediente sich schüchtern
in der Gesellschaft der Männer des traulichen Du.
"Das ist doch zu arg. Und ich muß glauben,
Deine Augen sind mit irgend einem Tubus be¬
waffnet gewesen, denn auf eine solche Weite
Thränen sehn zu wollen, ist mir sonst unbegreiflich.
Doch weshalb sie vergossen wurden, magst Du
selbst errathen, mein Freund! -- Aber nun unter¬
breche auch niemand unsern guten Vetter mehr!

Blauenstein berührte mit seinem küsselustigen
Munde Tinas empfindliches Ohrläppchen, daß sie
leicht aufschrie und mit dem niedlichen Zeigefinger
drohte. Emil stellte die Ruhe wieder her, und
Staunitz fuhr fort:

"Zu meinem Reisegefährten hatte ich mir
meinen academischen Genossen, den Sohn unseres
Nachbars, des Forstinspector Kluge erwählt, der --"

"Donnerwetter, da geht mir ein Licht auf,

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ſich mit ſolcher Lectuͤre beſchaͤftigen koͤnne. Waren
dies etwa ein Dutzend der erwaͤhnten Briefe, und
warum hatte meine ſuͤße Albertine Thraͤnen
im Auge?“

„Alſo haſt Du mich damals bereits belauſcht?“
fragte Tina verwundert, und bediente ſich ſchuͤchtern
in der Geſellſchaft der Maͤnner des traulichen Du.
„Das iſt doch zu arg. Und ich muß glauben,
Deine Augen ſind mit irgend einem Tubus be¬
waffnet geweſen, denn auf eine ſolche Weite
Thraͤnen ſehn zu wollen, iſt mir ſonſt unbegreiflich.
Doch weshalb ſie vergoſſen wurden, magſt Du
ſelbſt errathen, mein Freund! — Aber nun unter¬
breche auch niemand unſern guten Vetter mehr!

Blauenſtein beruͤhrte mit ſeinem kuͤſſeluſtigen
Munde Tinas empfindliches Ohrlaͤppchen, daß ſie
leicht aufſchrie und mit dem niedlichen Zeigefinger
drohte. Emil ſtellte die Ruhe wieder her, und
Staunitz fuhr fort:

„Zu meinem Reiſegefaͤhrten hatte ich mir
meinen academiſchen Genoſſen, den Sohn unſeres
Nachbars, des Forſtinſpector Kluge erwaͤhlt, der —“

„Donnerwetter, da geht mir ein Licht auf,

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[193/0199] ſich mit ſolcher Lectuͤre beſchaͤftigen koͤnne. Waren dies etwa ein Dutzend der erwaͤhnten Briefe, und warum hatte meine ſuͤße Albertine Thraͤnen im Auge?“ „Alſo haſt Du mich damals bereits belauſcht?“ fragte Tina verwundert, und bediente ſich ſchuͤchtern in der Geſellſchaft der Maͤnner des traulichen Du. „Das iſt doch zu arg. Und ich muß glauben, Deine Augen ſind mit irgend einem Tubus be¬ waffnet geweſen, denn auf eine ſolche Weite Thraͤnen ſehn zu wollen, iſt mir ſonſt unbegreiflich. Doch weshalb ſie vergoſſen wurden, magſt Du ſelbſt errathen, mein Freund! — Aber nun unter¬ breche auch niemand unſern guten Vetter mehr! Blauenſtein beruͤhrte mit ſeinem kuͤſſeluſtigen Munde Tinas empfindliches Ohrlaͤppchen, daß ſie leicht aufſchrie und mit dem niedlichen Zeigefinger drohte. Emil ſtellte die Ruhe wieder her, und Staunitz fuhr fort: „Zu meinem Reiſegefaͤhrten hatte ich mir meinen academiſchen Genoſſen, den Sohn unſeres Nachbars, des Forſtinſpector Kluge erwaͤhlt, der —“ „Donnerwetter, da geht mir ein Licht auf, 13

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/199>, abgerufen am 29.03.2024.