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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Kampfinstinkt fast ganz ruhen, und zwar um so mehr je
größer die Entfernung ist in der sie wirksam sind. Bei
der Schleuder kann man sich noch einen gewissen Ingrimm
denken mit der sie geworfen wird, weniger schon beim
Büchsenschuß, noch weniger beim Kanonenschuß.

48. Obgleich auch hier Übergänge stattfinden, so bleibt
doch bei allen neueren Waffen eine große Theilung sicht-
lich, nämlich in die Hieb- und Stoßwaffen und in die
Feuerwaffen; weil jene zum Handgefecht, diese zum Ge-
fecht aus der Ferne führen.

49. Es entstehen daher zwei Fechtarten: das Hand-
gefecht und das Feuergefecht.

50. Beide haben die Vernichtung des Gegners
zum Zweck.

51. Im Handgefecht ist diese eine ganz unzweifel-
hafte; im Feuergefecht nur eine mehr oder weniger wahr-
scheinliche. Aus diesem Unterschiede folgt eine sehr ver-
schiedene Bedeutung beider Gefechtsformen.

52. Weil im Handgefecht die Vernichtung nun ganz
unzweifelhaft ist, so ist das geringste Übergewicht der Vor-
theile oder des Muthes entscheidend, und es sucht Der
welcher sich im Nachtheil befindet oder welcher schwächern
Muthes ist sich der Gefahr durch die Flucht zu entziehen.

53. Dies tritt bei allen Handgefechten zwischen Meh-
reren so regelmäßig und gewöhnlich auch so früh ein daß
die eigentliche Vernichtungskraft dieses Gefechts dadurch
sehr geschwächt wird und seine Hauptwirkung mehr im
Vertreiben als im Vernichten des Feindes besteht.

54. Sieht man also auf die Wirksamkeit welche das
Handgefecht in der praktischen Welt hat, so muß man
seinen Zweck nicht in die Vernichtung, sondern in die

III 19

Kampfinſtinkt faſt ganz ruhen, und zwar um ſo mehr je
groͤßer die Entfernung iſt in der ſie wirkſam ſind. Bei
der Schleuder kann man ſich noch einen gewiſſen Ingrimm
denken mit der ſie geworfen wird, weniger ſchon beim
Buͤchſenſchuß, noch weniger beim Kanonenſchuß.

48. Obgleich auch hier Übergaͤnge ſtattfinden, ſo bleibt
doch bei allen neueren Waffen eine große Theilung ſicht-
lich, naͤmlich in die Hieb- und Stoßwaffen und in die
Feuerwaffen; weil jene zum Handgefecht, dieſe zum Ge-
fecht aus der Ferne fuͤhren.

49. Es entſtehen daher zwei Fechtarten: das Hand-
gefecht und das Feuergefecht.

50. Beide haben die Vernichtung des Gegners
zum Zweck.

51. Im Handgefecht iſt dieſe eine ganz unzweifel-
hafte; im Feuergefecht nur eine mehr oder weniger wahr-
ſcheinliche. Aus dieſem Unterſchiede folgt eine ſehr ver-
ſchiedene Bedeutung beider Gefechtsformen.

52. Weil im Handgefecht die Vernichtung nun ganz
unzweifelhaft iſt, ſo iſt das geringſte Übergewicht der Vor-
theile oder des Muthes entſcheidend, und es ſucht Der
welcher ſich im Nachtheil befindet oder welcher ſchwaͤchern
Muthes iſt ſich der Gefahr durch die Flucht zu entziehen.

53. Dies tritt bei allen Handgefechten zwiſchen Meh-
reren ſo regelmaͤßig und gewoͤhnlich auch ſo fruͤh ein daß
die eigentliche Vernichtungskraft dieſes Gefechts dadurch
ſehr geſchwaͤcht wird und ſeine Hauptwirkung mehr im
Vertreiben als im Vernichten des Feindes beſteht.

54. Sieht man alſo auf die Wirkſamkeit welche das
Handgefecht in der praktiſchen Welt hat, ſo muß man
ſeinen Zweck nicht in die Vernichtung, ſondern in die

III 19
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[289/0303] Kampfinſtinkt faſt ganz ruhen, und zwar um ſo mehr je groͤßer die Entfernung iſt in der ſie wirkſam ſind. Bei der Schleuder kann man ſich noch einen gewiſſen Ingrimm denken mit der ſie geworfen wird, weniger ſchon beim Buͤchſenſchuß, noch weniger beim Kanonenſchuß. 48. Obgleich auch hier Übergaͤnge ſtattfinden, ſo bleibt doch bei allen neueren Waffen eine große Theilung ſicht- lich, naͤmlich in die Hieb- und Stoßwaffen und in die Feuerwaffen; weil jene zum Handgefecht, dieſe zum Ge- fecht aus der Ferne fuͤhren. 49. Es entſtehen daher zwei Fechtarten: das Hand- gefecht und das Feuergefecht. 50. Beide haben die Vernichtung des Gegners zum Zweck. 51. Im Handgefecht iſt dieſe eine ganz unzweifel- hafte; im Feuergefecht nur eine mehr oder weniger wahr- ſcheinliche. Aus dieſem Unterſchiede folgt eine ſehr ver- ſchiedene Bedeutung beider Gefechtsformen. 52. Weil im Handgefecht die Vernichtung nun ganz unzweifelhaft iſt, ſo iſt das geringſte Übergewicht der Vor- theile oder des Muthes entſcheidend, und es ſucht Der welcher ſich im Nachtheil befindet oder welcher ſchwaͤchern Muthes iſt ſich der Gefahr durch die Flucht zu entziehen. 53. Dies tritt bei allen Handgefechten zwiſchen Meh- reren ſo regelmaͤßig und gewoͤhnlich auch ſo fruͤh ein daß die eigentliche Vernichtungskraft dieſes Gefechts dadurch ſehr geſchwaͤcht wird und ſeine Hauptwirkung mehr im Vertreiben als im Vernichten des Feindes beſteht. 54. Sieht man alſo auf die Wirkſamkeit welche das Handgefecht in der praktiſchen Welt hat, ſo muß man ſeinen Zweck nicht in die Vernichtung, ſondern in die III 19

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/303>, abgerufen am 29.03.2024.