Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

neulich in der Berliner Universität bei festlichem Anlasse zu der
versammelten Gemeinde der Lehrer ein beredter Mund mit
göttlicher Grobheit gesagt hat, das vernichtende Wort von den
wenigen Edeltannen und dem Gestrüpp der Notizensammlungen -
es mag in gewissem Sinne wahr sein. Und in der "Saturday
Review
" war bald danach ein Widerklang zu hören. Um nichts
weniger bleibt die relative Würdigung der Jnstitutionen des
hohen Unterrichts zwischen Deutschland und den anderen Natio-
nen dieselbe. Denn ob nun jenes harte Urtheil gerecht sein
mag oder nicht - es ist kein anderes Land zu entdecken, in
welchem, Alles in Allem, ein Gleiches oder gar ein Größeres
geleistet wird.

Wenn dem aber so ist, so können wir dem Vorsprunge,
den die weibliche Bildung in England und sonst im Auslande
vor der deutschen genommen hat, nicht einen Einwand entgegen-
halten, wie den wider die politischen Reformen. Hier liegt
auf uns das; "Noblesse oblige" des Voranschreitens, und wir
haben uns verwundert zu fragen: wie kommt es, daß wir an
diesem Stück so weit zurückgeblieben sind?

VIII.

Hier ist zunächst ein Charakterzug hervor zu heben, der
seinerseits in die politischen Grundlagen englischen und neu-
englischen Lebens hineingehört - die Leistungskraft der freien
Jnitiative, unabhängig von staatlicher Unterstützung oder staat-
licher Organisation. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß mehrere
Bemühungen um Reformen des höheren Unterrichts für das
weibliche Geschlecht, die seit einigen Jahren in Deutschland sich

neulich in der Berliner Universität bei festlichem Anlasse zu der
versammelten Gemeinde der Lehrer ein beredter Mund mit
göttlicher Grobheit gesagt hat, das vernichtende Wort von den
wenigen Edeltannen und dem Gestrüpp der Notizensammlungen –
es mag in gewissem Sinne wahr sein. Und in der „Saturday
Review
“ war bald danach ein Widerklang zu hören. Um nichts
weniger bleibt die relative Würdigung der Jnstitutionen des
hohen Unterrichts zwischen Deutschland und den anderen Natio-
nen dieselbe. Denn ob nun jenes harte Urtheil gerecht sein
mag oder nicht – es ist kein anderes Land zu entdecken, in
welchem, Alles in Allem, ein Gleiches oder gar ein Größeres
geleistet wird.

Wenn dem aber so ist, so können wir dem Vorsprunge,
den die weibliche Bildung in England und sonst im Auslande
vor der deutschen genommen hat, nicht einen Einwand entgegen-
halten, wie den wider die politischen Reformen. Hier liegt
auf uns das; „Noblesse oblige“ des Voranschreitens, und wir
haben uns verwundert zu fragen: wie kommt es, daß wir an
diesem Stück so weit zurückgeblieben sind?

VIII.

Hier ist zunächst ein Charakterzug hervor zu heben, der
seinerseits in die politischen Grundlagen englischen und neu-
englischen Lebens hineingehört – die Leistungskraft der freien
Jnitiative, unabhängig von staatlicher Unterstützung oder staat-
licher Organisation. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß mehrere
Bemühungen um Reformen des höheren Unterrichts für das
weibliche Geschlecht, die seit einigen Jahren in Deutschland sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="169"/>
neulich in der Berliner Universität bei festlichem Anlasse zu der<lb/>
versammelten Gemeinde der Lehrer ein beredter Mund mit<lb/>
göttlicher Grobheit gesagt hat, das vernichtende Wort von den<lb/>
wenigen Edeltannen und dem Gestrüpp der Notizensammlungen &#x2013;<lb/>
es mag in gewissem Sinne wahr sein. Und in der &#x201E;<hi rendition="#aq">Saturday<lb/>
Review</hi>&#x201C; war bald danach ein Widerklang zu hören. Um nichts<lb/>
weniger bleibt die relative Würdigung der Jnstitutionen des<lb/>
hohen Unterrichts zwischen Deutschland und den anderen Natio-<lb/>
nen dieselbe. Denn ob nun jenes harte Urtheil gerecht sein<lb/>
mag oder nicht &#x2013; es ist kein anderes Land zu entdecken, in<lb/>
welchem, Alles in Allem, ein Gleiches oder gar ein Größeres<lb/>
geleistet wird.</p><lb/>
          <p>Wenn dem aber so ist, so können wir dem Vorsprunge,<lb/>
den die weibliche Bildung in England und sonst im Auslande<lb/>
vor der deutschen genommen hat, nicht einen Einwand entgegen-<lb/>
halten, wie den wider die politischen Reformen. Hier liegt<lb/>
auf uns das; &#x201E;<hi rendition="#aq">Noblesse oblige</hi>&#x201C; des Voranschreitens, und wir<lb/>
haben uns verwundert zu fragen: wie kommt es, daß wir an<lb/>
diesem Stück so weit zurückgeblieben sind?</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VIII</hi>.</head><lb/>
          <p>Hier ist zunächst ein Charakterzug hervor zu heben, der<lb/>
seinerseits in die politischen Grundlagen englischen und neu-<lb/>
englischen Lebens hineingehört &#x2013; die Leistungskraft der freien<lb/>
Jnitiative, unabhängig von staatlicher Unterstützung oder staat-<lb/>
licher Organisation. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß mehrere<lb/>
Bemühungen um Reformen des höheren Unterrichts für das<lb/>
weibliche Geschlecht, die seit einigen Jahren in Deutschland sich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] neulich in der Berliner Universität bei festlichem Anlasse zu der versammelten Gemeinde der Lehrer ein beredter Mund mit göttlicher Grobheit gesagt hat, das vernichtende Wort von den wenigen Edeltannen und dem Gestrüpp der Notizensammlungen – es mag in gewissem Sinne wahr sein. Und in der „Saturday Review“ war bald danach ein Widerklang zu hören. Um nichts weniger bleibt die relative Würdigung der Jnstitutionen des hohen Unterrichts zwischen Deutschland und den anderen Natio- nen dieselbe. Denn ob nun jenes harte Urtheil gerecht sein mag oder nicht – es ist kein anderes Land zu entdecken, in welchem, Alles in Allem, ein Gleiches oder gar ein Größeres geleistet wird. Wenn dem aber so ist, so können wir dem Vorsprunge, den die weibliche Bildung in England und sonst im Auslande vor der deutschen genommen hat, nicht einen Einwand entgegen- halten, wie den wider die politischen Reformen. Hier liegt auf uns das; „Noblesse oblige“ des Voranschreitens, und wir haben uns verwundert zu fragen: wie kommt es, daß wir an diesem Stück so weit zurückgeblieben sind? VIII. Hier ist zunächst ein Charakterzug hervor zu heben, der seinerseits in die politischen Grundlagen englischen und neu- englischen Lebens hineingehört – die Leistungskraft der freien Jnitiative, unabhängig von staatlicher Unterstützung oder staat- licher Organisation. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß mehrere Bemühungen um Reformen des höheren Unterrichts für das weibliche Geschlecht, die seit einigen Jahren in Deutschland sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/185
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/185>, abgerufen am 16.04.2024.