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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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richtsinstituten erwuchs allmählich eine Reihe von Schulen, die
der Verein selber unterhielt: eine Handelsschule, eine Gewerbe-
schule, eine Kochschule, eine Telegraphenschule, eine Setzerinnen-
schule. Die letztere erhielt eine festere Gestalt erst dadurch, daß
sie sich als selbständiges Buchdruckerei-Unternehmen financiell
auf eigene Füße stellte und nur unter der Aufsicht des Lette-
Vereins blieb. Etwa 40 Setzerinnen sind darin beschäftigt und
gehen, nachdem ihre Ausbildung vollendet ist, in andere Drucke-
reien über, sofern sie hier nicht verbleiben. Je nach den
Leistungen ist der wöchentliche Lohn 18-36 Mark; dabei hat
das Unternehmen stets angemessenen Gewinn und einen Theil
davon für die Krankenkasse geliefert. Es ist damit gleichsam
ein neues Arbeitsgebiet für weibliche Kräfte erobert worden -
freilich nach Beispielen, die im Auslande bereits vorangegangen
waren.

Neben diesen nüchtern-praktischen Bestrebungen trat all-
mählich der Wunsch hervor, auch für die höhere wissenschaftliche
Ausbildung der Frauen zu sorgen. Es wurde der Plan zu
einer Schule entworfen, die als Vorbereitung für Maturitäts-
prüfung und Universitätsstudium dienen sollte. Das Hinderniß
lag in den Staatseinrichtungen. Auch wurden die Petitionen,
mit denen man sich an den Unterrichtsminister Falk und an die
Berliner Stadtverwaltung wegen Errichtung derartiger Anstalten
gewandt hatte, abschlägig beschieden. Erfolgreicher war man
mit der Entwickelung des Unterrichts nach der Seite der Kunst.
Von der Gewerbeschule löste sich eine besondere Anstalt ab, die
den doppelten Zweck verfolgte, für die Ausübung des kunst-
gewerblichen Berufes vorzubilden und Lehrerinnen für das kunst-
gewerbliche Zeichnen und Coloriren zu erziehen. Dazu kam
Ende des Jahres 1878 eine Modellirschule und bald darauf die
Kunsthandarbeitsschule. Die Berliner Gewerbeausstellung vom

richtsinstituten erwuchs allmählich eine Reihe von Schulen, die
der Verein selber unterhielt: eine Handelsschule, eine Gewerbe-
schule, eine Kochschule, eine Telegraphenschule, eine Setzerinnen-
schule. Die letztere erhielt eine festere Gestalt erst dadurch, daß
sie sich als selbständiges Buchdruckerei-Unternehmen financiell
auf eigene Füße stellte und nur unter der Aufsicht des Lette-
Vereins blieb. Etwa 40 Setzerinnen sind darin beschäftigt und
gehen, nachdem ihre Ausbildung vollendet ist, in andere Drucke-
reien über, sofern sie hier nicht verbleiben. Je nach den
Leistungen ist der wöchentliche Lohn 18-36 Mark; dabei hat
das Unternehmen stets angemessenen Gewinn und einen Theil
davon für die Krankenkasse geliefert. Es ist damit gleichsam
ein neues Arbeitsgebiet für weibliche Kräfte erobert worden –
freilich nach Beispielen, die im Auslande bereits vorangegangen
waren.

Neben diesen nüchtern-praktischen Bestrebungen trat all-
mählich der Wunsch hervor, auch für die höhere wissenschaftliche
Ausbildung der Frauen zu sorgen. Es wurde der Plan zu
einer Schule entworfen, die als Vorbereitung für Maturitäts-
prüfung und Universitätsstudium dienen sollte. Das Hinderniß
lag in den Staatseinrichtungen. Auch wurden die Petitionen,
mit denen man sich an den Unterrichtsminister Falk und an die
Berliner Stadtverwaltung wegen Errichtung derartiger Anstalten
gewandt hatte, abschlägig beschieden. Erfolgreicher war man
mit der Entwickelung des Unterrichts nach der Seite der Kunst.
Von der Gewerbeschule löste sich eine besondere Anstalt ab, die
den doppelten Zweck verfolgte, für die Ausübung des kunst-
gewerblichen Berufes vorzubilden und Lehrerinnen für das kunst-
gewerbliche Zeichnen und Coloriren zu erziehen. Dazu kam
Ende des Jahres 1878 eine Modellirschule und bald darauf die
Kunsthandarbeitsschule. Die Berliner Gewerbeausstellung vom

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[18/0034] richtsinstituten erwuchs allmählich eine Reihe von Schulen, die der Verein selber unterhielt: eine Handelsschule, eine Gewerbe- schule, eine Kochschule, eine Telegraphenschule, eine Setzerinnen- schule. Die letztere erhielt eine festere Gestalt erst dadurch, daß sie sich als selbständiges Buchdruckerei-Unternehmen financiell auf eigene Füße stellte und nur unter der Aufsicht des Lette- Vereins blieb. Etwa 40 Setzerinnen sind darin beschäftigt und gehen, nachdem ihre Ausbildung vollendet ist, in andere Drucke- reien über, sofern sie hier nicht verbleiben. Je nach den Leistungen ist der wöchentliche Lohn 18-36 Mark; dabei hat das Unternehmen stets angemessenen Gewinn und einen Theil davon für die Krankenkasse geliefert. Es ist damit gleichsam ein neues Arbeitsgebiet für weibliche Kräfte erobert worden – freilich nach Beispielen, die im Auslande bereits vorangegangen waren. Neben diesen nüchtern-praktischen Bestrebungen trat all- mählich der Wunsch hervor, auch für die höhere wissenschaftliche Ausbildung der Frauen zu sorgen. Es wurde der Plan zu einer Schule entworfen, die als Vorbereitung für Maturitäts- prüfung und Universitätsstudium dienen sollte. Das Hinderniß lag in den Staatseinrichtungen. Auch wurden die Petitionen, mit denen man sich an den Unterrichtsminister Falk und an die Berliner Stadtverwaltung wegen Errichtung derartiger Anstalten gewandt hatte, abschlägig beschieden. Erfolgreicher war man mit der Entwickelung des Unterrichts nach der Seite der Kunst. Von der Gewerbeschule löste sich eine besondere Anstalt ab, die den doppelten Zweck verfolgte, für die Ausübung des kunst- gewerblichen Berufes vorzubilden und Lehrerinnen für das kunst- gewerbliche Zeichnen und Coloriren zu erziehen. Dazu kam Ende des Jahres 1878 eine Modellirschule und bald darauf die Kunsthandarbeitsschule. Die Berliner Gewerbeausstellung vom

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/34>, abgerufen am 28.03.2024.